Inhaltsverzeichnis
INTERPRETATION
- darstellende Vermittlung eines praktischen Interesses am WERK, was bedeutet, daß sie über den eigentlichen Abbildungsinhalt hinausgehen muß
- spezifische FORM der geistigen Tätigkeit mit dem ZIEL: Fragefähigkeit erhalten
- PRINZIP der ANALOGIE → allegorische Interpretation - WIDERSPRUCH lösend;
- kunstmäßiges VERSTEHEN von dauernd fixierten Lebensäußerungen (DILTHEY)
Muster für eine Abfolge der Interpretation anhand des Beispiels der Gedichtinterpretation
zuerst: Textbeschreibung → das Eigene in Worte fassen, dabei gilt als Prämisse: Gesamteindruck des Textes, danach TEXTANALYSE, die nach folgenden Schritten durchgeführt wird:
- graphische Ebene - Schaubild; Anordnung der einzelnen Verse und Strophen; Form der Buchstaben, Schriftbild;
- ANALYSE der metrischen Ebene - Versfüße, Versmaß, Auftakt, Kadenz;
- rhythmische/phonologische Ebene bildet Kontradiktion zur metrischen Ebene → besitzen die einzelnen Verse einen Rhythmus, hat jeder Vers einen eigenen Rhythmus, gibt es eine Struktur der Rhythmen?
- lautliche Ebene - ALLITERATION, REIM…;
- semantische Ebene;
- bildliche Ebene → welchen stilistischen Formen werden verwendet, Figuren, Sprachbilder, nach der Bestimmung des rhetorischen Mittels folgt eine semantische Deutung, die sich am Inhalt des Gedichts orientiert;
- Untersuchung der Perspektive: lyrisches Ich vs. lyrischer Sprecher - meist als wir oder es/man oder aperspektivisch → ERZÄHLPERSPEKTIVE
- Teilzusammenfassungen an Deutungshypothese binden
inhaltliche Interpretation
- folgt der Analyse der grundlegenden Ideen in einer Dichtung, was sich auf drei Grundbereiche beschränkt, die jeweils in ihrem Verhältnis untersucht werden müssen:
- Personifikation wirkender Kräfte;
- Liebe und Haß; Empfangen und Geben; Tätigkeit und Ruhe; Vereinigung und Trennung, kurz: zwei Geschlechter;
- aus zwei vereinigten Dingen ein Drittes; aus zwei widersprechenden Wesen Untergang des einen → so erklärt man aus dem Sein das Werden, den Tod aus dem Leben (Herder)
- folgt weiter einer inhaltlichen Dreiteilung - Thesis, Antithesis, Synthesis -, die in jedem guten Gedicht nachweisbar sein sollte
- Anbindung literaturhistorischer Aspekte: Entstehungszeit, Verhältnis von benutzter Sprache und beabsichtigter Wirkung, biographischer Kontext, möglicherweise gesellschaftspolitische Fragestellungen, Epochenmerkmale im Gedicht
rhetorische Interpretation
- überindividuell; ein Muster, um weitgehend objektive Ergebnisse zu erzielen
Muster nach Quintilian
- wurde im MITTELALTER weitgehend verwendet und gelehrt, insbesondere nahm sich dessen Heinrich Lausberg an und brachte QUINTILIANUS in ein Lehrsystem
- inventio bzw. mhd. vunt
- das Finden der für die Rede geeignetsten Gedanken, nach denen anhand des mnemotechnischen Hexameters gefragt werden kann: quis, quid, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando?, auch loci
- dispositio
- Auswahl und Anordnung der geeigneten Gedanken und Formulierungen, teils gemäß der Natur der Sache, teils nach der Absicht des Redners (auch mit verfremdenden oder parteiischen Passagen)
- häufig benutzt: amplificatio, die Steigerung (auch heute in der Werbung und Selbstdarstellung oft benutzt), durch Vergleiche, gedankliche Emphasen, Ballung
- elocutio
- der sprachliche AUSDRUCK mit dem ganzen Instrumentarium der grammatisch-rhetorischen MITTEL unter Berücksichtigung der puritas (Reinheit) und perspicuitas (Verständlichkeit und Angemessenheit; Durchlässigkeit des Gedankens in der ihm zupassenden Form) und der ORNATUS (Redeschmuck; Metaphorik), der im Hinblick auf das aptum (Angemessenheit) anzuwenden ist → siehe rhetorische Mittel