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horaz

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horaz [2014/10/28 09:18] Robert-Christian Knorrhoraz [2024/04/20 08:13] (aktuell) – [Lehre] Robert-Christian Knorr
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 - verherrlicht Octavian, dem er [[Weisheit]] konzediert\\ - verherrlicht Octavian, dem er [[Weisheit]] konzediert\\
 - sich selbst sagte er weis, daß ihm [[Ehre]] gebühre, solange [[Rom]] bestehe, denn er habe //aeolium carmen ad italos deduxisse modos// - das aiolische [[Lied]] ins italische Maß gebeugt - sich selbst sagte er weis, daß ihm [[Ehre]] gebühre, solange [[Rom]] bestehe, denn er habe //aeolium carmen ad italos deduxisse modos// - das aiolische [[Lied]] ins italische Maß gebeugt
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 +===== Lehre =====
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 +- basiert auf der festen Überzeugung, daß das Innere des Menschen das Äußere bestimmt, im Umkehrschluß also ein verlotterter [[Zeitgeist]] auf einen verlotterten inneren Zustand der ihn tragenden Menschen zurückzuführen ist: utcunque defecere mores, dedocorant bene nata culpae, z.dt. etwa: Sobald es fehlt an Zucht und Sitte, schädigt Verschulden die guten Gaben.
  
 ===== Horaz heute ===== ===== Horaz heute =====
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 Die Oden neun und elf aus dem ersten [[Buch]] und der Auszug aus der Septuaginta sind gebaut auf dem Gerüst der Zeit und ihrer Vergänglichkeit.\\ Die Oden neun und elf aus dem ersten [[Buch]] und der Auszug aus der Septuaginta sind gebaut auf dem Gerüst der Zeit und ihrer Vergänglichkeit.\\
-In der neunten Oder verbindet Horaz die Vergänglichkeit der Zeit mit der der Natur. Sie besteht aus neun [[Strophe#Strophen]] zu je vier Zeilen. Horaz verwendet drei Naturbilder. Er beginnt im Winter, nennt die stürmischen [[Wind#Winde]] und endet im Frühling, dem [[Frühling]] der Liebe. Er wendet sich in einer rhetorischen Frage an den Leser. Ob der denn den hohen Schnee – „alta nive“ - und die [[Last]] des Schnees auf den Bäumen erkenne? So auch den Gipfel des [[Sokrates]], den „candidum Socrate“ und das Eis der Flüsse?\\+In der neunten Oder verbindet Horaz die Vergänglichkeit der Zeit mit der der Natur. Sie besteht aus neun [[Strophe#Strophen]] zu je vier Zeilen. Horaz verwendet drei Naturbilder. Er beginnt im Winter, nennt die stürmischen [[Wind#Winde]] und endet im Frühling, dem [[Frühling]] der Liebe. Er wendet sich in einer rhetorischen Frage an den Leser. Ob der denn den hohen [[Schnee]] – „alta nive“ - und die [[Last]] des Schnees auf den Bäumen erkenne? So auch den Gipfel des [[Sokrates]], den „candidum Socrate“ und das Eis der Flüsse?\\
 Horaz erschafft also ein Bild der [[Gewalt]]. Er versucht die Kraft des Winters, des Sterbens also, zu verbildlichen. Und so heißt es in der zweiten Strophe auch: “Dissolve frigus. - Banne die [[Kälte]]!“ \\ Horaz erschafft also ein Bild der [[Gewalt]]. Er versucht die Kraft des Winters, des Sterbens also, zu verbildlichen. Und so heißt es in der zweiten Strophe auch: “Dissolve frigus. - Banne die [[Kälte]]!“ \\
 Er verlangt, die Gedanken an den Tod abzulegen und sich dem Genuß des Lebens zu widmen, was für ihn, als [[Römer]] und Genießer, mit dem Genuß des Weins verbunden ist. Noch dazu, wenn er „aus dem sabinischen Kruge“ fließt, dem [[Wein]] seines Guts also.\\ Er verlangt, die Gedanken an den Tod abzulegen und sich dem Genuß des Lebens zu widmen, was für ihn, als [[Römer]] und Genießer, mit dem Genuß des Weins verbunden ist. Noch dazu, wenn er „aus dem sabinischen Kruge“ fließt, dem [[Wein]] seines Guts also.\\
