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 [[Schriftsteller]] und Dramatiker\\ [[Schriftsteller]] und Dramatiker\\
  
-[[http://www.vonwolkenstein.de/hermes/nummer105.pdf |"Hermes"]] zum 70. Geburtstag+[[http://www.vonwolkenstein.de/hermeswesenummer105.pdf |"Hermes"]] zum 70. Geburtstag
  
 ==== Straußrezeption nach 1990 ==== ==== Straußrezeption nach 1990 ====
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 Dieser zurückhaltende, realistische [[Ton]] wurde auf der ersten Bundestagung des Kulturbundes Ende Mai 1947 fortgeführt, zumal es sich gezeigt hatte, daß die [[Masse]] der Intellektuellen von marxistischen [[Idee]]n nicht begeistert waren. Doch Becher setzte auf Zeit, suchte [[Vertrauen]] bei Kulturschaffenden in Ost und West, ganz der Direktive Ulbrichts folgend: „Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“\\  Dieser zurückhaltende, realistische [[Ton]] wurde auf der ersten Bundestagung des Kulturbundes Ende Mai 1947 fortgeführt, zumal es sich gezeigt hatte, daß die [[Masse]] der Intellektuellen von marxistischen [[Idee]]n nicht begeistert waren. Doch Becher setzte auf Zeit, suchte [[Vertrauen]] bei Kulturschaffenden in Ost und West, ganz der Direktive Ulbrichts folgend: „Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“\\ 
-Becher hatte mit seinem toleranten, auf die Wiederherstellung der demokratischen Grundsubstanz zielenden Aufrufen, großen [[Erfolg]] bei den ehemaligen Exilschriftstellern und auch bei den bürgerlichen Intellektuellen, die während der Nazizeit in Deutschland politisch „sauber“ blieben. Bechers Strategie knüpfte gleichsam an die aus dem [[Jahr]] 1935 stammende  stalinistische „Volksfrontpolitik“ an, die nichts anderes besagt, als daß alle der [[Gesinnung]] nach antifaschistischen Kräfte gebündelt werden müssen; aber wie eben erwähnt, „wir müssen alles in der Hand haben“; eine [[Freiheit]] der [[Kunst]] auf Zeit.+Becher hatte mit seinem toleranten, auf die Wiederherstellung der demokratischen Grundsubstanz zielenden Aufrufen, großen [[Erfolg]] bei den ehemaligen Exilschriftstellern und auch bei den bürgerlichen Intellektuellen, die während der Nazizeit in Deutschland politisch „sauber“ blieben. Bechers [[Strategie]] knüpfte gleichsam an die aus dem [[Jahr]] 1935 stammende  stalinistische „Volksfrontpolitik“ an, die nichts anderes besagt, als daß alle der [[Gesinnung]] nach antifaschistischen Kräfte gebündelt werden müssen; aber wie eben erwähnt, „wir müssen alles in der Hand haben“; eine [[Freiheit]] der [[Kunst]] auf Zeit.
  
 Dieses Volksfrontkonzept hat die Weichen „für die Gesamtpolitik der SBZ bzw. der DDR letztlich bis zum heutigen Tag gestellt“ und somit natürlich auch die Rezeptionsmöglichkeiten bzw. Rezeptionsbedingungen der DDR-Bevölkerung maßgeblich beeinflußt. Dieses Volksfrontkonzept hat die Weichen „für die Gesamtpolitik der SBZ bzw. der DDR letztlich bis zum heutigen Tag gestellt“ und somit natürlich auch die Rezeptionsmöglichkeiten bzw. Rezeptionsbedingungen der DDR-Bevölkerung maßgeblich beeinflußt.
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   - Der [[Formalismus]] muß bekämpft werden, und   - Der [[Formalismus]] muß bekämpft werden, und
   - Kampf um [[Realismus]] - mit Hauptorientierung am Beispiel der Sowjetunion. Nach der kurzen Pause der politischen Enthaltsamkeit in der Literatur, die ja eigentlich auch politisch motiviert war, wird die Literatur von nun an unter allen Umständen politisch angepaßt.   - Kampf um [[Realismus]] - mit Hauptorientierung am Beispiel der Sowjetunion. Nach der kurzen Pause der politischen Enthaltsamkeit in der Literatur, die ja eigentlich auch politisch motiviert war, wird die Literatur von nun an unter allen Umständen politisch angepaßt.
- Die deutsche //Akademie der Künste// und der Kulturbund der DDR nutzten den [[Schwäche]]- und Verunsicherungsmoment der DDR-Regierung kurz nach dem 17. Juni, um mit einem Forderungskatalog an die Öffentlichkeit zu treten, mit der Hauptforderung, daß staatliche Organe „sich administrativer Maßnahmen in Fragen der künstlerischen Produktion und des Stils zu enthalten“ haben. Außerdem, so ein [[Argument]], vertiefe die SED durch ihre Kulturpolitik die Spaltung Deutschlands, der sie laut Parteiprogramm entgegenwirken wollte. Ergebnis der darauffolgenden Diskussion war die Schaffung eines Kulturministeriums mit Becher als Minister, der garantiere, so //Neues Deutschland// vom 8. 1. 1954, „daß das Gesicht des Ministeriums auch sofort und aufgeschlossen nach dem Westen unseres Vaterlandes gerichtet ist.“ Allerdings hatte Becher keine wirkliche [[Macht]] und stellte bald nur noch eine Repräsentationsfigur dar.+ Die deutsche //Akademie der Künste// und der Kulturbund der DDR nutzten den [[Schwäche]]- und Verunsicherungsmoment der DDR-Regierung kurz nach dem 17. Juni, um mit einem Forderungskatalog an die Öffentlichkeit zu treten, mit der Hauptforderung, daß staatliche Organe „sich administrativer Maßnahmen in Fragen der künstlerischen Produktion und des Stils zu enthalten“ haben. Außerdem, so ein [[Argument]], vertiefe die SED durch ihre Kulturpolitik die Spaltung Deutschlands, der sie laut Parteiprogramm entgegenwirken wollte. Ergebnis der darauffolgenden Diskussion war die Schaffung eines Kulturministeriums mit Becher als Minister, der garantiere, so /weseneues Deutschland// vom 8. 1. 1954, „daß das Gesicht des Ministeriums auch sofort und aufgeschlossen nach dem Westen unseres Vaterlandes gerichtet ist.“ Allerdings hatte Becher keine wirkliche [[Macht]] und stellte bald nur noch eine Repräsentationsfigur dar.
  
 Im Januar 1956 wurde die Frage, ob es zwei verschiedene Literaturen in Deutschland gibt, auf dem „IV. Schriftstellerkongreß der DDR“ gestellt und  damit beantwortet, daß man allein „die deutsche Literatur wieder zu einer geistigen Großmacht“ machen wollte. Außerdem, mittlerweile waren die Machtverhältnisse fast vollständig zugunsten der Kommunisten geklärt, wurde von Ulbricht eine „sozialistischen Nationalliteratur der DDR“ gefordert, die die These der zwei deutschen Literaturen postuliert.  Im Januar 1956 wurde die Frage, ob es zwei verschiedene Literaturen in Deutschland gibt, auf dem „IV. Schriftstellerkongreß der DDR“ gestellt und  damit beantwortet, daß man allein „die deutsche Literatur wieder zu einer geistigen Großmacht“ machen wollte. Außerdem, mittlerweile waren die Machtverhältnisse fast vollständig zugunsten der Kommunisten geklärt, wurde von Ulbricht eine „sozialistischen Nationalliteratur der DDR“ gefordert, die die These der zwei deutschen Literaturen postuliert. 
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 Uwe Johnson konstatiert: „Ich halte den [[Satz]] für zweifelhaft, daß wir alle in einer gemeinsamen [[Sprache]] schrieben oder [[uns]] ausdrückten. Zwischen den Schriftstellern der beiden Währungsgebiete in Deutschland herrscht durchaus [[Meinungsverschiedenheit]] über den einfachen deutschen Satz.“\\ Uwe Johnson konstatiert: „Ich halte den [[Satz]] für zweifelhaft, daß wir alle in einer gemeinsamen [[Sprache]] schrieben oder [[uns]] ausdrückten. Zwischen den Schriftstellern der beiden Währungsgebiete in Deutschland herrscht durchaus [[Meinungsverschiedenheit]] über den einfachen deutschen Satz.“\\
-Ähnlich Heinrich Böll: „Nicht nur politisch, auch was Kunst und Literatur betrifft, ist die Spaltung perfekt. Kaum zwei Literaturen sind weiter voneinander entfernt als die beiden Hälften Deutschlands, von denen man nur in sentimentalen [[Augenblick]]en sagen kann, daß sie die gleiche Sprache sprächen.“\\+Ähnlich Heinrich Böll: „Nicht nur politisch, auch was Kunst und Literatur betrifft, ist die Spaltung perfekt. Kaum zwei Literaturen sind weiter voneinander entfernt als die beiden Hälften Deutschlands, von denen man nur in [[sentimental|sentimentalen]] Augenblicken sagen kann, daß sie die gleiche Sprache sprächen.“\\
 Ganz anders Günter Grass, der damals wie Böll [[SPD]]-Wahlkämpfer war, also demselben politischen Lager nahestand: „Als etwas Gesamtdeutsches läßt sich in beiden deutschen Staaten nur noch die Literatur nachweisen; sie hält sich nicht an die Grenze, so hemmend besonders ihr die Grenze gezogen wurde. Die Deutschen wollen oder dürfen das nicht wissen. Da sie politisch, ideologisch, wirtschaftlich und militärisch mehr gegen - als nebeneinander leben, gelingt es ihnen wieder einmal nicht, sich ohne Krampf als Nation zu begreifen: Als zwei Staaten einer [[Nation]].“\\ Ganz anders Günter Grass, der damals wie Böll [[SPD]]-Wahlkämpfer war, also demselben politischen Lager nahestand: „Als etwas Gesamtdeutsches läßt sich in beiden deutschen Staaten nur noch die Literatur nachweisen; sie hält sich nicht an die Grenze, so hemmend besonders ihr die Grenze gezogen wurde. Die Deutschen wollen oder dürfen das nicht wissen. Da sie politisch, ideologisch, wirtschaftlich und militärisch mehr gegen - als nebeneinander leben, gelingt es ihnen wieder einmal nicht, sich ohne Krampf als Nation zu begreifen: Als zwei Staaten einer [[Nation]].“\\
