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solitude

SOLITUDE

1770
- unter dem Namen eines militärischen Waisenhauses errichtete Erziehungsanstalt bei Ludwigsburg in Württemberg für Söhne armer Eltern, hauptsächlich Soldatensöhne
- das Ausbildungsprogramm erweiterte sich im Kontext humanistischer Bildungsambitionen um Tanz, Gesang und Künste, um auch die Söhne höherer Adliger anzulocken → aus dem Waisenhaus wurde die militärische Pflanzschule, eine allgemeinbildende und höhere Erziehungsanstalt, die künftigen Studenten als Vorbereitungsschule dienen sollte
- der württembergische Herzog entwickelte ein Werbesystem, um die besten Söhne Würtembergs in dieser Pflanzschule zu versammeln
- bei Schillers Vater fragte der HERZOG dreimal nach, bis der Vater nachgab und seinen begabten Sohn zur Solitude schickte, damit der dort Jurisprudenz statt der avisierten THEOLOGIE studiere; zudem hatte ihm der Herzog versprochen, seinem Sohn nach dessen Abschluß eine gut bezahlte Stelle zu verschaffen
- der Herzog und seine schöne Freundin, die Gräfin Franziska von Hohenheim, pflegten einen engen Kontakt zu ihren Schutzbefohlenen, nahmen ihre Huldigungen und Anhimmlungen entgegen und verwischten den Standesunterschied, indem sie die Zöglinge auf (feiertägliche) Kutschfahrten mitnahmen und mit ihnen herumtollten
- der Herzog befahl keineswegs die Eleven in seine Pflanzanstalt, im Gegenteil: sie kostete die Eltern Geld; der Herzog übernahm für die Armen oder besonders begabte (u.a. Schiller) Eleven die Kosten der Ausbildung, die sehr gut war und schon um 1775 gab es mehr Anträge zur Aufnahme als Plätze zur Verfügung standen
- die höchste Klasse zu Tisch waren in der Akademie diejenigen mit den meisten Auszeichnungen (man benötigte übers Jahr verteilt acht Belobigungen für einen ständig zu tragenden Orden), dann kamen in der Hackordnung erst die Söhne der Adligen, deren Eltern sich einen Sondertisch bei den Essen beim Herzog erwirkt hatten
- zwar herrschte Zucht, aber kein Drill; es gab Freiräume, u.a. besaß jeder, der wollte, ein eigenes kleines Beet, wo er Pflanzen seiner Wahl anbauen durfte: die einzelnen Betten in den Schlafsälen waren umgittert; jeder besaß seinen eigenen Nachtschrank und ein eigenes Licht, das er nicht um neun (Nachtruhe) auslöschen mußte; es bestand kein Uniformzwang in den nichtöffentlichen Zeiten, derer es jeden Tag mehrere Stunden gab
- mittags gab es Landwein für die Knaben, abends nichts Alkoholisches; Tabak war verboten; Geld mußte abgegeben werden und wurde am Schuljahresende (14.Dezember) wieder ausgehändigt
- Adlige und Bürgerliche wurden gemeinsam unterrichtet
- Schiller heimste 1779 drei von vier möglichen Preisen ein, nur den für „Deutsche Sprache“ konnte er nicht gewinnen, den wertvollsten Preis → der hätte ihn dazu berechtigt, sich Kavalier zu nennen, die seinerzeit höchste Selbstbezeichnung an der Karlsschule

solitude.txt · Zuletzt geändert: 2024/03/10 19:39 von Robert-Christian Knorr