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humboldt

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humboldt [2010/04/19 20:33] Robert-Christian Knorrhumboldt [2023/01/03 14:26] (aktuell) – [Vom Studium des Altertums] Robert-Christian Knorr
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 ===== Alexander von Humboldt ===== ===== Alexander von Humboldt =====
 1769-1859\\ 1769-1859\\
-- wandte zuerst [[Schelling]][[Begriff]] der [[Weltanschauung]] auf Südamerika an → Vorstellungen, die sich der [[Mensch]] im Laufe der Zeit von den bewohnten Teilen der Welt macht\\ +- wandte zuerst [[Schelling#Schellings]] [[Begriff]] der [[Weltanschauung]] auf Südamerika an → Vorstellungen, die sich der [[Mensch]] im Laufe der [[Zeit]] von den bewohnten Teilen der Welt macht\\ 
-- wandte [[Kant]]dreifache [[Ordnung]] des Erfahrungswissens auf die Erdwissenschaften, so daß die [[Geographie]] in+- wandte [[Kant#Kants]] dreifache [[Ordnung]] des Erfahrungswissens auf die Erdwissenschaften, so daß die [[Geographie]] in
 Physiographia - Naturbeschreibung\\ Physiographia - Naturbeschreibung\\
   * stellt Betrachtungen über die belebte und unbelebte Natur an   * stellt Betrachtungen über die belebte und unbelebte Natur an
   * eigentliche Erdkunde   * eigentliche Erdkunde
-  * Erdgeschichte+  * [[Erdgeschichte]]
  
  
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   * nicht empirisch-historischen Merkmalen seiner Existenz entlehnt und   * nicht empirisch-historischen Merkmalen seiner Existenz entlehnt und
   *  nicht theoretisch-spekulativ antizipiert   *  nicht theoretisch-spekulativ antizipiert
-→ der Mensch hat in diesem [[Spannungsverhältnis]] die Aufgabe einer fortschreitenden Verständigung, d.i. der Bildungsweg\\+→ der Mensch hat in diesem [[Spannungsverhältnis]] die Aufgabe einer fortschreitenden [[Verständigung]], d.i. der Bildungsweg\\
 - fragt, an welchen Stellen sich das Menschliche verdichte\\ - fragt, an welchen Stellen sich das Menschliche verdichte\\
 - das [[Subjekt]] geht auf die [[Welt]] zu, wobei es vom Früheren ausgeht, [[Anamnesis]]\\ - das [[Subjekt]] geht auf die [[Welt]] zu, wobei es vom Früheren ausgeht, [[Anamnesis]]\\
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   * Universitätsunterricht   * Universitätsunterricht
  
-__Ziel__: Begeisterung durch reine Gesamtstimmung, denn die bildet die [[Nation]]\\+__Ziel__: [[Begeisterung]] durch reine Gesamtstimmung, denn die bildet die [[Nation]]\\
 - Gegenüberstellung von Bürger und Mensch → die Schulbildung soll diesen Dualismus aufheben, denn der Mensch bedarf der höchsten und proportionierlichsten Ausbildung seiner Kräfte\\ - Gegenüberstellung von Bürger und Mensch → die Schulbildung soll diesen Dualismus aufheben, denn der Mensch bedarf der höchsten und proportionierlichsten Ausbildung seiner Kräfte\\
 - die Altertumswissenschaften dienen hierbei der Ausbildung innerer [[Schönheit]] und dem Genuß - die Altertumswissenschaften dienen hierbei der Ausbildung innerer [[Schönheit]] und dem Genuß
  
 ==== Vom Studium des Altertums ==== ==== Vom Studium des Altertums ====
-Ziel der folgenden [[Arbeit]] soll es seinden Nachweis des Verständnisses von Humboldts Schrift „Vom Studium des [[Altertum]]und des Griechischen insbesonderen“ zu erbringen. Am Anfang soll dementsprechend eine inhaltliche Wiedergabe der von Humboldt angegebenen 43 §§ stehen, der kurze Erläuterungen zu einzelnen Punkten beigestellt sind. Autor will sich begründend an für die heutige [[Zeit]] relevante Themata halten und die von Humboldt aufgeworfenen Probleme im historischen [[Kontext]] beleuchten. Es soll also nicht darum gehen, Humboldt an den Vorstellungen heutiger Erziehungsideale pauschal zu messen, sondern um die Vorstellungen, die Humboldt beim Schreiben seiner erst 1896 veröffentlichen Schrift vergegenwärtigte. Die verwendete Hilfsliteratur orientiert sich deshalb auch nicht unbedingt am heutigen Forschungsstand. Sie versucht vielmehr, Humboldt im historischen Kontext zu verstehen. Autor geht es ebenfalls nicht um Kritik. Diese sprengte das vorgegebene Thema. Es wurde die von A. Flitner herausgegebene Literatur in bezug auf Humboldts Schriften benutzt.+[[Ziel]] der folgenden [[Arbeit]] ist es, Humboldts „Vom Studium des [[Altertum#Altertums]] und des Griechischen insbesonderen“ zu erläutern
  
