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kolonie

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kolonie [2014/09/11 19:30] Robert-Christian Knorrkolonie [2024/02/09 15:55] (aktuell) – [Essay zur Kolonialfrage] Robert-Christian Knorr
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 //Das [[Buch]]// (**Hans Grimm**: [[Volk]] ohne [[Raum]]. Ungekürzte Ausgabe in einem Band. Albert Langen/Georg Müller-Verlag München 1926. S. 1286.)// bot sich von Anfang an nicht als leichte und lachende [[Arbeit]], die ganzen Notjahre legten sich auf das Buch, eines hinter das andere, so wie sie am deutschen Volke nun dauern und unabänderlich fortdauern werden, so lange gegen [[Gott]] und [[Natur]] dem einen Volke nicht Raum gegeben, sondern die sich verengende Enge nur besser oder schlechter verborgen wird.\\ //Das [[Buch]]// (**Hans Grimm**: [[Volk]] ohne [[Raum]]. Ungekürzte Ausgabe in einem Band. Albert Langen/Georg Müller-Verlag München 1926. S. 1286.)// bot sich von Anfang an nicht als leichte und lachende [[Arbeit]], die ganzen Notjahre legten sich auf das Buch, eines hinter das andere, so wie sie am deutschen Volke nun dauern und unabänderlich fortdauern werden, so lange gegen [[Gott]] und [[Natur]] dem einen Volke nicht Raum gegeben, sondern die sich verengende Enge nur besser oder schlechter verborgen wird.\\
-Und auch mit einem Stücke Kolonie oder irgend einem anderen pfiffigen Betruge wird die Enge niemals zum Raume; das verstehe, es muß ganz Redlichkeit sein, nach [[Zahl]] und Leistungskraft, oder es ist nichts!\\ +Und auch mit einem Stücke Kolonie oder irgend einem anderen [[pfiffi#pfiffigen]] Betruge wird die Enge niemals zum Raume; das verstehe, es muß ganz Redlichkeit sein, nach [[Zahl]] und Leistungskraft, oder es ist nichts!\\ 
-Oder es ist nichts, und dann wird es auch weitergehen, mit [[Vergewaltigung]] und Erfindung und Ersatz und Peinigung und Schmeichelei, was eben an die Reihe kommt, und auch mit [[Spiel]] und Liebe und Gelächter und [[Tanz]] und Kindern und Kino und selbst bei Flugzeug und Liedern der Einzelnen, aber immer geschwinder fort von Schön und Gut und [[Gesund]] und Adel und Deutschheit, und das heißt von der unerfüllten, wartenden Natur unseres Volkes, und immer rascher hinein in die [[Unmenschlichkeit]].\\+Oder es ist nichts, und dann wird es auch weitergehen, mit [[Vergewaltigung]] und [[Erfindung]] und Ersatz und Peinigung und [[Schmeichelei]], was eben an die Reihe kommt, und auch mit [[Spiel]] und Liebe und Gelächter und [[Tanz]] und [[Kind|Kindern]] und [[Kino]] und selbst bei Flugzeug und Liedern der Einzelnen, aber immer geschwinder fort von Schön und Gut und [[Gesund]] und Adel und Deutschheit, und das heißt von der unerfüllten, wartenden Natur unseres Volkes, und immer rascher hinein in die [[Unmenschlichkeit]].\\
 Untergang? Die Frage ist ganz falsch gestellt. Kein Volk geht mehr unter. Es fragt sich was aus ihm wird für seine Kinder und an seinen Kindern. Sonst nichts.//  Untergang? Die Frage ist ganz falsch gestellt. Kein Volk geht mehr unter. Es fragt sich was aus ihm wird für seine Kinder und an seinen Kindern. Sonst nichts.// 
  