 Der Autor der Arbeit ist mit Christoph Hein der Auffassung, daß die [[Vita]] (in [[Zusammenhang]] mit der Kultur und Geschichte des jeweiligen deutschen Staates) der Autoren in Ost und West für das Herausbilden zweier verschiedener Literaturen verantwortlich ist. Hein sagte 1988: „Sowohl Anna Seghers wie Heinrich Böll, sowohl Hermann Kant wie Günter Grass haben vergleichbare Lebensläufe. Zu meiner Generation gehört in Westdeutschland ein Mann wie Botho Strauß oder Kroetz oder Lothar Baier: Diese schreiben eine Literatur, die völlig verschieden ist von der Literatur, die in der DDR entsteht. Man könnte keine dieser Personen austauschen. Biographien von Strauß oder Kroetz oder Baier [sind] in der DDR nicht denkbar. Die Literaturen sind nicht mehr austauschbar.“\\ Der Autor der Arbeit ist mit Christoph Hein der Auffassung, daß die [[Vita]] (in [[Zusammenhang]] mit der Kultur und Geschichte des jeweiligen deutschen Staates) der Autoren in Ost und West für das Herausbilden zweier verschiedener Literaturen verantwortlich ist. Hein sagte 1988: „Sowohl Anna Seghers wie Heinrich Böll, sowohl Hermann Kant wie Günter Grass haben vergleichbare Lebensläufe. Zu meiner Generation gehört in Westdeutschland ein Mann wie Botho Strauß oder Kroetz oder Lothar Baier: Diese schreiben eine Literatur, die völlig verschieden ist von der Literatur, die in der DDR entsteht. Man könnte keine dieser Personen austauschen. Biographien von Strauß oder Kroetz oder Baier [sind] in der DDR nicht denkbar. Die Literaturen sind nicht mehr austauschbar.“\\
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 Die  Protestveranstaltungen in Osteuropa und der DDR hatten nicht die Dimension wie die Massenkundgebungen in der „freien Welt“:  Die  Protestveranstaltungen in Osteuropa und der DDR hatten nicht die Dimension wie die Massenkundgebungen in der „freien Welt“: 
 In Polen probten am 21.10.1966 Professoren, Assistenten und Studenten der Warschauer Universität den Aufstand gegen „die [[Restauration]] des dogmatischen [[Kommunismus]] in Polen“. Innerhalb der [[Universität]] wurde heftig mit den Machthabern diskutiert. Trotz Bestrafungen und Disziplinierungen gelang es nicht, die [[Mehrheit]] der Studenten zur „Räson“ zu bringen. Im März 1968 kam es zu erneuten Studentenunruhen, als die Aufführung des antirussisch aufzufassenden polnischen Nationaldramas „Die [[Totenfeier]]“ von der [[Partei]] verboten wurde. Literaten und Studenten protestierten gegen die offizielle Kulturpolitik und gegen Zensur. Es wurden Rede-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit verlangt. An fast allen polnischen Hochschulen gab es Solidaritätskundgebungen. Daraufhin wurden Studenten verfolgt und relegiert und den Kommunisten verdächtige Professoren ihrer Ämter enthoben. Die [[Regierung]] mobilisierte ihre Anhänger zu Gegendemonstrationen unter dem Motto: „Studenten an die Bücher.“ In Polen probten am 21.10.1966 Professoren, Assistenten und Studenten der Warschauer Universität den Aufstand gegen „die [[Restauration]] des dogmatischen [[Kommunismus]] in Polen“. Innerhalb der [[Universität]] wurde heftig mit den Machthabern diskutiert. Trotz Bestrafungen und Disziplinierungen gelang es nicht, die [[Mehrheit]] der Studenten zur „Räson“ zu bringen. Im März 1968 kam es zu erneuten Studentenunruhen, als die Aufführung des antirussisch aufzufassenden polnischen Nationaldramas „Die [[Totenfeier]]“ von der [[Partei]] verboten wurde. Literaten und Studenten protestierten gegen die offizielle Kulturpolitik und gegen Zensur. Es wurden Rede-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit verlangt. An fast allen polnischen Hochschulen gab es Solidaritätskundgebungen. Daraufhin wurden Studenten verfolgt und relegiert und den Kommunisten verdächtige Professoren ihrer Ämter enthoben. Die [[Regierung]] mobilisierte ihre Anhänger zu Gegendemonstrationen unter dem Motto: „Studenten an die Bücher.“
-In der Tschechoslowakei schritt die Demokratisierung eines Ostblocklandes im hoffnungsvollen „Prager Frühling“ am weitesten voran. Die [[Avantgarde]] der Prager Reformer setzte sich aus Journalisten, Schriftstellern, Künstlern, Studenten, Wissenschaftlern und Gemaßregelten des Novotny-Regimes zusammen. Im Oktober 1967 wurden um bessere Beleuchtung in ihren Wohnheimen demonstrierende Studenten noch zusammengeknüppelt, doch schon etwas später waren Studenten eine maßgebliche Kraft im Demokratisierungsprozeß des Landes. In den RGW-Staaten, in denen es zur [[Opposition]] kam, ging es nicht, wie im Westen, in erster Linie um einen [[Generationskonflikt]]. Der Konflikt war klar ideologisch bestimmt: Weg von der [[Diktatur]]- hin zum demokratischen Sozialismus. Als die Truppen der Warschauer Vertragsstaaten einmarschierten, war mit der nicht an westlichen Mustern orientierten Demokratisierung [[Schluß]]. Der Einmarsch von Truppen des „Warschauer Vertrages“ in der Tschechoslowakei am 20.8.1968 sollte zu der einzigen registrierten [[Reaktion]] Jugendlicher in der DDR führen: „An die hundert jungen Leute“ sind mit Flugblättern und Losungen in Weimar, Gera, Erfurt und Berlin am 21.8.1968 gegen die Invasion an die Öffentlichkeit getreten, darunter „fast durchweg Söhne und Töchter einst oder noch immer prominenter Genossen.“ (Der Spiegel, Nr. 45/1968, S. 72.) Auf den Flugblättern in Berlin stand u.a.: „[[Bürger]]-Genossen. Fremde Panzer in der CSSR dienen nur dem Klassenfeind. Denkt an das Ansehen des Sozialismus in der Welt. Fordert endlich wahrheitsgetreue Informationen. Niemand ist zu dumm, [[selbst]] zu denken.“ Sieben Teilnehmer, darunter Thomas Brasch (damals 23), [[Sohn]] eines Minister-Stellvertreters, die Havemann-Brüder (damals 16 und 19), und die Tochter des damaligen SED-Ideologen Lothar Berthold (damals 18), wurden bald darauf zwischen 15 und 27 Monaten [[Gefängnis]] verurteilt. Ausdrücklich wurde in der Presse daraufhin gewiesen, daß die Angeklagten von „Robert Havemann und Wolf Biermann systematisch inspiriert“ wurden. +In der Tschechoslowakei schritt die Demokratisierung eines Ostblocklandes im hoffnungsvollen „Prager Frühling“ am weitesten voran. Die [[Avantgarde]] der prager [[Reformer]] setzte sich aus Journalisten, Schriftstellern, Künstlern, Studenten, Wissenschaftlern und Gemaßregelten des Novotny-Regimes zusammen. Im Oktober 1967 wurden um bessere Beleuchtung in ihren Wohnheimen demonstrierende Studenten noch zusammengeknüppelt, doch schon etwas später waren Studenten eine maßgebliche Kraft im Demokratisierungsprozeß des Landes. In den RGW-Staaten, in denen es zur [[Opposition]] kam, ging es nicht, wie im Westen, in erster Linie um einen [[Generationskonflikt]]. Der Konflikt war klar ideologisch bestimmt: Weg von der [[Diktatur]]- hin zum demokratischen Sozialismus. Als die Truppen der Warschauer Vertragsstaaten einmarschierten, war mit der nicht an westlichen Mustern orientierten Demokratisierung [[Schluß]]. Der Einmarsch von Truppen des „Warschauer Vertrages“ in der Tschechoslowakei am 20.8.1968 sollte zu der einzigen registrierten [[Reaktion]] Jugendlicher in der DDR führen: „An die hundert jungen Leute“ sind mit Flugblättern und Losungen in Weimar, Gera, Erfurt und Berlin am 21.8.1968 gegen die Invasion an die Öffentlichkeit getreten, darunter „fast durchweg Söhne und Töchter einst oder noch immer prominenter Genossen.“ (Der Spiegel, Nr. 45/1968, S. 72.) Auf den Flugblättern in Berlin stand u.a.: „[[Bürger]]-Genossen. Fremde Panzer in der CSSR dienen nur dem Klassenfeind. Denkt an das Ansehen des Sozialismus in der Welt. Fordert endlich wahrheitsgetreue Informationen. Niemand ist zu dumm, [[selbst]] zu denken.“ Sieben Teilnehmer, darunter Thomas Brasch (damals 23), [[Sohn]] eines Minister-Stellvertreters, die Havemann-Brüder (damals 16 und 19), und die Tochter des damaligen SED-Ideologen Lothar Berthold (damals 18), wurden bald darauf zwischen 15 und 27 Monaten [[Gefängnis]] verurteilt. Ausdrücklich wurde in der Presse daraufhin gewiesen, daß die Angeklagten von „Robert Havemann und Wolf Biermann systematisch inspiriert“ wurden. 
