Inhaltsverzeichnis
KATHEDRALE
ecclesia materialis und ecclesia spiritualis → Steigerung der Stiftshütte und des Salomonischen Tempels, die dem Gläubigen dabei helfen soll, SCHÖNHEIT zu spüren und in die immaterielle WELT aufzusteigen
- nicht nur ein Gehäuse für liturgische Handlungen, sondern selbst Teil der Liturgie mit vielfältigen symbolischen und allegorischen Bezügen (Binding)
- Wo ein DENKEN und ein Bauen zu Ende gedacht wird; mehr als Vernunft. Die Vernunft wurde universal, erfüllte sich mit der ganzen Innigkeit und Inhaltsfülle des Glaubens, aus der sie stammt. In der großen PHILOSOPHIE ist manchmal ein stählernes oder silbernes Klingen wie von gespannten Saiten hörbar, in den größten Fällen sogar ein mächtiges Rauschen, als ob die ganze Welt mitschwänge, indem sie gedacht wird. Genau diese mystische Geburt des Inhalts aus der FORM vollzieht sich im Konstruktionswerk der gotischen Kathedrale. Es als reine LOGIK, TECHNIK, mathematische VERNUNFT zu nehmen, ist zugleich wahr und ganz falsch. Gerade im Formalismus der Bewegung ist die Fülle des Weltinhalts gegenwärtig, gerade im SPIEL der mechanischen Kräfte wird das HEILIGE offenbar und in ihm erst entsteht der MENSCH, wie er in die Endlichkeit geworfen und zugleich von Gott getragen ist, charakteristisch bis zum Bizarren und transparent für das Ewige, Kreatur und Erlöster. (Freyer)
- wer durch das Portal tritt, geht durch die Himmelstür zum wahren LICHT, wo JESUS CHRISTUS die wahre Tür ist (Sugar von Saint-Denis)
konstruktiv-statische Verhältnisse der gotischen Kathedrale
- Die Gewölbekappen sind zwischen Bogen gespannt, die spitzbogigen Umriß haben; Druck und Schub sammeln sich in den vier Ecken des Gewölbejochs, die durch Strebebogen ausreichend abgestützt werden müssen: große steinerne Arme, die sich über die Dächer der Seitenschiffe bis zur Höhe der Gewölbeauflager und der Gurtbögen des Mittelschiffs schwingen, die sich auf Widerlager stützen und mit ihrem eigenen Druck einen Teil des Seitenschubs von oben auffangen, der bereits von dem oberen Mauerwerks, des Dachstuhls und der Decke senkrecht nach unten abgeleitet wird. (Aubert)
konstruktives Grundsystem einer gotischen Kathedrale
- Hauptschiffgewölbe als Addition mehrerer Elemente;
- Strebebogen vereinfacht zum Zweigelenkbogen, der eine Spreizwirkung zwischen den Pfeilern ausübt;
- Seitenschiffgewölbe als Dreigelenkbogen und Spreize zwischen den Pfeilern;
- Hochschiffpfeiler als mehrfach seitlich belastete Pendelstütze;
- Strebepfeiler als am Fuß eingespannter Balken, der durch seine Masse alle horizontalen Seitenschübe auffangen muß. (Segger)