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 Der Text ist quasi der Zusammenfassung, dem inhaltlichen Extrakt des gesamten Buches von Hans Grimm gleichzusetzen; ein Konzentrat der Absichten eines in kolonialen Dingen erfahrenen Mannes mittlerer Jahre, der sich selbst und anderen über Gedeih und Verderb der deutschen Kolonialgeschichte Auskunft gibt.\\ Der Text ist quasi der Zusammenfassung, dem inhaltlichen Extrakt des gesamten Buches von Hans Grimm gleichzusetzen; ein Konzentrat der Absichten eines in kolonialen Dingen erfahrenen Mannes mittlerer Jahre, der sich selbst und anderen über Gedeih und Verderb der deutschen Kolonialgeschichte Auskunft gibt.\\
  
-1926, im Erscheinungsjahr des Werkes, sind die deutschen Kolonien verloren, mithin die Arbeit derer, die sich für ihr Gedeihen einsetzten. Er zählt sich zu diesen Arbeitern und trägt schwer am Verlust seines bisherigen Lebenssinnes. Als Kompensationshandlung in bezug auf den Verlust gäbe es nunmehr zwei grundsätzliche Möglichkeiten:\\+1926, im Erscheinungsjahr des Werkes, sind die deutschen Kolonien verloren, mithin die Arbeit derer, die sich für ihr Gedeihen einsetzten. Er zählt sich zu diesen Arbeitern und trägt schwer am [[Verlust]] seines bisherigen Lebenssinnes. Als Kompensationshandlung in bezug auf den Verlust gäbe es nunmehr zwei grundsätzliche Möglichkeiten:\\
  
   - Anerkennung der historischen Bedingtheit von [[Besitz]], [[Rechtsschule#historische Rechtsschule]], oder   - Anerkennung der historischen Bedingtheit von [[Besitz]], [[Rechtsschule#historische Rechtsschule]], oder
   - Nichtanerkennung der historischen Bedingtheit von Besitz, [[Positivismus]].   - Nichtanerkennung der historischen Bedingtheit von Besitz, [[Positivismus]].
  
-Hans Grimm entschied sich grundsätzlich für die zweite Möglichkeit. Er akzeptiert den Verlust seiner Besitzansprüche, seiner Verhaftetheit mit dem Boden, den er zum allgemeinen Nutzen ausbeutete, nicht. Er sucht nach einer Wiedergutmachung. Es bleibt zu prüfen, welche Möglichkeiten nunmehr für ihn Wirklichkeit werden könnten. Da sind zu nennen:\\+Hans Grimm entschied sich grundsätzlich für die zweite Möglichkeit. Er akzeptiert den Verlust seiner Besitzansprüche, seiner Verhaftetheit mit dem Boden, den er zum allgemeinen [[Nutzen]] ausbeutete, nicht. Er sucht nach einer Wiedergutmachung. Es bleibt zu prüfen, welche Möglichkeiten nunmehr für ihn Wirklichkeit werden könnten. Da sind zu nennen:\\
   - Arrangement mit den neuen Herrschern oder   - Arrangement mit den neuen Herrschern oder
   - Nichtarrangement mit den neuen Herrschern.   - Nichtarrangement mit den neuen Herrschern.
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 [[Untergang]] – falsch – [[Volk]] – Kinder - sonst nichts.\\ [[Untergang]] – falsch – [[Volk]] – Kinder - sonst nichts.\\
  
-Ich sehe zwei grundsätzliche [[Möglichkeit#Möglichkeiten]] der [[Interpretation]]. Die erste liegt in einer Annäherung an den Text über die Biographie des Verfassers, die zweite in einer autorlosgelösten Betrachtung anhand des historischen Kontextes.+Ich sehe zwei grundsätzliche [[Möglichkeit#Möglichkeiten]] der [[Interpretation]]. Die erste liegt in einer Annäherung an den Text über die [[Biographie]] des Verfassers, die zweite in einer textgebundenen Betrachtung unter Einbindung des historischen Kontextes.\\
 Da mir eine für diese Arbeit befriedigende Biographie des Verfassers der Quelle vorliegt, möchte ich den ersten Weg beschreiten. Die Interpretation wird die Richtung anzeigen, in die ich bei einer ausführlicheren Interpretation vorginge. Da mir eine für diese Arbeit befriedigende Biographie des Verfassers der Quelle vorliegt, möchte ich den ersten Weg beschreiten. Die Interpretation wird die Richtung anzeigen, in die ich bei einer ausführlicheren Interpretation vorginge.
  