 Für eine organisierte „Bewegung“ war in der DDR aufgrund der strengen offiziellen und inoffiziellen Verhaltensbestimmungen keinerlei Grundlage vorhanden. In der ganzen [[Republik]] wurde nach „politischer Konterbande“ gefahndet, und sobald man meinte, fündig geworden zu sein, der Verdächtige diszipliniert. In der Literatur der DDR spiegelte sich die Niederschlagung des Prager Modells des „menschlichen Sozialismus“ nicht wider, auch wenn Gerhard Wolf (Ehemann von Christa Wolf) 1993 im Interview behauptet: „In ’68 waren wir mehr verwickelt, als man das weiß und glauben will. [] die Staatssicherheit hat die wichtigsten Dinge nicht gewußt.“ Für eine organisierte „Bewegung“ war in der DDR aufgrund der strengen offiziellen und inoffiziellen Verhaltensbestimmungen keinerlei Grundlage vorhanden. In der ganzen [[Republik]] wurde nach „politischer Konterbande“ gefahndet, und sobald man meinte, fündig geworden zu sein, der Verdächtige diszipliniert. In der Literatur der DDR spiegelte sich die Niederschlagung des Prager Modells des „menschlichen Sozialismus“ nicht wider, auch wenn Gerhard Wolf (Ehemann von Christa Wolf) 1993 im Interview behauptet: „In ’68 waren wir mehr verwickelt, als man das weiß und glauben will. [] die Staatssicherheit hat die wichtigsten Dinge nicht gewußt.“
  
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 Der [[Überbau]] des eben Angesprochenen, die unterschiedliche Wahrnehmung der politischen [[Realität]], wird heute auch in den Umfragen deutlich, die sechs Jahre nach der Einheit von Zeitschriften Deutschlands in Auftrag gegeben wurden. Die ostdeutsche [[Zeitschrift]] //Wochenpost// beauftragte das Leipziger Institut für Marktforschung, die Stimmung und die „Seelenlage“ der Ostdeutschen zu erkunden. Vom 8. - 20. September 1996 gaben eintausend repräsentativ ausgewählte Ostdeutsche Auskunft. Die Wochenpost-Umfrage ergibt, daß die Ostdeutschen mehr Eigenständigkeit wollen (74% meinen, daß man auf westdeutsche Fachleute verzichten könne; 90% meinen, daß man die ostdeutsche Zukunft [[selbst]] in die Hand nehmen müsse) und daß sich Ostdeutschland in einem neuen Entwicklungsstadium befindet: Ein neues [[Selbstbewußtsein]] scheint zu wachsen. Interessant ist, daß es den „Einheitsossi“ nicht mehr gibt. Beispiel: 74% der befragten Thüringer sagen, daß der Beitritt zur Bundesrepublik mehr Vorteile gebracht, aber nur 56 % der befragten Brandenburger sind dieser Meinung.\\ Der [[Überbau]] des eben Angesprochenen, die unterschiedliche Wahrnehmung der politischen [[Realität]], wird heute auch in den Umfragen deutlich, die sechs Jahre nach der Einheit von Zeitschriften Deutschlands in Auftrag gegeben wurden. Die ostdeutsche [[Zeitschrift]] //Wochenpost// beauftragte das Leipziger Institut für Marktforschung, die Stimmung und die „Seelenlage“ der Ostdeutschen zu erkunden. Vom 8. - 20. September 1996 gaben eintausend repräsentativ ausgewählte Ostdeutsche Auskunft. Die Wochenpost-Umfrage ergibt, daß die Ostdeutschen mehr Eigenständigkeit wollen (74% meinen, daß man auf westdeutsche Fachleute verzichten könne; 90% meinen, daß man die ostdeutsche Zukunft [[selbst]] in die Hand nehmen müsse) und daß sich Ostdeutschland in einem neuen Entwicklungsstadium befindet: Ein neues [[Selbstbewußtsein]] scheint zu wachsen. Interessant ist, daß es den „Einheitsossi“ nicht mehr gibt. Beispiel: 74% der befragten Thüringer sagen, daß der Beitritt zur Bundesrepublik mehr Vorteile gebracht, aber nur 56 % der befragten Brandenburger sind dieser Meinung.\\
-Fazit der Untersuchung: Der Ostler interessiert sich für nicht viel mehr als für sich selbst. Wochenpost stellt dazu fest: „Die Ostgemüter haben eine Weile gebraucht, um diese massenhafte Neuorientierung zu verarbeiten. Mitunter sind sie davon so fasziniert, daß sie sich am liebsten mit sich selbst beschäftigen. Debatten, in denen es nicht um ihr eigenes [[Schicksal]] geht, finden bisher meist ohne sie statt. Nicht nur bei Botho Strauß, Peter Handke oder Daniel Goldhagen hielten sie sich raus, auch bei Bundeswehreinsätzen, der [[Asyl]]rechtsänderung oder dem Lauschangriff. Ihre Themen heißen PDS, Altschulden, ABM oder Stasi. Ostpolitiker und Ostautoren begnügen sich weitgehend damit, immer nur in Ostangelegenheiten aktiv zu werden. Und es sieht nicht so aus, als ob sich daran viel ändern wird. Danach befragt, was in zehn Jahren sein wird, wünschen sich 60 Prozent der Ostdeutschen mehr Eigenständigkeit in Wirtschaft und Politik.“+Fazit der Untersuchung: Der Ostler interessiert sich für nicht viel mehr als für sich selbst. Wochenpost stellt dazu fest: „Die Ostgemüter haben eine Weile gebraucht, um diese massenhafte Neuorientierung zu verarbeiten. Mitunter sind sie davon so fasziniert, daß sie sich am liebsten mit sich selbst beschäftigen. Debatten, in denen es nicht um ihr eigenes [[Schicksal]] geht, finden bisher meist ohne sie statt. Nicht nur bei Botho Strauß, Peter Handke oder Daniel Goldhagen hielten sie sich raus, auch bei Bundeswehreinsätzen, der Asylrechtsänderung oder dem Lauschangriff. Ihre Themen heißen PDS, Altschulden, ABM oder Stasi. Ostpolitiker und Ostautoren begnügen sich weitgehend damit, immer nur in Ostangelegenheiten aktiv zu werden. Und es sieht nicht so aus, als ob sich daran viel ändern wird. Danach befragt, was in zehn Jahren sein wird, wünschen sich 60 Prozent der Ostdeutschen mehr Eigenständigkeit in Wirtschaft und Politik.“
  
 Eine [[Interpretation]] dieser [[Aussage]] in bezug auf die Rezeption heißt, daß der Kernpunkt für das Leseverhalten und den Konsum von Kunst der Ostdeutschen nach wie vor in der eigenen Betroffenheit liegt. Ein deutscher Gegenwartsautor, der nicht aus den eigenen Reihen stammt, und keinen Zustandsbericht Ostdeutschlands abliefert, hat zur Zeit also keine Chance beim ostdeutschen Leser. Der ostdeutsche Leser erwartet weiterhin Zustandsberichte seiner Befindlichkeit. \\ Eine [[Interpretation]] dieser [[Aussage]] in bezug auf die Rezeption heißt, daß der Kernpunkt für das Leseverhalten und den Konsum von Kunst der Ostdeutschen nach wie vor in der eigenen Betroffenheit liegt. Ein deutscher Gegenwartsautor, der nicht aus den eigenen Reihen stammt, und keinen Zustandsbericht Ostdeutschlands abliefert, hat zur Zeit also keine Chance beim ostdeutschen Leser. Der ostdeutsche Leser erwartet weiterhin Zustandsberichte seiner Befindlichkeit. \\
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 Strauß nennt im zweiten Abschnitt seiner Betrachtung die theoretischen Begründer der neuen Spielweisen und Darstellungsformen: Antonin Artaud, Julian Beck und Jerzy Grotowski, „Lehrern also, deren Theorien nicht eben auf politische Nutzanwendung reflektieren; von Brechts Theater nur noch Spuren [].“\\ Strauß nennt im zweiten Abschnitt seiner Betrachtung die theoretischen Begründer der neuen Spielweisen und Darstellungsformen: Antonin Artaud, Julian Beck und Jerzy Grotowski, „Lehrern also, deren Theorien nicht eben auf politische Nutzanwendung reflektieren; von Brechts Theater nur noch Spuren [].“\\
 Strauß bricht eine [[Lanze]] für Brecht, also für agitierendes und konsequent marxistisches Theater. Theater soll wirken, „[] wenn nötig in [[Exzeß]] und Terror, um den Kampf des ,nackten‘ Menschen gegen eine barbarisch ihn verstümmelnde Technokratie zu repräsentieren.“\\ Strauß bricht eine [[Lanze]] für Brecht, also für agitierendes und konsequent marxistisches Theater. Theater soll wirken, „[] wenn nötig in [[Exzeß]] und Terror, um den Kampf des ,nackten‘ Menschen gegen eine barbarisch ihn verstümmelnde Technokratie zu repräsentieren.“\\
-In der Simplifizierung aufs Theatralische ohne Klassenstandpunkt findet Strauß hier quasi ein Feindbild, sprachlich fixiert durch das in den Augen Strauß' gutes engagiertes Theater minder graduierende Partikel NUR und die dieses NUR erklärenden Passagen, die angeführt sind. Das NUR NOCH bezieht sich auf die [[Nomen]] BRECHTS THEATER und ist kritisch gegenüber den oben genannten Theoretikern gemeint, denn offensichtlich setzt Strauß linkes Theater und Brechtsches Theater als [[Synonym]]e, zumindest als notwendig miteinander verbundene ästhetische [[Prinzip]]ien. Hatte er im ersten Abschnitt noch das allen gemeinsame „linke Engagement“ attestiert, wonach zwangsläufig realistische und realitätsdokumentierende Theateraura zu folgern wären, so bescheinigt er der Engagierten Engagement lediglich als Folgerung aus den „Versäumnissen [] des bürgerlichen Theaterbetriebes“, womit der marxistische Standpunkt der Theoretiker wenigstens angezweifelt werden darf, denn sich gegen etwas zu artikulieren, heißt noch lange nicht, auch für das [[Gegenteil]] des bürgerlichen Theaterbetriebes zu sein, also marxistische, Brechtsche Theatralik aufs Theater bringen zu wollen.\\+In der Simplifizierung aufs Theatralische ohne Klassenstandpunkt findet Strauß hier quasi ein Feindbild, sprachlich fixiert durch das in den Augen Strauß' gutes engagiertes Theater minder graduierende Partikel NUR und die dieses NUR erklärenden Passagen, die angeführt sind. Das NUR NOCH bezieht sich auf die [[Nomen]] BRECHTS THEATER und ist kritisch gegenüber den oben genannten Theoretikern gemeint, denn offensichtlich setzt Strauß linkes Theater und Brechtsches Theater als [[synonymie|Synonyme]], zumindest als notwendig miteinander verbundene ästhetische Prinzipien. Hatte er im ersten Abschnitt noch das allen gemeinsame „linke Engagement“ attestiert, wonach zwangsläufig realistische und realitätsdokumentierende Theateraura zu folgern wären, so bescheinigt er der Engagierten Engagement lediglich als Folgerung aus den „Versäumnissen [] des bürgerlichen Theaterbetriebes“, womit der marxistische Standpunkt der Theoretiker wenigstens angezweifelt werden darf, denn sich gegen etwas zu artikulieren, heißt noch lange nicht, auch für das [[Gegenteil]] des bürgerlichen Theaterbetriebes zu sein, also marxistische, Brechtsche Theatralik aufs Theater bringen zu wollen.\\