-In der dritten Strophe schreibt er von Stürmen, keinesfalls typisch für den Winter, sondern für den herannahenden Frühling, so daß er eine gewisse Dynamik in diese Ode bringt, das Beständige der Zeit in den Vordergrund hebt. Nach jedem Winter folgt ein Frühling, auf gute Zeiten folgen schlechte, und umgekehrt. - Er schreibt von der Zypresse, dem typisch römischen „Baum des Lebens“, einem zarten und sich dem Wind anpassenden Baum und setzt die alte [[Esche]] dagegen. Sehr hartes [[Holz]], das sich kaum regt im Sturm. Man soll sich also dem Lauf der Zeit anpassen, sich dem Wind beugen. Andererseits auch nicht zulassen, daß der Gedanke an den Winter, den Tod, überhand nimmt und unser Leben zu sehr beeinflußt.\\+In der dritten Strophe schreibt er von Stürmen, keinesfalls typisch für den Winter, sondern für den herannahenden Frühling, so daß er eine gewisse Dynamik in diese Ode bringt, das Beständige der Zeit in den Vordergrund hebt. Nach jedem Winter folgt ein Frühling, auf gute Zeiten folgen schlechte, und umgekehrt. - Er schreibt von der Zypresse, dem typisch römischen „Baum des Lebens“, einem zarten und sich dem Wind anpassenden [[Baum]] und setzt die alte [[Esche]] dagegen. Sehr hartes [[Holz]], das sich kaum regt im Sturm. Man soll sich also dem Lauf der Zeit anpassen, sich dem Wind beugen. Andererseits auch nicht zulassen, daß der Gedanke an den Winter, den Tod, überhand nimmt und unser Leben zu sehr beeinflußt.\\
 So kündigt der Sturm, hier von den Göttern gesendet, den Frühling der Liebe an. Dass der Sturm von den Göttern gesendet wird, betont wieder, dass sie unser Schicksal bestimmen.\\ So kündigt der Sturm, hier von den Göttern gesendet, den Frühling der Liebe an. Dass der Sturm von den Göttern gesendet wird, betont wieder, dass sie unser Schicksal bestimmen.\\
 Erst ab der vierten Strophe rückt das Thema der Zeit in den Vordergrund. Horaz nennt die süßen Seiten des Lebens, die „Wonnen der Liebe und das Tanzen.“ „Quid sit futurum cras, fuge quaerere, et quem Fors dierum cumque dabit, lucro aspone“ - den [[Augenblick]] genießen und unbeschwert durch das Leben gehen. Ein typisch epikureischer Gedanke. Und dieser Gedanke ist in dieser Ode wohl der Schlüsselvers.\\ Erst ab der vierten Strophe rückt das Thema der Zeit in den Vordergrund. Horaz nennt die süßen Seiten des Lebens, die „Wonnen der Liebe und das Tanzen.“ „Quid sit futurum cras, fuge quaerere, et quem Fors dierum cumque dabit, lucro aspone“ - den [[Augenblick]] genießen und unbeschwert durch das Leben gehen. Ein typisch epikureischer Gedanke. Und dieser Gedanke ist in dieser Ode wohl der Schlüsselvers.\\
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 Der Aufbau der elften unterscheidet sich von dem der neunten. So schreibt er seinen Schlüsselvers dieses Mal als letztes: //carpe diem quam minimum credula postero//. Auch besteht die elfte Ode nur aus einer Strophe, mit acht Zeilen.\\ Der Aufbau der elften unterscheidet sich von dem der neunten. So schreibt er seinen Schlüsselvers dieses Mal als letztes: //carpe diem quam minimum credula postero//. Auch besteht die elfte Ode nur aus einer Strophe, mit acht Zeilen.\\
 Doch in beiden Oden benutzt Horaz viele Aufforderungen, wie //tu ne quaereris//, //sapias//, //carpe diem//, //dissolve frigus// und //lucro adpone//.\\ Doch in beiden Oden benutzt Horaz viele Aufforderungen, wie //tu ne quaereris//, //sapias//, //carpe diem//, //dissolve frigus// und //lucro adpone//.\\