 Hans Grimm, 1875 bis 1959, war selbst von 1897 bis 1910 und nach 1928 längere Zeiträume in Afrika. 1917 erhielt er vom „Kolonialamt“ den Auftrag, ein sogenanntes afrikanisches Tagebuch für die Frontsoldaten zu verfassen. Es erschien 1918 unter dem Titel „Der Ölsucher von Duala“ und beinhaltete den vergeblichen Kampf eines Deutschen gegen Franzosen und diesen wohlgesinnten Afrikanern, die nur als [[Faktum]] genannt, nicht jedoch genauer benannt werden sollen. 1926 erschien ein vielschichtiger angelegter [[Roman]] mit einer ähnlichen Thematik, der genannte Roman, aus dem die Quelle stammt. Darin vertritt H. Grimm die [[Meinung]], daß die weißen Nationen sich den schwarzen Kontinent aufteilen sollen, vor allem England und Deutschland sollen sich zusammenfinden zur Verteidigung ihres 'Rechts'. \\ Hans Grimm, 1875 bis 1959, war selbst von 1897 bis 1910 und nach 1928 längere Zeiträume in Afrika. 1917 erhielt er vom „Kolonialamt“ den Auftrag, ein sogenanntes afrikanisches Tagebuch für die Frontsoldaten zu verfassen. Es erschien 1918 unter dem Titel „Der Ölsucher von Duala“ und beinhaltete den vergeblichen Kampf eines Deutschen gegen Franzosen und diesen wohlgesinnten Afrikanern, die nur als [[Faktum]] genannt, nicht jedoch genauer benannt werden sollen. 1926 erschien ein vielschichtiger angelegter [[Roman]] mit einer ähnlichen Thematik, der genannte Roman, aus dem die Quelle stammt. Darin vertritt H. Grimm die [[Meinung]], daß die weißen Nationen sich den schwarzen Kontinent aufteilen sollen, vor allem England und Deutschland sollen sich zusammenfinden zur Verteidigung ihres 'Rechts'. \\
  
