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sokrates

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sokrates [2014/11/08 14:51] Robert-Christian Knorrsokrates [2023/04/27 20:16] (aktuell) – [Tugend] Robert-Christian Knorr
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 ===== Leben ===== ===== Leben =====
-- v.a. zur Spartanerzeit 404/3 v.Chr. führte Sokrates Ämter aus, deswegen später Vorwürfe, weil er [[Amt#Ämter]] zur demokratischen [[Zeit]] nicht bekleidet hatte+- v.a. zur Spartanerzeit 404/3 v.Chr. führte Sokrates Ämter aus, deswegen später Vorwürfe, weil er [[Amt#Ämter]] zur demokratischen [[Zeit]] nicht bekleidet hatte
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 +- sein [[Tod]] war die Folge der unvermeidlichen [[Schuld]] der Verletzung des Bestehenden ([[Hegel]])
  
  
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 ===== Tugend ===== ===== Tugend =====
 - Zentralthema Sokrates' → Welches [[Wesen]] hat die [[Tugend]]?\\ - Zentralthema Sokrates' → Welches [[Wesen]] hat die [[Tugend]]?\\
-- als sicher gilt, daß Sokrates sie als <html></font><font face = "symbol, serif">fronesiz</font></html> bezeichnete, d.i. das aus vollem Bewußtsein und klarer Einsicht hervorgebrachte [[Tun]], denn was ohne Einsicht geschieht, verdient nicht das Prädikat gut, was dagegen mit Einsicht geschieht, ist immer [[gut]]\\+- als sicher gilt, daß Sokrates sie als φρόνησις bezeichnete, d.i. das aus vollem Bewußtsein und klarer Einsicht hervorgebrachte [[Tun]], denn was ohne Einsicht geschieht, verdient nicht das Prädikat gut, was dagegen mit Einsicht geschieht, ist immer [[gut]]\\
 - das Beste zu tun und das Wahrste zu wissen - das Beste zu tun und das Wahrste zu wissen
  
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 - durch Sokrates’ [[Entscheidung]] setzten sich in der Nachfolge alle griechischen Philosophen in Distanz zum [[Staat]] und seiner [[Tagespolitik]]\\ - durch Sokrates’ [[Entscheidung]] setzten sich in der Nachfolge alle griechischen Philosophen in Distanz zum [[Staat]] und seiner [[Tagespolitik]]\\
 - er kam in Konflikt mit den Athenern durch das Bewußtmachen eines [[unbewußt#Unbewußten]], Sitte-Moral → sofern der Einzelne über sein [[Handeln]] reflektiert hinterfragt er es und wird kritischer\\ - er kam in Konflikt mit den Athenern durch das Bewußtmachen eines [[unbewußt#Unbewußten]], Sitte-Moral → sofern der Einzelne über sein [[Handeln]] reflektiert hinterfragt er es und wird kritischer\\
-- Sokrates legt das Wahre in die Entscheidungsfreiheit des einzelnen Bewußtseins → der Brauch, //nomos//, wird aufgeweicht und kritisch verlebendigt, vielleicht, um nur zu sterben\\+- Sokrates legt das Wahre in die Entscheidungsfreiheit des einzelnen Bewußtseins → der [[Brauch]], //nomos//, wird aufgeweicht und kritisch verlebendigt, vielleicht, um nur zu sterben\\
 - drei unbedeutende Athener, Anytos, Lykon und Meletos, klagten ihn wegen Nichtanerkennung der Staatsgötter, Einführung neuer Götter und der [[Verführung]] der Jugend an - drei unbedeutende Athener, Anytos, Lykon und Meletos, klagten ihn wegen Nichtanerkennung der Staatsgötter, Einführung neuer Götter und der [[Verführung]] der Jugend an
  