-§1: Das Studium des Altertums [[[Antike]] (Altertum): der Fokus des menschlichen [[Geist]]es (Bd. I, S. 368)] bietet einen zweifachen [[Nutzen]]:+§1: Das Studium des Altertums [[[Antike]] (Altertum): der Fokus des menschlichen [[Geist]]es (Bd. I, S. 368)] bietet einen zweifachen Nutzen:
   - einen materialen, d.i. der [[Stoff]] der Wissenschaften (Empirie) und   - einen materialen, d.i. der [[Stoff]] der Wissenschaften (Empirie) und
   - einen formalen (Erl. siehe unter §2).   - einen formalen (Erl. siehe unter §2).
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 Künstler (der [[Schönheit]] verpflichtet). Künstler (der [[Schönheit]] verpflichtet).
  
-§8: Insofern der Historiker nur einer im abstraktesten Sinne, nämlich ein rein Beschreibender ist, bedarf er der Menschenkenntnis am wenigsten, will er jedoch auch den Blick auf den ganzen Zusammenhang wagen, ist ihm diese unentbehrlich, wie auch die Kenntnis der leblosen [[Welt]].+§8: Insofern der Historiker nur einer im abstraktesten Sinne, nämlich ein rein Beschreibender ist, bedarf er der Menschenkenntnis am wenigsten, will er jedoch auch den Blick auf den ganzen [[Zusammenhang]] wagen, ist ihm diese unentbehrlich, wie auch die Kenntnis der leblosen [[Welt]].
  
 §9: Prämisse aus §8. Bei der Beschreibung der einzelnen Spezialisten übergeht H. den Blick auf den Zusammenhang und versucht nur das minder Klare in ein helleres [[Licht]] zu stellen, was bei der Beschreibung des Philosophen dazu führt, den ausgeprägtesten (abstraktesten) seiner Art zu hinterfragen, den Metaphysiker.\\ §9: Prämisse aus §8. Bei der Beschreibung der einzelnen Spezialisten übergeht H. den Blick auf den Zusammenhang und versucht nur das minder Klare in ein helleres [[Licht]] zu stellen, was bei der Beschreibung des Philosophen dazu führt, den ausgeprägtesten (abstraktesten) seiner Art zu hinterfragen, den Metaphysiker.\\
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 Die Begriffsnegation „[[leiden]]“; [[Laster]] ist partiell auch [[Genuß]]. Der [[Wechsel]] hat Methode und kann ebenso zur Erhebung führen. Das Studium ist also [[Mittel]], den Genuß zu steigern ([[Hedonismus]]). Die Begriffsnegation „[[leiden]]“; [[Laster]] ist partiell auch [[Genuß]]. Der [[Wechsel]] hat Methode und kann ebenso zur Erhebung führen. Das Studium ist also [[Mittel]], den Genuß zu steigern ([[Hedonismus]]).
  
-§12: Begründung der Analyse von § 1 bis §11: Die Beschäftigung mit allen Einzelheiten birgt die Gesamtheit des Menschen und führt zur Schönheit seiner Einheit.+§12: Begründung der Analyse von § 1 bis §11: Die Beschäftigung mit allen Einzelheiten birgt die Gesamtheit des Menschen und führt zur Schönheit seiner [[Einheit]].
  