-Grimms weltanschaulicher [[Ästhetik]] liegt die naturrechtliche Auffassung zugrunde mit dem Recht des Stärkeren und Entwickelteren, in dem [[Gedanke]]n, daß Selbstbehauptung an Machtexpansion gekoppelt sei, mithin nur der Expansive [[Lebensraum]] verdiene, Sicherheit als Komplex erfahre und die Gegner abdrängen müsse, wenn er könne. Dazu bedürfte es einer ausgewiegelten Vertragspolitik im [[Sinn]]e [[Hobbes]]scher Konvenienz. Deswegen der Bezug auf England, wo dieser Weltmachtgedanke zu Hause ist. Allerdings aber schwingen in der Antithetik von weißen und schwarzen Nationen auch rassistische Töne mit, die rechtlichen Gedanken eine Richtung geben, die nicht auf kulturelle Eroberung, sondern herrenmenschlicher Unterdrückung Vorschub leisten und die von Hans Grimm nicht ausgesondert werden, weswegen sich der Verdacht erhärtet, daß Besagter diese menschenverachtende [[Ideologie]] nicht genügend verwirft.\\ +Grimms weltanschaulicher [[Ästhetik]] liegt die naturrechtliche Auffassung zugrunde mit dem Recht des Stärkeren und Entwickelteren, in dem [[Gedanke]]n, daß Selbstbehauptung an Machtexpansion gekoppelt sei, mithin nur der Expansive Lebensraum verdiene, Sicherheit als Komplex erfahre und die Gegner abdrängen müsse, wenn er könne. Dazu bedürfte es einer ausgewiegelten Vertragspolitik im [[Sinn]]e Hobbesscher Konvenienz. Deswegen der Bezug auf England, wo dieser Weltmachtgedanke zu Hause ist. Allerdings aber schwingen in der Antithetik von weißen und schwarzen Nationen auch rassistische Töne mit, die rechtlichen Gedanken eine Richtung geben, die nicht auf kulturelle Eroberung, sondern herrenmenschlicher Unterdrückung Vorschub leisten und die von Hans Grimm nicht ausgesondert werden, weswegen sich der Verdacht erhärtet, daß Besagter diese menschenverachtende [[Ideologie]] nicht genügend verwirft.\\ 
-Der im zweiten Absatz genannte pfiffige [[Betrug]], durch den ein Ausgleich der Lebensrauminteressen herbeigeführt werden könnte, fußt ebenso auf dem vertragsrechtlichen Gedanken angelsächsischer Konvenienz. Schon, daß Leben an Raum gekoppelt wird, ist ein bedenklicher Vorgang im Sinne friedlichen Beieinanders. Es sei hier auch auf die Lebensraumphilosophie [[Kjellen]]s und [[Haushofer]]s verwiesen, die in dem [[Begriff]] [[Geopolitik]] einen politischen Ausdruck für eine zusammenhängliche Beziehung zwischen Leben und Raum schuf. Letztlich muß eine solche Ausrichtung der [[Politik]] auf die macht des Stärkeren hinführen, auf die Einsetzung dieser [[Macht]] und den damit verbundenen Schäden zugunsten eben dieser Starken. Diese Politik kann – früher oder später - nur zum [[Krieg]] führen.\\+Der im zweiten Absatz genannte pfiffige [[Betrug]], durch den ein [[Ausgleich]] der Lebensrauminteressen herbeigeführt werden könnte, fußt ebenso auf dem vertragsrechtlichen Gedanken angelsächsischer Konvenienz. Schon, daß Leben an Raum gekoppelt wird, ist ein bedenklicher Vorgang im Sinne friedlichen Beieinanders. Es sei hier auch auf die Lebensraumphilosophie [[Kjellen]]s und [[Haushofer]]s verwiesen, die in dem [[Begriff]] [[Geopolitik]] einen politischen Ausdruck für eine zusammenhängliche Beziehung zwischen Leben und Raum schuf. Letztlich muß eine solche Ausrichtung der [[Politik]] auf die macht des Stärkeren hinführen, auf die Einsetzung dieser [[Macht]] und den damit verbundenen Schäden zugunsten eben dieser Starken. Diese Politik kann – früher oder später - nur zum [[Krieg]] führen.\\
 Andererseits aber ist es an dem Starken, sein Auge nicht von der [[Not]] abzuwenden und Hilfe zu gewähren, die doch aber nicht machtpolitischer, gar weltmachtpolitischer [[Intention]] diene. Doch wäre dieser Ansatz für einen Europäer von 1920 vielleicht ein wenig zuviel verlangt?!\\ Andererseits aber ist es an dem Starken, sein Auge nicht von der [[Not]] abzuwenden und Hilfe zu gewähren, die doch aber nicht machtpolitischer, gar weltmachtpolitischer [[Intention]] diene. Doch wäre dieser Ansatz für einen Europäer von 1920 vielleicht ein wenig zuviel verlangt?!\\
  
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 Die größte [[Maßlosigkeit]] begeht er, indem er an diese Raumtheorie den Gedanken der Deutschheit bindet und zweifellos Kultur mit Machtpolitik verwechselt beziehungsweise zusammenbindet. \\ Die größte [[Maßlosigkeit]] begeht er, indem er an diese Raumtheorie den Gedanken der Deutschheit bindet und zweifellos Kultur mit Machtpolitik verwechselt beziehungsweise zusammenbindet. \\
  
-Er hätte nur bei unseren Klassikern nachzulesen brauchen \\+Er hätte nur bei unseren [[klassiker|Klassikern]] nachzulesen brauchen \\
  