 Unter diesem Blickwinkel betrachtet Strauß nunmehr die Aufführungen in Nancy und Frankfurt am Main. Am Anfang steht Lob. Strauß sieht die [[Legitimität]], „hemmungslos einmal neun Tage lang anzuhäufen, was an spielenden Truppen aus der ganzen Welt herbeizuschaffen war, ausgewählt nicht nach vorgefaßten Qualitätsstandpunkten und ohne politische Animositäten.“\\ Unter diesem Blickwinkel betrachtet Strauß nunmehr die Aufführungen in Nancy und Frankfurt am Main. Am Anfang steht Lob. Strauß sieht die [[Legitimität]], „hemmungslos einmal neun Tage lang anzuhäufen, was an spielenden Truppen aus der ganzen Welt herbeizuschaffen war, ausgewählt nicht nach vorgefaßten Qualitätsstandpunkten und ohne politische Animositäten.“\\
 Strauß begrüßt die „Auferstehung des Theaters“ nach dem Tod desselben vom Mai 68 und spöttelt über die „von Drogen beförderten Revolution des einzelnen“, zweifelt, bevor er die [[Ästhetik]] Artauds überhaupt vorstellt, die Möglichkeit an, „mit Artaudschen Mitteln auf dem Theater marxistische Probleme zu lösen“, was wieder ein Indiz dafür sein sollte, daß Strauß v.a. diese [[Weltanschauung]] als anschauendes Ingredienz des fortschrittlichen, engagierten Theatermannes betrachtet, warum sollte er sonst Artaud gegen marxistische Probleme thematisieren?\\ Strauß begrüßt die „Auferstehung des Theaters“ nach dem Tod desselben vom Mai 68 und spöttelt über die „von Drogen beförderten Revolution des einzelnen“, zweifelt, bevor er die [[Ästhetik]] Artauds überhaupt vorstellt, die Möglichkeit an, „mit Artaudschen Mitteln auf dem Theater marxistische Probleme zu lösen“, was wieder ein Indiz dafür sein sollte, daß Strauß v.a. diese [[Weltanschauung]] als anschauendes Ingredienz des fortschrittlichen, engagierten Theatermannes betrachtet, warum sollte er sonst Artaud gegen marxistische Probleme thematisieren?\\
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 Strauß stellt abschließend lapidar fest, daß die Aufführung des „Trêteaux Libres de Genève“ eine mehr „auf Publikumsaktivierung gezielte Version der Living Theater-Art bot“, womit die Bewertung unter oben stehender [[Überschrift]] zumindest die Neuartigkeit des Konzepts anzweifeln läßt. \\ Strauß stellt abschließend lapidar fest, daß die Aufführung des „Trêteaux Libres de Genève“ eine mehr „auf Publikumsaktivierung gezielte Version der Living Theater-Art bot“, womit die Bewertung unter oben stehender [[Überschrift]] zumindest die Neuartigkeit des Konzepts anzweifeln läßt. \\
 Französische Strukturalisten werden Strauß nachhaltig beeinflussen. Ihr beispielgebendes Rückbesinnen auf [[antike]] Stoffe, „das ,Archivierte‘, wie [[Foucault]] alles, was im menschlichen Denken und [[Wissen]] aufbewahrt ist, einmal bezeichnete“ wird von Strauß im Essay aufgrund des nötigen tieferen Auseinandersetzens mit der Kunst herausgehoben. „Statt der [[Psychologie]] und der oberflächigen [[Soziologie]] der Figuren und ihrem Kontext sind wir mehr und mehr dazu geneigt, auf dem Theater die Ideologien und [[Mythen]] der Stücke zu entziffern (Hervorhebung vom Verf.).“\\  Französische Strukturalisten werden Strauß nachhaltig beeinflussen. Ihr beispielgebendes Rückbesinnen auf [[antike]] Stoffe, „das ,Archivierte‘, wie [[Foucault]] alles, was im menschlichen Denken und [[Wissen]] aufbewahrt ist, einmal bezeichnete“ wird von Strauß im Essay aufgrund des nötigen tieferen Auseinandersetzens mit der Kunst herausgehoben. „Statt der [[Psychologie]] und der oberflächigen [[Soziologie]] der Figuren und ihrem Kontext sind wir mehr und mehr dazu geneigt, auf dem Theater die Ideologien und [[Mythen]] der Stücke zu entziffern (Hervorhebung vom Verf.).“\\ 
-Botho Strauß' „Versuch, politische und ästhetische Ereignisse zusammenzudenken“, der an dieser Stelle nur skizzenhaft nachgezeichnet werden soll, beginnt, wie schon seine erste Abhandlung, mit einer Eingangsthese, die sich gegen das [[Selbstverständnis]] vieler linksgerichteter 68er orientiert. Er behauptet, daß die „bürgerliche Oper, das Theater“, nur „totemhafter Beschwörung“ nach tot sei, nicht jedoch realistischen Erfahrungen gemäß. Strauß' Begründung fällt ins Dialektische: Indem der bürgerliche Kunstbetrieb immer neue Produkte hervorbringt, erhärtet sich der Verdacht, daß er dies auch weiterhin tun wird, mitnichten zum Ende gebracht sei. Die Kunst wird demnach von ihm als Ausdruck gesellschaftlicher [[Vielfalt]] und Spannungen betrachtet. Kunst - nach marxistischen Vorstellungen im Oberbau als Ausdruck der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse Hilfsmittel zur Erhaltung der Machtverhältnisse des/der die Produktionsmittel Besitzenden - wird generiert durch den Unterbau der Machtverhältnisse. Halten wir also fest, daß Strauß das marxistische Schema des Verhältnisses von Kunst und politischen Machtverhältnissen im Auge behält!\\+Botho Strauß' „Versuch, politische und ästhetische Ereignisse zusammenzudenken“, der an dieser Stelle nur skizzenhaft nachgezeichnet werden soll, beginnt, wie schon seine erste Abhandlung, mit einer Eingangsthese, die sich gegen das [[Selbstverständnis]] vieler linksgerichteter 68er orientiert. Er behauptet, daß die „bürgerliche Oper, das Theater“, nur „totemhafter Beschwörung“ nach tot sei, nicht jedoch realistischen Erfahrungen gemäß. Strauß' Begründung fällt ins Dialektische: Indem der bürgerliche Kunstbetrieb immer neue Produkte hervorbringt, erhärtet sich der Verdacht, daß er dies auch weiterhin tun wird, mitnichten zum Ende gebracht sei. Die Kunst wird demnach von ihm als Ausdruck gesellschaftlicher [[Vielfalt]] und Spannungen betrachtet. Kunst - nach marxistischen Vorstellungen im Oberbau als Ausdruck der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse Hilfsmittel zur Erhaltung der Machtverhältnisse des die Produktionsmittel Besitzenden - wird generiert durch den Unterbau der Machtverhältnisse. Halten wir also fest, daß Strauß das marxistische Schema des Verhältnisses von Kunst und politischen Machtverhältnissen im Auge behält!\\
 Strauß allerdings löst die Verbindung zwischen politischem und ästhetischem Denken schon in der Eingangsthese auf, denn Adornos Gedanke vom Tod der [[Oper]] - zweifellos ein ästhetischer Gedanke - wird mit den Erfordernissen des Tages „wieder aktualisiert“, wobei Strauß diese Modernisierung zugleich mythologisiert, also an ein Vorvoriges zurückbindet und erstaunt feststellt, daß man ein „ästhetisches Material zurückgewinnt“; eine Rückgewinnung, die ästhetisch innoviert, mithin also moderne, in die Zukunft weisende, Züge aufweist. Strauß reflektiert auf einerseits den genannten Adorno und andererseits auf den nur mit dessen wichtigen Terminus [[EREIGNIS]] angezeigten Widerpart [[Heidegger]]. (Adorno hatte Heidegger vorgeworfen, er wolle mit seinem Seins-Begriff in ein vortechnisches [[Zeitalter]] zurück.) Als Ereignis bezeichnete Heidegger die erste gegründete [[Wahrheit]] des Seins.\\ Strauß allerdings löst die Verbindung zwischen politischem und ästhetischem Denken schon in der Eingangsthese auf, denn Adornos Gedanke vom Tod der [[Oper]] - zweifellos ein ästhetischer Gedanke - wird mit den Erfordernissen des Tages „wieder aktualisiert“, wobei Strauß diese Modernisierung zugleich mythologisiert, also an ein Vorvoriges zurückbindet und erstaunt feststellt, daß man ein „ästhetisches Material zurückgewinnt“; eine Rückgewinnung, die ästhetisch innoviert, mithin also moderne, in die Zukunft weisende, Züge aufweist. Strauß reflektiert auf einerseits den genannten Adorno und andererseits auf den nur mit dessen wichtigen Terminus [[EREIGNIS]] angezeigten Widerpart [[Heidegger]]. (Adorno hatte Heidegger vorgeworfen, er wolle mit seinem Seins-Begriff in ein vortechnisches [[Zeitalter]] zurück.) Als Ereignis bezeichnete Heidegger die erste gegründete [[Wahrheit]] des Seins.\\