 §13: Loblied auf [[Sokrates]]. Die Kenntnis des Materials bewirkt diese nicht allein, sondern führt zu einer [[Bewegung]], „die die Ecken seiner [der des Lernenden] Formen [Umgangsformen; äußeres [[Sein]]] abschleift [der Vernunft öffnet] und neue, der Schönheit gemäße, schafft.\\ §13: Loblied auf [[Sokrates]]. Die Kenntnis des Materials bewirkt diese nicht allein, sondern führt zu einer [[Bewegung]], „die die Ecken seiner [der des Lernenden] Formen [Umgangsformen; äußeres [[Sein]]] abschleift [der Vernunft öffnet] und neue, der Schönheit gemäße, schafft.\\
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 §29: Nationalstolz: Die Nation nahm jedes Talent, das ausgebildet ihr zusätzliche Kraft geben könnte, in Schutz und half so, vielerlei [[Talent]] auszuprägen. Griechischer Nationalstolz ist das [[Gefühl]] für [[Ehre]] und Nachruhm. §29: Nationalstolz: Die Nation nahm jedes Talent, das ausgebildet ihr zusätzliche Kraft geben könnte, in Schutz und half so, vielerlei [[Talent]] auszuprägen. Griechischer Nationalstolz ist das [[Gefühl]] für [[Ehre]] und Nachruhm.
  
-§30: Kleinstaaterei: Die Ausprägung nur eines Naturells (im [[Nationalstaat]] beispielsweise) ist mit Einseitigkeit verbunden. Die Ausprägung vieler Naturelle eines nationalen Verbandes dagegen führt zu gegenseitiger Befruchtung. Die Voraussetzungen dazu waren mit den Olympischen Spielen, an denen alle Griechen teilnahmen, gleicher Sprache und gleicher Religion gegeben. Ein weiterer wichtiger Punkt, der die gegenseitige Befruchtung mehrte, war die [[Eifersucht]] sich benachteiligt geglaubter Poleis.+§30: [[Kleinstaaterei]]: Die Ausprägung nur eines Naturells (im [[Nationalstaat]] beispielsweise) ist mit Einseitigkeit verbunden. Die Ausprägung vieler Naturelle eines nationalen Verbandes dagegen führt zu gegenseitiger [[Befruchtung]]. Die Voraussetzungen dazu waren mit den Olympischen Spielen, an denen alle Griechen teilnahmen, gleicher Sprache und gleicher Religion gegeben. Ein weiterer wichtiger Punkt, der die gegenseitige Befruchtung mehrte, war die [[Eifersucht]] sich benachteiligt geglaubter Poleis.
  
 §31: **3. Moment** (zu §16): Der Grieche war von außen leichter reizbar und von innen leichter beweglicher als andere Nationen. §31: **3. Moment** (zu §16): Der Grieche war von außen leichter reizbar und von innen leichter beweglicher als andere Nationen.
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 §34:  §34: 
   * hohe Ausbildung des Schönheitsgefühls und des Geschmacks bei der ganzen Nation   * hohe Ausbildung des Schönheitsgefühls und des Geschmacks bei der ganzen Nation
-Dieser [[Geschmack]] ist für den vielschichtigen Menschen [[notwendig]] und gibt ihm erst die wahre Politur.+Dieser [[Geschmack]] ist für den vielschichtigen Menschen [[notwendig]] und gibt ihm erst die wahre [[Politur]].
  
 §35: Über die Möglichkeit des Studiums:  §35: Über die Möglichkeit des Studiums: 
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 §38: Man muß eine Studienordnung einhalten!\\ §38: Man muß eine Studienordnung einhalten!\\
-Im Anfang steht der an [[Form#Formen]]- und Gestaltungsvielfalt reichste Grieche: [[Pindar]]. ( „Nur erst mit den besten und edelsten der griechischen Schriftsteller vertraut, ist seine [[Vorstellung]] vom griechischen Geiste... vielleicht zu idealisch verfärbt.“ (in: R. Haym, W. von Humboldt. Berlin 1856. S. 75)) Allerdings darf man den historischen Kontext nicht außer Acht lassen und sollte ihn beim Lesen der beschreibenden Literatur berücksichtigen, d.h. kennen.+Im Anfang steht der an [[Form#Formen]]- und Gestaltungsvielfalt reichste Grieche: [[Pindar]]. ( „Nur erst mit den besten und edelsten der griechischen [[Schriftsteller]] vertraut, ist seine [[Vorstellung]] vom griechischen Geiste... vielleicht zu idealisch verfärbt.“ (in: R. Haym, W. von Humboldt. Berlin 1856. S. 75)) Allerdings darf man den historischen Kontext nicht außer Acht lassen und sollte ihn beim Lesen der beschreibenden Literatur berücksichtigen, d.h. kennen.
  