 //- [[Goethe]] verwahrte sich immer gegen Weltverbesserungspläne und legte die [[Verantwortung]] in den einzelnen [[Bürger]] zurück, was guter protestantischer [[Tradition]] entspricht; [[Schiller]] nannte die ganze [[Welt]] seine [[Heimat]] und selbst [[Künstler]], die heute ehern dem rechten politischen [[Spektrum]] zugeordnet werden wie [[Wagner]] oder der verfemte und mißverstandene [[Nietzsche]] sahen im machtpolitischen Geheul eklige Tendenzen, die man nur ästhetisch bekämpfen könne etc.pp. -//, //- [[Goethe]] verwahrte sich immer gegen Weltverbesserungspläne und legte die [[Verantwortung]] in den einzelnen [[Bürger]] zurück, was guter protestantischer [[Tradition]] entspricht; [[Schiller]] nannte die ganze [[Welt]] seine [[Heimat]] und selbst [[Künstler]], die heute ehern dem rechten politischen [[Spektrum]] zugeordnet werden wie [[Wagner]] oder der verfemte und mißverstandene [[Nietzsche]] sahen im machtpolitischen Geheul eklige Tendenzen, die man nur ästhetisch bekämpfen könne etc.pp. -//,
  
-um zu begreifen, daß [[Kultur]] sich mit [[Politik]] gar mit machtpolitischen Fragen nicht vereinbaren läßt. Kultur und [[Kunst]], Redlichkeit, Spiel und [[Liebe]] sind Begriffe, die jeder [[Mensch]] für sich erfahren muß und keine objektiv bestimmbaren Obliegenheiten. Der pfiffige Betrug hält sich nicht, wenn es ein Betrug ist: Man könnte ihn propagandistisch ausschlachten, wird es aber nicht erreichen, daß [[Propaganda]] zur Kultur erhoben wird. Redlichkeit und [[Adel]] sind an Vorstellungen des Gruppen-[[Selbst]] geknüpft, es sind dennoch in erster Linie irrationale und [[subjektiv]] verhaftete Begriffe, die eine allgemeine politische [[Konnotation]] nichts angehen. Werden sie jedoch in den Pfuhl derselben geworfen, kann es nur zu Mißverständnissen oder zu Ungenauigkeiten, schlimmstenfalls zu Unwahrheiten kommen. \\+um zu begreifen, daß [[Kultur]] sich mit [[Politik]] gar mit machtpolitischen Fragen nicht vereinbaren läßt. Kultur und [[Kunst]], Redlichkeit, Spiel und [[Liebe]] sind Begriffe, die jeder [[Mensch]] für sich erfahren muß und keine objektiv bestimmbaren Obliegenheiten. Der pfiffige Betrug hält sich nicht, wenn es ein Betrug ist: Man könnte ihn propagandistisch ausschlachten, wird es aber nicht erreichen, daß [[Propaganda]] zur Kultur erhoben wird. Redlichkeit und [[Adel]] sind an Vorstellungen des Gruppen-[[Selbst]] geknüpft, es sind dennoch in erster Linie irrationale und [[subjektiv]] verhaftete Begriffe, die eine allgemeine politische [[Konnotation]] nichts angehen. Werden sie jedoch in den Pfuhl derselben geworfen, kann es nur zu Mißverständnissen oder zu Ungenauigkeiten, schlimmstenfalls zu [[Unwahrheit|Unwahrheiten]] kommen. \\
 Unterstellte ich Hans Grimm propagandistische Absichten, so gäbe es ein starkes [[Argument]] dafür: Eine [[Kränkung]] des Selbstverständnisses führt zu [[Aufruhr]] desselben. Man müßte also nur ein wenig an des deutschen [[Selbstverständnis]] kratzen und ihn behende dahin bringen, sein Altes wiederhaben zu wollen, dann käme es irgendwann schon dahin...\\ Unterstellte ich Hans Grimm propagandistische Absichten, so gäbe es ein starkes [[Argument]] dafür: Eine [[Kränkung]] des Selbstverständnisses führt zu [[Aufruhr]] desselben. Man müßte also nur ein wenig an des deutschen [[Selbstverständnis]] kratzen und ihn behende dahin bringen, sein Altes wiederhaben zu wollen, dann käme es irgendwann schon dahin...\\
  