-Der Bibelauszug dagegen ist frei von Aufforderungen, er bildet eher eine objektive Sicht auf die Zeit und vorallem auf die Pflichten, die ein Mensch im Leben hat. So spart er an Ausschmückungen, sondern stellt in Thesen und Antithesen dar, wie die Zeit zu nutzen ist. Was gewiß auch helfen kann, den richtigen Umgang mit der Zeit zu finden. Der Auszug beginnt mit einer These: //Omnia tempus habent et suis spatiis transeunt universa sub caelo//. Im Diesseits - das [[Jenseits]] ist [[ewig]] - hat der Mensch also die Aufgabe, für folgende Tätigkeiten, den richtigen Zeitpunkt zu finden: Er soll pflanzen, er wird weinen, tanzen, schweigen, suchen, hassen und in [[Frieden]] leben. Da der Mensch aber „zwei Seelen in seiner Brust hat“, wird er auch ausreißen, [[lachen]], klagen, reden, finden, [[lieben]] und Krieg führen.\\+Der Bibelauszug dagegen ist frei von Aufforderungen, er bildet eher eine objektive Sicht auf die Zeit und vorallem auf die Pflichten, die ein Mensch im Leben hat. So spart er an Ausschmückungen, sondern stellt in Thesen und Antithesen dar, wie die Zeit zu nutzen ist. Was gewiß auch helfen kann, den richtigen Umgang mit der Zeit zu finden. Der Auszug beginnt mit einer These: //Omnia tempus habent et suis spatiis transeunt universa sub caelo//. Im Diesseits - das [[Jenseits]] ist [[ewig]] - hat der Mensch also die Aufgabe, für folgende Tätigkeiten, den richtigen Zeitpunkt zu finden: Er soll pflanzen, er wird [[weinen]], tanzen, schweigen, suchen, hassen und in [[Frieden]] leben. Da der Mensch aber „zwei Seelen in seiner Brust hat“, wird er auch ausreißen, [[lachen]], klagen, reden, finden, [[lieben]] und Krieg führen.\\
  
 Der [[Text]] hat eine ungeheure Gewalt. Es werden - scheinbar nur gefühlslos - die Tätigkeiten aufgezählt. Dennoch wird dadurch eine sehr mächtige [[Stimmung]] erzeugt. Allein schon durch das über sieben Verse andauernde Aufzählen. Doch es ist auch ein Bibeltext, also soll die Macht Gottes, der über diese Zeit verfügt und allem die Zeit gibt, verdeutlicht werden. Aber auch ein Nicht-Gläubiger könnte beim Durchlesen Gänsehaut bekommen, da ihm plötzlich der Gedanke kommt, daß er selbst über die Zeit verfügt und die Zeit offenbar nur Teil der Tätigkeiten oder Pflichten ist. Und da man selbst entscheiden kann, wann man etwas macht, hat man auch die [[Macht]] über die Zeit.\\ Der [[Text]] hat eine ungeheure Gewalt. Es werden - scheinbar nur gefühlslos - die Tätigkeiten aufgezählt. Dennoch wird dadurch eine sehr mächtige [[Stimmung]] erzeugt. Allein schon durch das über sieben Verse andauernde Aufzählen. Doch es ist auch ein Bibeltext, also soll die Macht Gottes, der über diese Zeit verfügt und allem die Zeit gibt, verdeutlicht werden. Aber auch ein Nicht-Gläubiger könnte beim Durchlesen Gänsehaut bekommen, da ihm plötzlich der Gedanke kommt, daß er selbst über die Zeit verfügt und die Zeit offenbar nur Teil der Tätigkeiten oder Pflichten ist. Und da man selbst entscheiden kann, wann man etwas macht, hat man auch die [[Macht]] über die Zeit.\\
 Dieser Gedanke widerspricht Horaz, der zwar fordert, der Zeit nicht zu viel zu gedenken, doch aber vorraussetzt, daß der Mensch sich dem Lauf der Zeit, und damit auch in gewisser Weise den Göttern, unterwirft. Die Frage, die sich Horaz stellt, ist nur, in welchem Maße. Dieser Gedanke widerspricht Horaz, der zwar fordert, der Zeit nicht zu viel zu gedenken, doch aber vorraussetzt, daß der Mensch sich dem Lauf der Zeit, und damit auch in gewisser Weise den Göttern, unterwirft. Die Frage, die sich Horaz stellt, ist nur, in welchem Maße.