 Das entscheidend Neue sind die Weisen, als //terminus technicus// und angezeigt anhand eines Beispiels (des Musikfilms „Eikakatappa“ von Schroeter), worin die Transparenz des aufgefundenen längst, sogar unlängst, bekannten Materials gefördert werden soll; diese sind es, die Strauß' Kritik bewirken. Er bezeichnet die gehäufte Anwendung diverser Weisen als „dekorative Verkünstlichungen“, woran zu kratzen sich lohne, denn so würden „fundamentale wesentliche Strukturen wiederbelebt“, weswegen er die eigentliche Methode, zum Sichereignen zu gelangen, auch eine archäologische nennt. Damit ist die [[Absicht]] Strauß' klar zu umreißen: Die Kunst, Schichten über das Eigentliche zu legen, ereignet sich unter der Oberfläche, die vom Rezipienten (dem Genießer) freizulegen sind (siehe letzte Seite: „entziffern“), wobei Ästhetik und Politik in der Kunst eine zuweilen ganz „unverbundene Form“ des Miteinander eingehen. In diesen [[Wirkungszusammenhang]] ganz unterschiedlicher Formen gehören nach Strauß nicht die Absichten, die darauf drängen, alles zu vereinheitlichen, also einen [[Diskurs]] durchzusetzen, der zur Verminderung führte, sondern, um mit Foucault zu sprechen, nur diejenigen, die zu einem Vergleich führen, demnach das Vielfältige existieren lassen. Die [[Archäologie]] als Ur-Heberin des längst Vergangenen erstrebe mit der „vergleichenden [[Analyse]] jene Unterschiedlichkeit in eben jene unterschiedliche Denk- und Redefiguren!“\\ Das entscheidend Neue sind die Weisen, als //terminus technicus// und angezeigt anhand eines Beispiels (des Musikfilms „Eikakatappa“ von Schroeter), worin die Transparenz des aufgefundenen längst, sogar unlängst, bekannten Materials gefördert werden soll; diese sind es, die Strauß' Kritik bewirken. Er bezeichnet die gehäufte Anwendung diverser Weisen als „dekorative Verkünstlichungen“, woran zu kratzen sich lohne, denn so würden „fundamentale wesentliche Strukturen wiederbelebt“, weswegen er die eigentliche Methode, zum Sichereignen zu gelangen, auch eine archäologische nennt. Damit ist die [[Absicht]] Strauß' klar zu umreißen: Die Kunst, Schichten über das Eigentliche zu legen, ereignet sich unter der Oberfläche, die vom Rezipienten (dem Genießer) freizulegen sind (siehe letzte Seite: „entziffern“), wobei Ästhetik und Politik in der Kunst eine zuweilen ganz „unverbundene Form“ des Miteinander eingehen. In diesen [[Wirkungszusammenhang]] ganz unterschiedlicher Formen gehören nach Strauß nicht die Absichten, die darauf drängen, alles zu vereinheitlichen, also einen [[Diskurs]] durchzusetzen, der zur Verminderung führte, sondern, um mit Foucault zu sprechen, nur diejenigen, die zu einem Vergleich führen, demnach das Vielfältige existieren lassen. Die [[Archäologie]] als Ur-Heberin des längst Vergangenen erstrebe mit der „vergleichenden [[Analyse]] jene Unterschiedlichkeit in eben jene unterschiedliche Denk- und Redefiguren!“\\
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 Adorno ist für ihn einer der wichtigsten Philosophen, „sonst vor allem Franzosen: Cioran und Valéry (bis auf dessen  Versepik)... Eigentlich wollte er Schauspieler werden. Er hat auch als Student auf Laienbühnen gespielt. Dann las er Adorno - und alles wurde ihm suspekt. Die Lektüre lähmte ihm die Glieder.“ (Volker Hage: Schreiben ist eine Séance. Begegnungen mit Botho Strauß. In: Strauß lesen. Michael Radix (Hrsg.), München - [[Wien]] 1987.)\\ Adorno ist für ihn einer der wichtigsten Philosophen, „sonst vor allem Franzosen: Cioran und Valéry (bis auf dessen  Versepik)... Eigentlich wollte er Schauspieler werden. Er hat auch als Student auf Laienbühnen gespielt. Dann las er Adorno - und alles wurde ihm suspekt. Die Lektüre lähmte ihm die Glieder.“ (Volker Hage: Schreiben ist eine Séance. Begegnungen mit Botho Strauß. In: Strauß lesen. Michael Radix (Hrsg.), München - [[Wien]] 1987.)\\
 In seiner Rede zum erhaltenen Büchner - Preis 1989 heißt es u.a.: Strauß' (allgemein des Dichters) Volk „erstreckt sich von [[Dante]] bis Doderer, von [[Mörike]] bis Montale, von Valéry zurück zu [[Hamann]] und zu [[Seneca]] - ein zählbares [[Volk]] gewiß, nicht beliebig viele, ein kleiner Bergstamm, Strahler und Kristallsucher über die Zeiten und Länder hin“.\\   In seiner Rede zum erhaltenen Büchner - Preis 1989 heißt es u.a.: Strauß' (allgemein des Dichters) Volk „erstreckt sich von [[Dante]] bis Doderer, von [[Mörike]] bis Montale, von Valéry zurück zu [[Hamann]] und zu [[Seneca]] - ein zählbares [[Volk]] gewiß, nicht beliebig viele, ein kleiner Bergstamm, Strahler und Kristallsucher über die Zeiten und Länder hin“.\\  
-Er kennt die Werke [[Benjamin]]s, Marx’, [[Darwin]]s und die Konzepte der Konstruktivsten. Von Blochs „Prinzip Hoffnung“ sagt er: „Das Buch habe ich gelesen wie meine Bibel.“ Auch in der Prosa nennt und zitiert er sie, die Philosophen, die er rezipierte: zum Beispiel Heidegger oder Lukács. Er reflektiert: „Wir möchten in ihnen heute nichts als die Leidensgrößen denken: [[Kleist]], Hölderlin, Nietzsche, Kafka, Celan. Diese sind uns die einzig Authentischen. Die Bürgen unseres kleineren Loses der Fassungslosigkeit. [] Man kann auch Stile und Gesten clonen. Man kann dieser oder jener werden wollen, doch nichts ist zurückzugewinnen.“\\+Er kennt die Werke [[Benjamin]]s, Marx’, [[Darwin]]s und die Konzepte der Konstruktivsten. Von Blochs „Prinzip Hoffnung“ sagt er: „Das Buch habe ich gelesen wie meine Bibel.“ Auch in der Prosa nennt und zitiert er sie, die Philosophen, die er rezipierte: zum Beispiel Heidegger oder Lukács. Er reflektiert: „Wir möchten in ihnen heute nichts als die Leidensgrößen denken: [[Kleist]], Hölderlin, Nietzsche, Kafka, Celan. Diese sind uns die einzig Authentischen. Die Bürgen unseres kleineren Loses der Fassungslosigkeit. [] Man kann auch Stile und [[geste|Gesten]] clonen. Man kann dieser oder jener werden wollen, doch nichts ist zurückzugewinnen.“\\
 Es wird deutlich: Strauß will nicht clonen; Strauß geht rückwärtsgewandt vorwärts. In der Kritik dazu heißt es aber: „Das Œuvre von Botho Strauß ist durch zwei komplementäre Verhaltensweisen charakterisiert, mit Wissen (im soziologischen Sinne) umzugehen. Die eine besteht in der Übernahme neuen Wissens, die andere im bewußten Festhalten an altem, überholten Wissen, also im Ignorieren.“ (Lutz Hagestedt: Literatur als [[Erkenntnis]]? In: Weimarer Beiträge 40 (1992), S. 278.) Strauß ist kein Eklektiker und auch kein Ignorant. In seinem neueren Band „Beginnlosigkeit. Reflexionen über Fleck und Linie“ von 1992 setzt er sich mit [[Chaos]]forschung in Verbindung mit Politik auseinander. Strauß versucht nicht nur ästhetische und politische Dinge philosophisch-literarisch zusammenzudenken; wenn alte philosophische Erklärungsmuster nicht ausreichen, sucht er in allen Naturwissenschaften nach Wahrheit: „Alle Welt spielt auf Zeitgewinn, ich aber verliere sie. [] Die Ereignisse kommen nicht, schrieb der Physiker Eddington, sie sind da, und wir begegnen ihnen auf unserem Weg. Das Stattfinden ist nur eine äußerliche Formalität. Der Unfall, der Lottogewinn, der Liebesbetrug, sie alle sind schon da. Sie warten nur darauf, daß wir ihnen zustoßen. / Unterdessen hat der strebsame [[Evolution]]sgedanke auch den stillen Geist der Physik aufgestört, und der allesdurchbohrende Zeit-Pfeil hat ihn getroffen. Die neuere Physik entzog unserem Traum von der Welt den letzten Gehalt an Statik und Symmetrie. Nun können wir nur noch Werden denken. Diese Welt also ist von Alpha bis [[Omega]], durch Leben und Unbelebtes an die Unumkehrbarkeit allen Geschehens gefesselt, an das Nicht-Gleichgewicht, an die Dynamik von Unordnung und verschwenderischer Struktur. Sie hat offenbar für ein Sein keinen Platz. Nur der sich selbst bewußte Menschen-Geist, um seiner angeborenen Verzweiflung Herr zu werden, bedurfte der jahrtausendewährenden ‚Lebenslüge‘ und - von [[Plato]]ns Ideen bis zur Quantenmechanik - immer neue Trostbeweise, daß etwas universal und zeitlos gültig ist.“ (B. Strauß: Der junge Mann, Berlin-Weimar 1987, S. 13.)\\ Es wird deutlich: Strauß will nicht clonen; Strauß geht rückwärtsgewandt vorwärts. In der Kritik dazu heißt es aber: „Das Œuvre von Botho Strauß ist durch zwei komplementäre Verhaltensweisen charakterisiert, mit Wissen (im soziologischen Sinne) umzugehen. Die eine besteht in der Übernahme neuen Wissens, die andere im bewußten Festhalten an altem, überholten Wissen, also im Ignorieren.