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 Zur psychologischen Ausgangsposition des Ersten Weltkrieges gehörte das Selbstverständnis des unvermeintlichen Untergangs durch Abwarten. Man mußte den anderen zuvorkommen; eine gewissen Unruhe herrschte angesichts des sich zusammenziehenden diplomatischen Netzes um Kaiserdeutschland. H.U. Wehler faßt diese [[Situation]] so zusammen, daß in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg zwei Hauptströmungen in der Globalpolitik bestanden:\\ Zur psychologischen Ausgangsposition des Ersten Weltkrieges gehörte das Selbstverständnis des unvermeintlichen Untergangs durch Abwarten. Man mußte den anderen zuvorkommen; eine gewissen Unruhe herrschte angesichts des sich zusammenziehenden diplomatischen Netzes um Kaiserdeutschland. H.U. Wehler faßt diese [[Situation]] so zusammen, daß in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg zwei Hauptströmungen in der Globalpolitik bestanden:\\
-  - der Griff nach der Weltmacht, die bewußte Planung und Vorbereitung des Krieges, belegt durch die aggressive Außenpolitik und Machtdemonstrationen und+  - der Griff nach der Weltmacht, die bewußte Planung und Vorbereitung des Krieges, belegt durch die aggressive [[Außenpolitik]] und Machtdemonstrationen und
   - der Defensivcharakter der tatsächlichen Entscheidungen vor dem Krieg und die Zwangslage im Krieg, die keine anderen Entscheidungen ermöglichte, was gegen Punkt 1 spricht.   - der Defensivcharakter der tatsächlichen Entscheidungen vor dem Krieg und die Zwangslage im Krieg, die keine anderen Entscheidungen ermöglichte, was gegen Punkt 1 spricht.
-Kurzum, wo immer man die Kontinuität der Ziele prüft, muß man sich klarmachen, daß es vor 1914 unleugbar eine Fülle teils konkreter, teils bizarrer Erwägungen gab, eine gerade Linie zum politischen Entscheidungshandeln im Sommer 1914 aber nicht gezogen werden kann. Die fraglos beabsichtigte Ausdehnung des wirtschaftlichen Einflusses darf keineswegs mit territorialen Annexionszielen gleichgesetzt werden. \\ +Kurzum, wo immer man die [[Kontinuität]] der Ziele prüft, muß man sich klarmachen, daß es vor 1914 unleugbar eine Fülle teils konkreter, teils bizarrer Erwägungen gab, eine gerade Linie zum politischen Entscheidungshandeln im Sommer 1914 aber nicht gezogen werden kann. Die fraglos beabsichtigte Ausdehnung des wirtschaftlichen Einflusses darf keineswegs mit territorialen Annexionszielen gleichgesetzt werden. \\ 
-Dieses Fehlen eines Kriegsziels bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges mag bis 1916 gegolten haben - eine öffentliche Diskussion war verboten -, spätestens dann aber stellte sich die Oberste Heeresleitung auf die Seite derer, die in Deutschland lauthals schrien, immer neues [[Land]] für die großen [[Opfer]] forderten, die Annexionisten im, z.B., Alldeutschen Bund! Daran zerbrach die Einheit, das [[Urerlebnis]] der [[Einheit]] des Volkes von 1914, als man sich eingeengt und gedemütigt empfand und [[Sühne]] forderte! Was muß das für ein Volk noch gewesen sein, 1914! Es war ein einzigartiges Volk, diese Deutschen vor 1916. „In welchem anderen Land gab es überhaupt, wie in Deutschland eine Kriegszieldiskussion?“ Der Zusammenhang von [[Kriegsschuld]] und Kriegszielen mag nicht deshalb so ausgelegt werden, daß sie zur Schuldzuweisung gereichten. Die Gründe liegen tiefer und sollen jetzt nicht weiter erörtert werden. Ich verweise hier auf den entsprechenden [[http://www.vonwolkenstein.de/forum/showthread.php?t=5847|Ordner]].