  
-Horaz ist, geprägt durch die [[Philosophie]] des [[Epikurismus]], der Ansicht, daß das Leben viel zu kurz und kostbar sei, um es mit dem Gedanken an den Tod zu vergeuden. Im Textauszug der Bibel steht, alles habe seine Zeit. Nur wann der Mensch liebt, haßt, pflanzt, sucht und andere Dinge macht, ist ihm überlassen, im [[Glauben]] daran, daß irgendwann die Zeit für etwas anderes gekommen ist, dass die Zeit nicht still steht. Nur, wie wird die Zeit richtig genutzt? Das ist eine unmögliche [[Entscheidung]]. Es gibt kein „falsches“ und kein „richtiges“ Nutzen. Man kann sich nicht, wie der Mensch im [[Altertum]], der Vergangenheit erinnnern und somit ständig  an die „verschwendete“ und „verbrauchte“ Lebenszeit denken. Und man sollte sich auch nicht, wie der moderne Mensch, der Zukunft ständig gewahr werden und daran denken, wieviel Zeit man noch hat und wieviele Wege noch vor einem liegen.\\+Horaz ist, geprägt durch die [[Philosophie]] des [[Epikurismus]], der Ansicht, daß das Leben viel zu kurz und kostbar sei, um es mit dem Gedanken an den Tod zu vergeuden. Im Textauszug der Bibel steht, alles habe seine Zeit. Nur wann der Mensch liebt, haßt, pflanzt, sucht und andere Dinge macht, ist ihm überlassen, im [[Glauben]] daran, daß irgendwann die Zeit für etwas anderes gekommen ist, dass die Zeit nicht still steht. Nur, wie wird die Zeit richtig genutzt? Das ist eine unmögliche [[Entscheidung]]. Es gibt kein „falsches“ und kein „richtiges“ Nutzen. Man kann sich nicht, wie der Mensch im [[Altertum]], der Vergangenheit erinnnern und somit ständig  an die „verschwendete“ und „verbrauchte“ [[Lebenszeit]] denken. Und man sollte sich auch nicht, wie der moderne Mensch, der Zukunft ständig gewahr werden und daran denken, wieviel Zeit man noch hat und wieviele Wege noch vor einem liegen.\\
 Insofern hat Horaz ganz recht, indem er dazu ermahnt, nur in der Gegenwart zu leben. Aber ganz so einfach will ich es mir auch nicht machen.\\ Insofern hat Horaz ganz recht, indem er dazu ermahnt, nur in der Gegenwart zu leben. Aber ganz so einfach will ich es mir auch nicht machen.\\
 Ich denke, man sollte nicht daran denken, wieviel Zeit man „lebt“, sondern „wie“ man sie lebt. „Edel sei der Mensch. Hülfreich und gut“ ([[Goethe]]). Vielleicht sollte man also nicht, nur darauf achten, dass man seine Taten immer mit seinem [[Gewissen]], seiner [[Moral]] vereinbaren kann, sich sozusagen selbst treu bleibt und dabei die Menschen, die man liebt, nicht verletzt und ihnen nicht unnötig die Zeit stiehlt. Daß man, wenn ich an die Kinder berufstätiger Menschen denke, die Zeit vor allem mit diesen Menschen verbringt oder sich um die [[Familie]] kümmert. Denn dazu ruft ja auch der Bibelauszug auf. Bei aller Philosophie über das richtige „Nutzen“ sollte man nicht vergessen, dass nun auch mal das „amandi“ „dran“ ist. Daß auch eine Zeit kommt, in der man sich mit ganz alltäglichen Dingen beschäftigt, um sich dann später wieder mit der höheren Kunst der Philosophie auseinanderzusetzen. Ein ewiges Kommen und Gehen, ein ständiges Auf und Ab, Leben und Sterben, wie Horaz mit dem Winter und dem herannahenden Frühling wohl verdeutlichen wollte.\\ Ich denke, man sollte nicht daran denken, wieviel Zeit man „lebt“, sondern „wie“ man sie lebt. „Edel sei der Mensch. Hülfreich und gut“ ([[Goethe]]). Vielleicht sollte man also nicht, nur darauf achten, dass man seine Taten immer mit seinem [[Gewissen]], seiner [[Moral]] vereinbaren kann, sich sozusagen selbst treu bleibt und dabei die Menschen, die man liebt, nicht verletzt und ihnen nicht unnötig die Zeit stiehlt. Daß man, wenn ich an die Kinder berufstätiger Menschen denke, die Zeit vor allem mit diesen Menschen verbringt oder sich um die [[Familie]] kümmert. Denn dazu ruft ja auch der Bibelauszug auf. Bei aller Philosophie über das richtige „Nutzen“ sollte man nicht vergessen, dass nun auch mal das „amandi“ „dran“ ist. Daß auch eine Zeit kommt, in der man sich mit ganz alltäglichen Dingen beschäftigt, um sich dann später wieder mit der höheren Kunst der Philosophie auseinanderzusetzen. Ein ewiges Kommen und Gehen, ein ständiges Auf und Ab, Leben und Sterben, wie Horaz mit dem Winter und dem herannahenden Frühling wohl verdeutlichen wollte.\\
horaz.1414484284.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/07/28 13:44 (Externe Bearbeitung)