“ (Lutz Hagestedt: Literatur als [[Erkenntnis]]? In: Weimarer Beiträge 40 (1992), S. 278.) Strauß ist kein Eklektiker und auch kein Ignorant. In seinem neueren Band „Beginnlosigkeit. Reflexionen über Fleck und Linie“ von 1992 setzt er sich mit [[Chaos]]forschung in Verbindung mit Politik auseinander. Strauß versucht nicht nur ästhetische und politische Dinge philosophisch-literarisch zusammenzudenken; wenn alte philosophische Erklärungsmuster nicht ausreichen, sucht er in allen Naturwissenschaften nach Wahrheit: „Alle Welt spielt auf Zeitgewinn, ich aber verliere sie. [] Die Ereignisse kommen nicht, schrieb der Physiker Eddington, sie sind da, und wir begegnen ihnen auf unserem Weg. Das Stattfinden ist nur eine äußerliche Formalität. Der Unfall, der Lottogewinn, der Liebesbetrug, sie alle sind schon da. Sie warten nur darauf, daß wir ihnen zustoßen. / Unterdessen hat der strebsame [[Evolution]]sgedanke auch den stillen Geist der Physik aufgestört, und der allesdurchbohrende Zeit-Pfeil hat ihn getroffen. Die neuere Physik entzog unserem Traum von der Welt den letzten Gehalt an Statik und Symmetrie. Nun können wir nur noch Werden denken. Diese Welt also ist von Alpha bis [[Omega]], durch Leben und Unbelebtes an die Unumkehrbarkeit allen Geschehens gefesselt, an das Nicht-Gleichgewicht, an die Dynamik von Unordnung und verschwenderischer Struktur. Sie hat offenbar für ein Sein keinen Platz. Nur der sich selbst bewußte Menschen-Geist, um seiner angeborenen Verzweiflung Herr zu werden, bedurfte der jahrtausendewährenden ‚Lebenslüge‘ und - von [[Plato]]ns Ideen bis zur Quantenmechanik - immer neue Trostbeweise, daß etwas universal und zeitlos gültig ist.“ (B. Strauß: Der junge Mann, Berlin-Weimar 1987, S. 13.)\\
 Auch der Begründer der Monadentheorie, Giordano [[Bruno]], wird prophetisch etwas später zitiert; der Inhalt dieses Zitats steht für das Rückbesinnende bei Strauß: ,„Es sind abgehauene Wurzeln, die von neuem ausschlagen, alte Sachen, die wiederkehren, verkannte Wahrheiten, die sich wieder zur Geltung bringen, es ist ein neues [[Licht]], das nach langer [[Nacht]] am [[Horizont]] unserer Erkenntnis wieder aufgeht und sich allmählich der Mittagshöhe nähert.‘ Giordano Bruno, Vom unendlichen All und den Welten, Fünfter Dialog.“\\ Auch der Begründer der Monadentheorie, Giordano [[Bruno]], wird prophetisch etwas später zitiert; der Inhalt dieses Zitats steht für das Rückbesinnende bei Strauß: ,„Es sind abgehauene Wurzeln, die von neuem ausschlagen, alte Sachen, die wiederkehren, verkannte Wahrheiten, die sich wieder zur Geltung bringen, es ist ein neues [[Licht]], das nach langer [[Nacht]] am [[Horizont]] unserer Erkenntnis wieder aufgeht und sich allmählich der Mittagshöhe nähert.‘ Giordano Bruno, Vom unendlichen All und den Welten, Fünfter Dialog.“\\
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 Der ichbesessene und neurotisch angstbestimmte moderne [[Mensch]], um den es in „Die Hypochonder“ geht, erstmalig seit geraumer Zeit in deutscher Literatur wieder eingeführt, war für das Publikum und die Kritik gleichermaßen gewöhnungsbedürftig. Mit diesem Stück führte Strauß sein Thema ein: Innenwelt und Entfremdung. Beide Inszenierungen kamen zusammen auf 49 Vorstellungen mit 14.000 Zuschauern.\\ Der ichbesessene und neurotisch angstbestimmte moderne [[Mensch]], um den es in „Die Hypochonder“ geht, erstmalig seit geraumer Zeit in deutscher Literatur wieder eingeführt, war für das Publikum und die Kritik gleichermaßen gewöhnungsbedürftig. Mit diesem Stück führte Strauß sein Thema ein: Innenwelt und Entfremdung. Beide Inszenierungen kamen zusammen auf 49 Vorstellungen mit 14.000 Zuschauern.\\
 In //Die Zeit// wird Strauß schon im ersten Satz gelobt: „Wo er hinlangt, wächst [[Gras]].“ Diese zwei Erzählungen Strauß', „vibrierend vor einer aus Erkenntnissen der [[Psychoanalyse]], den Traumerzählungen der Schwarzen Romantik, den Erfindungen des Surrealismus [] stammen aus dem literarischen Umfeld der Hypochonder.“ Erstmalig wird auf das verwiesen, was erst später als „Neue Subjektivität“ in die Terminologie der Literaturwissenschaft Eingang finden sollte: „Zu entdecken ist [] ein Erzähler, der für Empfindungen der Liebe Bilder einer Eindringlichkeit findet, wie sie in zeitgenössischer Literatur ungewöhnlich sind [].“\\ In //Die Zeit// wird Strauß schon im ersten Satz gelobt: „Wo er hinlangt, wächst [[Gras]].“ Diese zwei Erzählungen Strauß', „vibrierend vor einer aus Erkenntnissen der [[Psychoanalyse]], den Traumerzählungen der Schwarzen Romantik, den Erfindungen des Surrealismus [] stammen aus dem literarischen Umfeld der Hypochonder.“ Erstmalig wird auf das verwiesen, was erst später als „Neue Subjektivität“ in die Terminologie der Literaturwissenschaft Eingang finden sollte: „Zu entdecken ist [] ein Erzähler, der für Empfindungen der Liebe Bilder einer Eindringlichkeit findet, wie sie in zeitgenössischer Literatur ungewöhnlich sind [].“\\
-Im Juli 1975 wird Strauß im //Merkur//, der Kulturzeitschrift des renommierten Klettverlags, „als Erzähler“ vorgestellt. Dort gibt es für seine bisherigen zwei Theaterstücke mäßigen Tadel: „Er (verschlüsselt) die gesellschaftliche Realität so rigoros, daß es schon eines beträchtlichen Wohlwollens bedarf, um sie darin [in seinen Stücken, Anm. d. Verf.] überhaupt noch als solche wahrzunehmen.“ Blöcker geht auch auf seine Essays „ANSCHAUUNG“ und „Versuch“ ein (ohne sie explizit zu nennen), und wirft Strauß vor, das von ihm „polemisierte“ „erträgliche Gleichgewicht“ von politischer Aufklärung und ästhetischer Wirklichkeit, das Strauß in seinen Essays von der Bühne fordert, nun selbst „in Gefahr“ zu bringen- von der ästhetischen Seite her. Strauß' bisheriges Hauptthema wird an dieser Stelle in der Literatur erstmalig benannt: „Es heißt: Krise der Identität“. Eine politische Position für Strauß wird in diesem Aufsatz auch gefunden: Strauß reproduziert mit „Marlenes Schwester“ „ein Stück [[Tristan]]-Romantik, das nur schwer mit dem in Einklang zu bringen ist, was man aus den Experimentiertstuben engagierter Linker gemeinhin zu [[hören]] bekommt.“ Für den [[Stil]] seiner zwei Erzählungen gibt es viel Lob, es wird ihm eine „pointillistische“ und „aperçuhafte“ [[Erzählweise]] attestiert.+Im Juli 1975 wird Strauß im //Merkur//, der Kulturzeitschrift des renommierten Klettverlags, „als Erzähler“ vorgestellt. Dort gibt es für seine bisherigen zwei Theaterstücke mäßigen [[Tadel]]: „Er (verschlüsselt) die gesellschaftliche Realität so rigoros, daß es schon eines beträchtlichen Wohlwollens bedarf, um sie darin [in seinen Stücken, Anm. d. Verf.] überhaupt noch als solche wahrzunehmen.“ Blöcker geht auch auf seine Essays „ANSCHAUUNG“ und „Versuch“ ein (ohne sie explizit zu nennen), und wirft Strauß vor, das von ihm „polemisierte“ „erträgliche Gleichgewicht“ von politischer Aufklärung und ästhetischer Wirklichkeit, das Strauß in seinen Essays von der Bühne fordert, nun selbst „in Gefahr“ zu bringen- von der ästhetischen Seite her. Strauß' bisheriges Hauptthema wird an dieser Stelle in der Literatur erstmalig benannt: „Es heißt: Krise der Identität“. Eine politische Position für Strauß wird in diesem Aufsatz auch gefunden: Strauß reproduziert mit „Marlenes Schwester“ „ein Stück [[Tristan]]-Romantik, das nur schwer mit dem in Einklang zu bringen ist, was man aus den Experimentiertstuben engagierter Linker gemeinhin zu [[hören]] bekommt.“ Für den [[Stil]] seiner zwei Erzählungen gibt es viel Lob, es wird ihm eine „pointillistische“ und „aperçuhafte“ [[Erzählweise]] attestiert.
  
 //Theater heute// druckte im Jahressonderheft 1974 vorab das Stück ab und verlieh ihm zusammen mit dem Hannoverschen Künstlerverein den Hannoverschen Dramatikerpreis. Uraufführung des als [[Komödie]] bezeichneten Stückes war am 02.09.1975 in Stuttgart. Auch hier überwiegen Verrisse für Stück und Autor. Es gab, so Georg Hensel in der FAZ, „Gelächter und gelangweilte Gesichter, Beifall und Buh“. Desgleichen wird Strauß' bisherige Arbeit vorgestellt und er selbst gelobt: „Daß Botho Strauß ein unendlich feinfühliger Mensch ist, haben die //Theater heute//-Leser von 1967 bis 1970 seinen Kritiken entnehmen können. [] Ohne Strauß wäre die Schaubühne nicht das, was sie ist.“ Strauß wird von Hensel als „neuer [[Romantiker]], wenn auch ein schwarzer“, dessen „Mythologie tief im Privaten (steckt) und nach verwandten Seelen (ruft)“ bezeichnet. //Theater heute// druckte im Jahressonderheft 1974 vorab das Stück ab und verlieh ihm zusammen mit dem Hannoverschen Künstlerverein den Hannoverschen Dramatikerpreis. Uraufführung des als [[Komödie]] bezeichneten Stückes war am 02.09.1975 in Stuttgart. Auch hier überwiegen Verrisse für Stück und Autor. Es gab, so Georg Hensel in der FAZ, „Gelächter und gelangweilte Gesichter, Beifall und Buh“. Desgleichen wird Strauß' bisherige Arbeit vorgestellt und er selbst gelobt: „Daß Botho Strauß ein unendlich feinfühliger Mensch ist, haben die //Theater heute//-Leser von 1967 bis 1970 seinen Kritiken entnehmen können. [] Ohne Strauß wäre die Schaubühne nicht das, was sie ist.“ Strauß wird von Hensel als „neuer [[Romantiker]], wenn auch ein schwarzer“, dessen „Mythologie tief im Privaten (steckt) und nach verwandten Seelen (ruft)“ bezeichnet.