 ==== Zu den Ursachen des Prozesses und seinen weltanschaulichen Hintergründen ==== ==== Zu den Ursachen des Prozesses und seinen weltanschaulichen Hintergründen ====
-Die Suche nach dem wahrhaft Göttlichen, sie mußte irgendwann auch die überkommenen Gottesvorstellungen in Frage stellen.  Das ist zwangsläufig.  Sokrates war nun nicht der erste, der die Tatsächlichkeit der Mythologie anzweifelte.  [[Pindar]] erklärte 50 Jahre vor Sokrates  die Götterkämpfe für [[Lüge#Lügen]] und Xenophanes 75 Jahre vor Sokrates gar für [[Märchen]].  Das entsprang keiner Deduktion, sondern einem Gefühl für Wahrscheinlichkeit.  Das Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit von einem Außen aber führte und führt immer wieder zur Anrufung des Überirdischen.  Theoretische Grübelei ersetzt keine Gefühle.  Manch einer in jenen Tagen mochte die Götter als Irrglauben oder Lug und Trug bezeichnen, das kannten auch die Griechen seit Alters her, das Gefühl sagte und benannte ihnen ein Außen, ein außerhalb ihrer Vernunft sich abspielendes [[Drama]], das auf unsere kleine Innenwelt wirksame Signale sendete, von Zeit zu Zeit.  Dieses Gefühl behielt gegenüber allem Grübeln die Oberhand.  Aber damit war die Sache längst nicht entschieden.  Die Griechen, ein Händlervolk, fragten nach dem Sicheren, nach wahrer Erkenntnis, sie fragten nach dem Sinn des Lebens, nach den Rätseln der [[Menschheit]]: woher komme ich, wohin gehe ich, wer bin ich? Die Dümmeren sagten dazu „Zufall“, „Schicksal“ oder „Kausalnexus“; die Klügeren sahen eine Welt von Plagen, in der sich der einzelne behaupten und bewähren muß.  Und die ganz Klugen erkannten tiefere Zusammenhänge, Gerechtigkeitsphantasien entsprossen daraus, Weltordnung wurde gemutmaßt, Verderben und Übertreibung der Ordnung fanden beruhigende Bestrafung, früher oder später.  Darauf bauten die großen griechischen Tragiker ihre Stücke, auf die Sühnung der gestörten Ordnung.  Und dennoch blieb es dabei: [[Dike]] weint.  +Die Suche nach dem wahrhaft Göttlichen, sie mußte irgendwann auch die überkommenen Gottesvorstellungen in Frage stellen.  Das ist zwangsläufig.  Sokrates war nun nicht der erste, der die Tatsächlichkeit der Mythologie anzweifelte.  [[Pindar]] erklärte 50 Jahre vor Sokrates  die Götterkämpfe für [[Lüge#Lügen]] und [[Xenophanes]] 75 Jahre vor Sokrates gar für [[Märchen]].  Das entsprang keiner Deduktion, sondern einem Gefühl für Wahrscheinlichkeit.  Das Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit von einem Außen aber führte und führt immer wieder zur Anrufung des Überirdischen.  Theoretische Grübelei ersetzt keine Gefühle.  Manch einer in jenen Tagen mochte die Götter als Irrglauben oder Lug und Trug bezeichnen, das kannten auch die Griechen seit Alters her, das Gefühl sagte und benannte ihnen ein Außen, ein außerhalb ihrer Vernunft sich abspielendes [[Drama]], das auf unsere kleine Innenwelt wirksame Signale sendete, von Zeit zu Zeit.  Dieses Gefühl behielt gegenüber allem Grübeln die Oberhand.  Aber damit war die Sache längst nicht entschieden.  Die Griechen, ein Händlervolk, fragten nach dem Sicheren, nach wahrer Erkenntnis, sie fragten nach dem Sinn des Lebens, nach den Rätseln der [[Menschheit]]: woher komme ich, wohin gehe ich, wer bin ich? Die Dümmeren sagten dazu „Zufall“, „Schicksal“ oder „Kausalnexus“; die Klügeren sahen eine Welt von Plagen, in der sich der einzelne behaupten und bewähren muß.  Und die ganz Klugen erkannten tiefere Zusammenhänge, Gerechtigkeitsphantasien entsprossen daraus, Weltordnung wurde gemutmaßt, Verderben und Übertreibung der Ordnung fanden beruhigende Bestrafung, früher oder später.  Darauf bauten die großen griechischen Tragiker ihre Stücke, auf die Sühnung der gestörten Ordnung.  Und dennoch blieb es dabei: [[Dike]] weint.  
  
  
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 - in der Praxis zeigt seine Methode zwei Seiten - in der Praxis zeigt seine Methode zwei Seiten
   * negativ → das Unwissendstellen/[[Ironie]] führt den Befragten zu dem Punkt, an dem er seine Unwissendheit zugeben muß   * negativ → das Unwissendstellen/[[Ironie]] führt den Befragten zu dem Punkt, an dem er seine Unwissendheit zugeben muß
-  * positiv → Sokrates übertrug den Beruf seiner Mutter ins Geistige und barg den Gedanken, den sein Gesprächspartner zumeist unbewußt in sich trug ([[Aristoteles]])+  * positiv → Sokrates übertrug den [[Beruf]] seiner Mutter ins Geistige und barg den Gedanken, den sein Gesprächspartner zumeist unbewußt in sich trug ([[Aristoteles]]) 
 +- sein Leben verkörpert das Wesen des religiösen [[genie|Genies]]: lebte als Narr, wurde als [[Ketzer]] verurteilt und starb als Heiliger (Friedell)\\
 - seine Philosophie schickte sich für jeden Ort und zu jedem Fall → Sokrates brauchte keine Schriften zu seinem Gedächtnisse ([[Hamann]])\\ - seine Philosophie schickte sich für jeden Ort und zu jedem Fall → Sokrates brauchte keine Schriften zu seinem Gedächtnisse ([[Hamann]])\\
-- Verwissenschaftlichung, mithin Aufhebung des Griechischen, mit Sokrates beginnt der Verfall\\+- Verwissenschaftlichung, mithin [[Aufhebung]] des Griechischen, mit Sokrates beginnt der Verfall\\
 - intendierte Vernunftentwicklung\\ - intendierte Vernunftentwicklung\\
 - Gegensatz zur griechischen [[Tragödie]], eine Figur des [[Rationalismus]]: personifizierter Vernunftanspruch an die [[Welt]]\\ - Gegensatz zur griechischen [[Tragödie]], eine Figur des [[Rationalismus]]: personifizierter Vernunftanspruch an die [[Welt]]\\
 - Umkehrung des urgriechischen Lebensgedankens: das Unbewußte, das [[Schöpferische]] wird kritisch und läh­mend zugunsten des Bewußtseins, welches schöpferisch werden will, Vernunftpostulat \\ - Umkehrung des urgriechischen Lebensgedankens: das Unbewußte, das [[Schöpferische]] wird kritisch und läh­mend zugunsten des Bewußtseins, welches schöpferisch werden will, Vernunftpostulat \\
 Verderber der Jugend durch [[Kritik]] am Bestehenden ([[Nietzsche]]) Verderber der Jugend durch [[Kritik]] am Bestehenden ([[Nietzsche]])
sokrates.1415454661.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/07/28 14:29 (Externe Bearbeitung)