 §39: Man beginne in der archaischen Zeit, nicht in der [[Klassik]]!\\ §39: Man beginne in der archaischen Zeit, nicht in der [[Klassik]]!\\
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 === Schlußbemerkungen === === Schlußbemerkungen ===
 Humboldt hoffte, daß [[Schiller]] seine Pindarischen [[Ode]]n wohlwollend rezensiere und darin sogleich eine Hinwendung zu den Alten begründe. Getreu den selbst angelegten Maßstäben betrieb er ein intensives Studium, worin er von seinem Lehrer Heyne nachhaltig angeregt ward. [[Heyne]], der Humboldt in Göttingen lehrte, wollte das Verhältnis von [[Philologie]] und [[Ästhetik]] auflösen, indem er aus der [[Scholastik]] beider eine Doppelwissenschaft forderte. (Statt der pedantischen Aktenleserei in getrennten Lesesälen ein Verquickung zum gegenseitigen Vorteil. (Haym, S. 70))\\ Humboldt hoffte, daß [[Schiller]] seine Pindarischen [[Ode]]n wohlwollend rezensiere und darin sogleich eine Hinwendung zu den Alten begründe. Getreu den selbst angelegten Maßstäben betrieb er ein intensives Studium, worin er von seinem Lehrer Heyne nachhaltig angeregt ward. [[Heyne]], der Humboldt in Göttingen lehrte, wollte das Verhältnis von [[Philologie]] und [[Ästhetik]] auflösen, indem er aus der [[Scholastik]] beider eine Doppelwissenschaft forderte. (Statt der pedantischen Aktenleserei in getrennten Lesesälen ein Verquickung zum gegenseitigen Vorteil. (Haym, S. 70))\\
-Den kongenialen Mitstreiter fand Humboldt jedoch im Hallenser F.A. [[Wolf]], der über Platons „Phädron“ hinaus Humboldt auf das Studium der [[Methode]] lenkte. In der Abgeschiedenheit Aulebens (bei Nordhausen) befaßte er sich mit dem Studium des ganzen Griechentums, „welches gleichsam den ganzen Menschen zusammenknüpft, ihn nicht nur fähiger, stärker, besser an dieser oder jener Seite, sondern überhaupt zum edleren und größeren Menschen macht!“ In diesem Sinne gab sich Humboldt in vorliegender Schrift wohl auch selbst Rechenschaft über seine Absichten in bezug auf das intensiv betriebene Studium der+Den kongenialen Mitstreiter fand Humboldt jedoch im Hallenser F.A. [[Wolf]], der über Platons „Phädron“ hinaus Humboldt auf das Studium der [[Methode]] lenkte. In der Abgeschiedenheit Aulebens (bei Nordhausen) befaßte er sich mit dem Studium des ganzen Griechentums, „welches gleichsam den ganzen Menschen zusammenknüpft, ihn nicht nur fähiger, stärker, besser an dieser oder jener Seite, sondern überhaupt zum edleren und größeren Menschen macht!“ In diesem Sinne gab sich Humboldt Rechenschaft über seine Absichten in bezug auf das intensiv betriebene Studium der
 Griechen.\\ Griechen.\\
 Es bildet sich jedoch der Eindruck, daß Humboldt - seiner [[Sehnsucht]] nach - wohl eher Künstler als Bildungsästhet sein wollte, da er dem Künstler als einzigem eine ausgewogene Vielschichtigkeit zugesteht (§ 10). Gleichzeitig merkt er an: „... das Beschäftigen einzelner Seiten der [[Kraft]] bewirkt leicht mindere Rüksicht auf den Nuzen dieses Beschäftigens ... und nur häufiges Betrachten des Menschen in der Schönheit seiner Einheit führt den zerstreuten Blik auf den wahren Endzweck zurück.“ (§ 12) Es bildet sich jedoch der Eindruck, daß Humboldt - seiner [[Sehnsucht]] nach - wohl eher Künstler als Bildungsästhet sein wollte, da er dem Künstler als einzigem eine ausgewogene Vielschichtigkeit zugesteht (§ 10). Gleichzeitig merkt er an: „... das Beschäftigen einzelner Seiten der [[Kraft]] bewirkt leicht mindere Rüksicht auf den Nuzen dieses Beschäftigens ... und nur häufiges Betrachten des Menschen in der Schönheit seiner Einheit führt den zerstreuten Blik auf den wahren Endzweck zurück.“ (§ 12)
-Vielleicht auch deshalb kam vorliegende Schrift erst 1896 zur Veröffentlichung.+
  
 ==== Rezeption ==== ==== Rezeption ====
humboldt.1271702033.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/07/28 13:45 (Externe Bearbeitung)