\\+Dieses Fehlen eines Kriegsziels bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges mag bis 1916 gegolten haben - eine öffentliche Diskussion war verboten -, spätestens dann aber stellte sich die Oberste Heeresleitung auf die Seite derer, die in Deutschland lauthals schrien, immer neues [[Land]] für die großen [[Opfer]] forderten, die Annexionisten im, z.B., Alldeutschen Bund! Daran zerbrach die Einheit, das [[Urerlebnis]] der [[Einheit]] des Volkes von 1914, als man sich eingeengt und gedemütigt empfand und [[Sühne]] forderte! Was muß das für ein Volk noch gewesen sein, 1914! Es war ein einzigartiges Volk, diese Deutschen vor 1916. „In welchem anderen Land gab es überhaupt, wie in Deutschland eine Kriegszieldiskussion?“ Der Zusammenhang von [[Kriegsschuld]] und Kriegszielen mag nicht deshalb so ausgelegt werden, daß sie zur Schuldzuweisung gereichten. Die Gründe liegen tiefer und sollen jetzt nicht weiter erörtert werden. \\
 Zieht man zudem in Betracht, daß die westlichen Siegermächte Deutschland die alleinige Schuld am Ersten Weltkrieg zuschrieben und dementsprechend Reparationszahlungen forderten, so mag sich, u.a., Hans Grimms apodiktische Ablehnung dieser [[Schuld]], mithin des Verlustes der Kolonien, erklären lassen. Das ist legitim und nur allzu verständlich. \\ Zieht man zudem in Betracht, daß die westlichen Siegermächte Deutschland die alleinige Schuld am Ersten Weltkrieg zuschrieben und dementsprechend Reparationszahlungen forderten, so mag sich, u.a., Hans Grimms apodiktische Ablehnung dieser [[Schuld]], mithin des Verlustes der Kolonien, erklären lassen. Das ist legitim und nur allzu verständlich. \\
-Warum sich Hans Grimm [[England]] als Bündnispartner zuwandte, läßt sich aus der Verflechtung der englischen und deutschen [[Wirtschaft]] erklären. Beide Länder standen an erster Stelle in den Auftragsbüchern der [[Industrie]]. Abgesehen davon spielten offensichtlich auch rassische Aspekte eine [[Rolle]] bei der Auswahl des „natürlichen“ Partners. Man darf nicht vergessen, daß Grimm in England eine [[Lehre]] als Bankkaufmann absolvierte und in Afrika viele Kontakte mit Engländern gehabt haben dürfte. Auch sind rassistische Vorstellungen keine deutsche Erfindung, sondern fußen auf einem Konvolut Darwinscher, Gobineauscher und Chamberlainscher Vorstellungen über die natürliche Auslese und das Durchsetzen des Stärksten, den Chamberlain vor allem im arischen Europäer verkörpert sah.+Warum sich Hans Grimm [[England]] als Bündnispartner zuwandte, läßt sich aus der Verflechtung der englischen und deutschen [[Wirtschaft]] erklären. Beide Länder standen an erster Stelle in den Auftragsbüchern der [[Industrie]]. Abgesehen davon spielten offensichtlich auch rassische Aspekte eine [[Rolle]] bei der Auswahl des „natürlichen“ Partners. Man darf nicht vergessen, daß Grimm in England eine [[Lehre]] als Bankkaufmann absolvierte und in Afrika viele Kontakte mit Engländern gehabt haben dürfte. Auch sind rassistische Vorstellungen keine deutsche Erfindung, sondern fußen auf einem Konvolut Darwinscher, Gobineauscher und Chamberlainscher Vorstellungen über die natürliche Auslese und das Durchsetzen des Stärksten, den [[Chamberlain]] vor allem im arischen Europäer verkörpert sah.
  