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 Die Autorin kommt zu einer Schlußfolgerung, die im westdeutschen Feuilleton nicht zu entdecken ist, auch nicht vom „gegen den Strich lesenden“ Schneider: „Der Autor konstatiert ein [[Paradoxon]]: das Rückbesinnen auf die Subjektivität - notwendiger Schritt gegen ihr Auslöschen durch die Gesellschaft - zieht die Zerstörung nach sich.“\\ Die Autorin kommt zu einer Schlußfolgerung, die im westdeutschen Feuilleton nicht zu entdecken ist, auch nicht vom „gegen den Strich lesenden“ Schneider: „Der Autor konstatiert ein [[Paradoxon]]: das Rückbesinnen auf die Subjektivität - notwendiger Schritt gegen ihr Auslöschen durch die Gesellschaft - zieht die Zerstörung nach sich.“\\
-Rezensiert wurde Rumor in der DDR in drei überregionalen Zeitungen: //Neue Zeit// (CDU), //Nationalzeitung// (NDPD) und in der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift des Kulturbundes, //Sonntag//.\\+Rezensiert wurde Rumor in der DDR in drei überregionalen Zeitungen: /weseneue Zeit// (CDU), /wesenationalzeitung// (NDPD) und in der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift des Kulturbundes, //Sonntag//.\\
 Die erste Wortmeldung zu //Rumor// erfolgt erst Ende 1986, obwohl der Aufbau-Verlag die Lizenz, wie dem Einband zu entnehmen, schon Mitte 1985 hatte. Das [[Buch]] kam also erst ein [[Jahr]] später in den Vertrieb.\\ Die erste Wortmeldung zu //Rumor// erfolgt erst Ende 1986, obwohl der Aufbau-Verlag die Lizenz, wie dem Einband zu entnehmen, schon Mitte 1985 hatte. Das [[Buch]] kam also erst ein [[Jahr]] später in den Vertrieb.\\
 Georg Antosch von Neue Zeit stellt in seiner Rezension zuerst Strauß vor: „In seinen Stücken hat [] Botho Strauß ein Psychogramm der bundesdeutschen Gesellschaft in den siebziger Jahren zu zeichnen versucht mit ihren Hypochondrien und Hysterien, ihren Ängsten und auch Sehnsüchten, mit Identitätsverlusten und auch Sehnsüchten und Erkenntniszweifeln [].“ Nach einer kurzen Inhaltsangabe wird bilanziert: „,Rumor‘ ist eine Metapher auf das Befinden des Individuums im Milieu der BRD. [] ,Rumor‘ ist Aussage über die  Deformation der zeitgenössische BRD-Gesellschaft, mit der es keine [[Identifikation]] geben kann []. Dennoch gehen von dem Roman Signalwirkungen aus, die für einen Wandel im Verhältnis zur [[Umwelt]] plädieren.“\\ Georg Antosch von Neue Zeit stellt in seiner Rezension zuerst Strauß vor: „In seinen Stücken hat [] Botho Strauß ein Psychogramm der bundesdeutschen Gesellschaft in den siebziger Jahren zu zeichnen versucht mit ihren Hypochondrien und Hysterien, ihren Ängsten und auch Sehnsüchten, mit Identitätsverlusten und auch Sehnsüchten und Erkenntniszweifeln [].“ Nach einer kurzen Inhaltsangabe wird bilanziert: „,Rumor‘ ist eine Metapher auf das Befinden des Individuums im Milieu der BRD. [] ,Rumor‘ ist Aussage über die  Deformation der zeitgenössische BRD-Gesellschaft, mit der es keine [[Identifikation]] geben kann []. Dennoch gehen von dem Roman Signalwirkungen aus, die für einen Wandel im Verhältnis zur [[Umwelt]] plädieren.“\\
 Strauß wird hier als gesellschaftskritischer Dichter, der für einen Wandel „plädiert“, vorgestellt. Das entspricht in keiner Weise der damaligen  gesamt-westdeutschen Sicht, so vielschichtig sie auch war. Als Beweis dafür, daß Strauß „wandeln“ will, wird eine Passage aus der in der DDR unerhältlichen Widmung zitiert: „,Das Reale erspähen blieb unbefriedigend. Um so größer meine Neugierde, als es einige Jahre hieß: das Reale demaskieren.‘ Und aus Demaskierung erwächst die Alternative tiefer Beunruhigung, Anstand wenigstens durch ,Rumor‘.“\\ Strauß wird hier als gesellschaftskritischer Dichter, der für einen Wandel „plädiert“, vorgestellt. Das entspricht in keiner Weise der damaligen  gesamt-westdeutschen Sicht, so vielschichtig sie auch war. Als Beweis dafür, daß Strauß „wandeln“ will, wird eine Passage aus der in der DDR unerhältlichen Widmung zitiert: „,Das Reale erspähen blieb unbefriedigend. Um so größer meine Neugierde, als es einige Jahre hieß: das Reale demaskieren.‘ Und aus Demaskierung erwächst die Alternative tiefer Beunruhigung, Anstand wenigstens durch ,Rumor‘.“\\
-In der //Nationalzeitung// findet sich eine Rezension von Erich Fetter, der das Buch nur überflogen haben muß, so viele inhaltliche [[Fehler]] sind darin auszumachen. Fetter schreibt nach einer kurzen Vorstellung der Person Strauß: „Als empfindsamer Chronist seiner kapitalistischen Umwelt nimmt der genau Beobachtende zugleich unter der Glitzerfassade der Konsumordnung mannigfache Zeugnisse des Zerfalls wahr. Er vermerkt: Die Zersetzung der bürgerlichen Gesellschaft ist gekoppelt mit dem Verfall der [[Humanität]]. Von solchen Einsichten her übt Botho Strauß Zustandsbeschreibungen mit vielerlei Woher, doch ohne jedes Wohin [bei H. Müller in der BZ heißt es zu ,Groß und klein‘: ,Zustandsbeschreibungen ohne woher und wohin‘.], sofern man an positive Möglichkeiten denkt. [] Ein Menschenuntergang, bestimmt vom Verfall der [[Persönlichkeit]] und mitbewirkt durch menschenfeindliche Bedingtheiten im bundesrepublikanischen Jetzt.“ Die Inhaltsangabe zum Buch in dieser Rezension ist teilweise nicht korrekt: Bekker fragt seinen Ex-Chef nicht nach [[Arbeit]], die Tochter lädt ihren Vater nicht im Hotel ab, und sie ist auch nicht genesend, weil sie zu dem Zeitpunkt noch gar nicht [[krank]] ist. Bekkers Stiefvater hatte auch keine „schlimme SS-Vergangenheit“, über die Bekker nicht „hinwegkommt“, weil der Stiefvater gar nicht in der SS war. Letzterer Punkt wurde von der gesamten Kritik in Ost und West vernachlässigt.\\ +In der /wesenationalzeitung// findet sich eine Rezension von Erich Fetter, der das Buch nur überflogen haben muß, so viele inhaltliche [[Fehler]] sind darin auszumachen. Fetter schreibt nach einer kurzen Vorstellung der Person Strauß: „Als empfindsamer Chronist seiner kapitalistischen Umwelt nimmt der genau Beobachtende zugleich unter der Glitzerfassade der Konsumordnung mannigfache Zeugnisse des Zerfalls wahr. Er vermerkt: Die Zersetzung der bürgerlichen Gesellschaft ist gekoppelt mit dem Verfall der [[Humanität]]. Von solchen Einsichten her übt Botho Strauß Zustandsbeschreibungen mit vielerlei Woher, doch ohne jedes Wohin [bei H. Müller in der BZ heißt es zu ,Groß und klein‘: ,Zustandsbeschreibungen ohne woher und wohin‘.], sofern man an positive Möglichkeiten denkt. [] Ein Menschenuntergang, bestimmt vom Verfall der [[Persönlichkeit]] und mitbewirkt durch menschenfeindliche Bedingtheiten im bundesrepublikanischen Jetzt.“ Die Inhaltsangabe zum Buch in dieser Rezension ist teilweise nicht korrekt: Bekker fragt seinen Ex-Chef nicht nach [[Arbeit]], die Tochter lädt ihren Vater nicht im Hotel ab, und sie ist auch nicht genesend, weil sie zu dem Zeitpunkt noch gar nicht [[krank]] ist. Bekkers Stiefvater hatte auch keine „schlimme SS-Vergangenheit“, über die Bekker nicht „hinwegkommt“, weil der Stiefvater gar nicht in der SS war. Letzterer Punkt wurde von der gesamten Kritik in Ost und West vernachlässigt.\\ 
 „Gleichviel, aufs Ganze gesehen, gleicht der Verfasser einem Seismographen, der den Gefühlstod im [[Labyrinth]] eines falschen [[Leben]]s registriert. Die geschilderte Wirklichkeit nimmt beklemmend alptraumhafte Züge an, wenn hinter dieser [[Geschichte]] einer Verfallenheit die Züge des Verfalls einer Gesellschaft aufblenden, die immer wieder das Falsche als das [[Richtige]] propagiert.“ (Erich Fetter: Ein falsches Leben, Rumor - Kurzroman von Botho Strauß. In: Nationalzeitung, 2.2.1987, S. 7.)\\ „Gleichviel, aufs Ganze gesehen, gleicht der Verfasser einem Seismographen, der den Gefühlstod im [[Labyrinth]] eines falschen [[Leben]]s registriert. Die geschilderte Wirklichkeit nimmt beklemmend alptraumhafte Züge an, wenn hinter dieser [[Geschichte]] einer Verfallenheit die Züge des Verfalls einer Gesellschaft aufblenden, die immer wieder das Falsche als das [[Richtige]] propagiert.“ (Erich Fetter: Ein falsches Leben, Rumor - Kurzroman von Botho Strauß. In: Nationalzeitung, 2.2.1987, S. 7.)\\
 In //Sonntag// wird zuerst die Person Strauß „als einer der sprachmächtigsten Dramatiker und Prosaisten ,Neuer Innerlichkeit‘ in der BRD“ vorgestellt, der wie Peter Handke und Thomas Bernhard „jeglichen politischen Veränderungswillen aufgegeben“ hat. „Strauß' Literatur“, so der Befund, „bewegt sich zwischen stilisierter Hoffnung auf [[Zukunft]] und dem [[Postulat]] unabänderlicher [[Negativität]]“.\\ In //Sonntag// wird zuerst die Person Strauß „als einer der sprachmächtigsten Dramatiker und Prosaisten ,Neuer Innerlichkeit‘ in der BRD“ vorgestellt, der wie Peter Handke und Thomas Bernhard „jeglichen politischen Veränderungswillen aufgegeben“ hat. „Strauß' Literatur“, so der Befund, „bewegt sich zwischen stilisierter Hoffnung auf [[Zukunft]] und dem [[Postulat]] unabänderlicher [[Negativität]]“.\\
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 Strauß' negative Weltsicht wird als negative Gesellschaftssicht interpretiert; die hoffnungslos machende Stimmung in Westdeutschland soll die [[Neugier]] der DDR-Bewohner, die sie auf alle von außen kommenden Informationen hat, befriedigen. Der Rezensent preist im letzten Abschnitt seiner Rezension das Buch mit der selben Attitüde an, die die meisten Leser betreffs neuester ost- und westdeutscher Literatur ohnehin schon haben: als Auskunftsinstrument - und nichts weiter. Strauß' negative Weltsicht wird als negative Gesellschaftssicht interpretiert; die hoffnungslos machende Stimmung in Westdeutschland soll die [[Neugier]] der DDR-Bewohner, die sie auf alle von außen kommenden Informationen hat, befriedigen. Der Rezensent preist im letzten Abschnitt seiner Rezension das Buch mit der selben Attitüde an, die die meisten Leser betreffs neuester ost- und westdeutscher Literatur ohnehin schon haben: als Auskunftsinstrument - und nichts weiter.