 Fassen wir die Ergebnisse zusammen! Fassen wir die Ergebnisse zusammen!
  
-Hans Grimm ist als ein Schriftsteller von teilhumanistischer [[Gesinnung]] zu bezeichnen. Sind einerseits seine Bemühungen um eine Aufarbeitung traumatischer Erlebnisse durch Versailles in schriftstellerischer Weise zu loben, so muß sich der Historiker fragen, ob eine Verquickung der [[Geist]]esströmungen in den 20er Jahren zwangsläufig in faschistische Blut- und Bodenmetaphorik - hier als europäisches Phänomen der 20er Jahre begriffen - führen muß, die immer auch den Hintergedanken der Wiedergutmachung in sich trägt und von Hans Grimm nicht abgeleugnet, gar verworfen wurde. Offensichtlich war er sich dessen bewußt, daß Forderungen nach Raum mit einem Krieg nur schlußfolgernd zu handhaben wären. Zwar war den Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg ein Unrecht geschehen, als man ihnen die alleinige [[Schuld]] am Ersten Weltkrieg mit allen Folgen zuschrieb, doch sollte dies nicht dazu führen, Gebietsforderungen an die Zuschreiber zu stellen.\\+Hans Grimm ist als ein Schriftsteller von teilhumanistischer [[Gesinnung]] zu bezeichnen. Sind einerseits seine Bemühungen um eine Aufarbeitung traumatischer Erlebnisse durch Versailles in schriftstellerischer Weise zu loben, so muß sich der Historiker fragen, ob eine Verquickung der Geistesströmungen in den 20er Jahren zwangsläufig in faschistische Blut- und Bodenmetaphorik - hier als europäisches Phänomen der 20er Jahre begriffen - führen muß, die immer auch den Hintergedanken der Wiedergutmachung in sich trägt und von Hans Grimm nicht abgeleugnet, gar verworfen wurde. Offensichtlich war er sich dessen bewußt, daß Forderungen nach Raum mit einem Krieg nur schlußfolgernd zu handhaben wären. Zwar war den Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg ein Unrecht geschehen, als man ihnen die alleinige [[Schuld]] am Ersten Weltkrieg mit allen Folgen zuschrieb, doch sollte dies nicht dazu führen, Gebietsforderungen an die Zuschreiber zu stellen.\\
 Das Ende des Buches „Volk ohne Raum“ hinterläßt beim Leser nicht ein befreiendes [[Gefühl]], das einer Aufarbeitung von traumatischem Material folgen sollte, sondern die Dumpfheit des Nochnicht, der unbefriedigten Aufgabe, des Rast- und Ratlosen angesichts einer moralischen Ungerechtigkeit. Wenn man mit diesen Ingredienzen spielt, ergeben sich unerfüllbare Forderungen von selbst und pervertieren letztlich die Aufgabe des Schriftstellers, ein Befreier und [[Humanist]] zu sein.\\ Das Ende des Buches „Volk ohne Raum“ hinterläßt beim Leser nicht ein befreiendes [[Gefühl]], das einer Aufarbeitung von traumatischem Material folgen sollte, sondern die Dumpfheit des Nochnicht, der unbefriedigten Aufgabe, des Rast- und Ratlosen angesichts einer moralischen Ungerechtigkeit. Wenn man mit diesen Ingredienzen spielt, ergeben sich unerfüllbare Forderungen von selbst und pervertieren letztlich die Aufgabe des Schriftstellers, ein Befreier und [[Humanist]] zu sein.\\
 Aus diesem Grunde muß ich die sogenannte Zusammenfassung der 1286 Seiten „Volk ohne Raum“ als pränationalsozialistisches Manifest ansehen, worin handwerklich gekonnt mit vertrauten Worten ein Geflecht von demoralisierenden und Unruhe stiftenden Aussagen gesponnen wird, das letztlich nur dazu dienen kann, den Leser in einer unbefriedigenden Spannung zurückzulassen, die ihn mürbe macht und den Boden bereitet für etwaige Erlösermetaphorik, wie sich der [[Nationalsozialismus]] selbst verstand! Aus diesem Grunde muß ich die sogenannte Zusammenfassung der 1286 Seiten „Volk ohne Raum“ als pränationalsozialistisches Manifest ansehen, worin handwerklich gekonnt mit vertrauten Worten ein Geflecht von demoralisierenden und Unruhe stiftenden Aussagen gesponnen wird, das letztlich nur dazu dienen kann, den Leser in einer unbefriedigenden Spannung zurückzulassen, die ihn mürbe macht und den Boden bereitet für etwaige Erlösermetaphorik, wie sich der [[Nationalsozialismus]] selbst verstand!
  
 +vertiefende Angaben zu den deutschen Kolonien im [[https://forum.vonwolkenstein.de/forum/langzeitprojekte/kursbuch-geschichte-1889-2000/185-deutsch-s%C3%BCdwest-deutsche-kolonien|Wolkenstein-Forum]]
kolonie.1410456627.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/07/28 13:53 (Externe Bearbeitung)