  
-Der Prosaband //Paare Passanten// erschien im Herbst 1981 und wurde insgesamt sehr zustimmend aufgenommen. Hellmut Olles in //Neue Deutsche Hefte//: „Die Zustimmung war größer, eindeutiger als bei seinen Erzählungen und bei seinem Roman //Rumor//, uneingeschränkter auch als bei seinen Stücken.“ Das Straußsche Grundthema, das „vereinsamte, beziehungslose [[Individuum]] [] beherrscht nun auch diesen Band.“\\+Der Prosaband //Paare Passanten// erschien im Herbst 1981 und wurde insgesamt sehr zustimmend aufgenommen. Hellmut Olles in /weseneue Deutsche Hefte//: „Die Zustimmung war größer, eindeutiger als bei seinen Erzählungen und bei seinem Roman //Rumor//, uneingeschränkter auch als bei seinen Stücken.“ Das Straußsche Grundthema, das „vereinsamte, beziehungslose [[Individuum]] [] beherrscht nun auch diesen Band.“\\
 In der FAZ wird Strauß in höchsten Tönen gelobt: „er [] ist [] ein Pointillist von hohen [[Gnade]]n.“ Es gibt nur ein paar kritische Worte: „Sieht man von gelegentlichen surrealistischen Einsprengseln ab, von einigen Traumpassagen und parabelähnlichen Etüden, die ein wenig kunstgewerblich geraten, zu den deutlich schwächeren Stücken des Bandes gehören []“, doch sind die „kritische[n] Formeln für den derzeitigen [[Menschheit]]szustand [] in ihrer [[Genauigkeit]] und bitteren Wahrhaftigkeit kaum zu übertreffen.“ Der Kritiker weiter: „Dieses schmale Buch ist in Wahrheit ein Schwergewicht. Botho Strauß ist mit ihm auch als [[Erzähler]] zu einem allerersten Autor geworden. Er verfügt über einen Ton der Reinheit und dringlichen Aufrichtigkeit, der in der gegenwärtigen deutschen Literatur ohne Vergleich ist. Man denkt an Albert [[Camus]], der ja auch sein Bestes mit dem gegeben hat, was man törichterweise ,kleine Prosa‘ nennt. Wir haben uns lange nach einem deutschen Camus gesehnt [] . Hier haben wir ihn.“\\  In der FAZ wird Strauß in höchsten Tönen gelobt: „er [] ist [] ein Pointillist von hohen [[Gnade]]n.“ Es gibt nur ein paar kritische Worte: „Sieht man von gelegentlichen surrealistischen Einsprengseln ab, von einigen Traumpassagen und parabelähnlichen Etüden, die ein wenig kunstgewerblich geraten, zu den deutlich schwächeren Stücken des Bandes gehören []“, doch sind die „kritische[n] Formeln für den derzeitigen [[Menschheit]]szustand [] in ihrer [[Genauigkeit]] und bitteren Wahrhaftigkeit kaum zu übertreffen.“ Der Kritiker weiter: „Dieses schmale Buch ist in Wahrheit ein Schwergewicht. Botho Strauß ist mit ihm auch als [[Erzähler]] zu einem allerersten Autor geworden. Er verfügt über einen Ton der Reinheit und dringlichen Aufrichtigkeit, der in der gegenwärtigen deutschen Literatur ohne Vergleich ist. Man denkt an Albert [[Camus]], der ja auch sein Bestes mit dem gegeben hat, was man törichterweise ,kleine Prosa‘ nennt. Wir haben uns lange nach einem deutschen Camus gesehnt [] . Hier haben wir ihn.“\\ 
-In der //Neuen Zürcher Zeitung// ähnliches: „Liebe und deren Erschöpfung, Verzweiflung, und was sie auslöst - oder eben nicht auszulösen vermag. Der Autor führt damit sein Thema weiter, welches er in früheren Arbeiten - Prosatexten und Theaterstücken - vorgebildet hat.“ „Man hört da eine [[Sprache]], die man in der deutschen Literatur lange vermißt hat.“\\+In der /weseneuen Zürcher Zeitung// ähnliches: „Liebe und deren Erschöpfung, Verzweiflung, und was sie auslöst - oder eben nicht auszulösen vermag. Der Autor führt damit sein Thema weiter, welches er in früheren Arbeiten - Prosatexten und Theaterstücken - vorgebildet hat.“ „Man hört da eine [[Sprache]], die man in der deutschen Literatur lange vermißt hat.“\\
 Joachim Kaiser (//Süddeutsche Zeitung//), der schon //Rumor// über alle Maßen lobte, spricht in seinem zweiseitigen Aufsatz von einem „historischen Datum der deutschen Literatur. [] Elitär, nietzschehaft und keineswegs unberechtigt, stellt Strauß Rangordnungen wieder her, über die man eben noch so schön demokratisch gleichberechtigt hinaus zu sein meinte. Gewitzte Kritiker und Anarcho-Essayisten führen, laut Strauß, heute naßforsch das Wort; das starr Dogmatische der Marxisten erledige sich dabei als Dämliches von selbst.“ Er beendet sein Essay mit der Feststellung, daß „der [[Irrationalismus]] des Botho Strauß [] die Linken ärgern und die Liberal-Konservativen provozieren müßte.“\\   Joachim Kaiser (//Süddeutsche Zeitung//), der schon //Rumor// über alle Maßen lobte, spricht in seinem zweiseitigen Aufsatz von einem „historischen Datum der deutschen Literatur. [] Elitär, nietzschehaft und keineswegs unberechtigt, stellt Strauß Rangordnungen wieder her, über die man eben noch so schön demokratisch gleichberechtigt hinaus zu sein meinte. Gewitzte Kritiker und Anarcho-Essayisten führen, laut Strauß, heute naßforsch das Wort; das starr Dogmatische der Marxisten erledige sich dabei als Dämliches von selbst.“ Er beendet sein Essay mit der Feststellung, daß „der [[Irrationalismus]] des Botho Strauß [] die Linken ärgern und die Liberal-Konservativen provozieren müßte.“\\  
 Eine einzige [[Laudatio]] wiederum von Peter Laemmle, der bei der Gelegenheit in seiner Rezension Strauß' bisheriges Œuvre vorstellt: „Er ist der meistgespielte Gegenwartsdramatiker [[Europa]]s, und selbst mit seinen Prosabänden erzielt er Auflagen, die ihresgleichen suchen. [] Als Autor ist er einer der bekanntesten in Deutschland. Was mich [] am meisten beeindruckt, ist seine [[Intelligenz]].[] Mit grimmiger [[Lust]] greift Strauß wieder sein Lieblingsthema auf: Was geht an menschlichen Kontakten, heute, in einer totalen Konsum- und Wegwerfgesellschaft? Wieviel Menschlichkeit ist überhaupt vorhanden? Es sind Tragikkomödien im kleinen, Szenen aus dem gewöhnlichen Leben.“\\ Eine einzige [[Laudatio]] wiederum von Peter Laemmle, der bei der Gelegenheit in seiner Rezension Strauß' bisheriges Œuvre vorstellt: „Er ist der meistgespielte Gegenwartsdramatiker [[Europa]]s, und selbst mit seinen Prosabänden erzielt er Auflagen, die ihresgleichen suchen. [] Als Autor ist er einer der bekanntesten in Deutschland. Was mich [] am meisten beeindruckt, ist seine [[Intelligenz]].[] Mit grimmiger [[Lust]] greift Strauß wieder sein Lieblingsthema auf: Was geht an menschlichen Kontakten, heute, in einer totalen Konsum- und Wegwerfgesellschaft? Wieviel Menschlichkeit ist überhaupt vorhanden? Es sind Tragikkomödien im kleinen, Szenen aus dem gewöhnlichen Leben.“\\
 Schneider, in seinem Aufsatz in den //Frankfurter Heften//, kann dem Buch inhaltlich nicht viel abgewinnen. Er stellt anfangs fest: „Kein Prosa-Text in jüngerer Zeit ist von den maßgeblichen Feuilletons mit solch ungeteiltem Jubel aufgenommen worden, wie dieser geschickt collagierter Flickenteppich, der - wie uns die Literaturkritiker versicherten -, die komplette Physiognomie unserer Zeit‘ (Lüdke in Frankfurter Rundschau vom 17.10.1981) enthalte.“ Er resümiert: Es ist ein „Kultbuch des liberalen und linksliberalen Feuilletons“ und „zum kulturkritischen Almanach für skeptische Bildungsbürger geworden.“ Schneider war zwischen „Faszination und Verstimmung, Bewunderung und Verärgerung hin und her gerissen, wobei letzterer schließlich überwog. Erstere galt dem subtilen Beobachter, dem kritischen Sittenschilderer und dem virtuosen Sprachartisten Strauß; letzterer dagegen dem kaltblütigen Schlüssellochgucker zeitgenössischen Elends und dem mondänen Kulturphilosophen, der sehr genau weiß, wann er den Kopf einziehen muß, um mit dem herrschenden Zeitgeist [] nicht zu kollidieren.“ Schneider, in seinem Aufsatz in den //Frankfurter Heften//, kann dem Buch inhaltlich nicht viel abgewinnen. Er stellt anfangs fest: „Kein Prosa-Text in jüngerer Zeit ist von den maßgeblichen Feuilletons mit solch ungeteiltem Jubel aufgenommen worden, wie dieser geschickt collagierter Flickenteppich, der - wie uns die Literaturkritiker versicherten -, die komplette Physiognomie unserer Zeit‘ (Lüdke in Frankfurter Rundschau vom 17.10.1981) enthalte.“ Er resümiert: Es ist ein „Kultbuch des liberalen und linksliberalen Feuilletons“ und „zum kulturkritischen Almanach für skeptische Bildungsbürger geworden.“ Schneider war zwischen „Faszination und Verstimmung, Bewunderung und Verärgerung hin und her gerissen, wobei letzterer schließlich überwog. Erstere galt dem subtilen Beobachter, dem kritischen Sittenschilderer und dem virtuosen Sprachartisten Strauß; letzterer dagegen dem kaltblütigen Schlüssellochgucker zeitgenössischen Elends und dem mondänen Kulturphilosophen, der sehr genau weiß, wann er den Kopf einziehen muß, um mit dem herrschenden Zeitgeist [] nicht zu kollidieren.“
-Strauß' Blick ist ein „denunziatorischer“; seine [[Angst]] „wird dort geradezu panisch, wo ihm der eigene [[Trieb]] dazwischen kommt.“ Der Autor, so Schneider, schlüpft bei prekären Beschreibungen „zwecks besserer Tarnung in die Rolle eines Dritten“. Schneider, offensichtlich Marxist, begrüßt die Absage Strauß' an die [[Dialektik]] (der Frankfurter Schule); wenn Strauß sie auch nur „verschämt in Klammern gesetzt“ hat: „[[Heimat]] kommt auf (die doch keine Bleibe war), wenn ich in den ,Minima Moralia‘ wieder lese. Wie gewissenhaft und prunkend gedacht wurde, noch zu meiner Zeit! Es ist, als seien seither mehrere Generationen vergangen. (Ohne Dialektik denken wir auf Anhieb dümmer; aber es muß sein: ohne sie!)“ Schneider erscheint diese Aufkündigung der Dialektik „als ausgesprochen modisch und fahrlässig“, gehört sie doch zum „geistigen Rüstzeug aller [[Emanzipation]]sbewegungen dieses Jahrhunderts.“ Hier nun wird für Schneider deutlich, daß Strauß ohne Dialektik „einem obskurantisch verdunkelten Zeitgeist entgegen[kommt]“ und „früher oder später im ontologisch-mystischen Geraune [landet]“. So lobt er letztlich bloß den Stil: „[] sprachliche Kleinodien, die erst im ,Dämmer‘ des Salons richtig zu funkeln beginnen []. Vor allem geben die Texte des neuen Weisen genügend Rätsel auf. Manche erinnern an die Rätsel der [[Sphinx]], die jeden verschlang, der sie nicht zu lösen wußte.“+Strauß' Blick ist ein „denunziatorischer“; seine [[Angst]] „wird dort geradezu panisch, wo ihm der eigene [[Trieb]] dazwischen kommt.“ Der Autor, so Schneider, schlüpft bei prekären Beschreibungen „zwecks besserer Tarnung in die Rolle eines Dritten“. Schneider, offensichtlich Marxist, begrüßt die Absage Strauß' an die [[Dialektik]] (der Frankfurter Schule); wenn Strauß sie auch nur „verschämt in Klammern gesetzt“ hat: „[[Heimat]] kommt auf (die doch keine Bleibe war), wenn ich in den ,Minima Moralia‘ wieder lese. Wie gewissenhaft und prunkend gedacht wurde, noch zu meiner Zeit! Es ist, als seien seither mehrere Generationen vergangen. (Ohne Dialektik denken wir auf Anhieb dümmer; aber es muß sein: ohne sie!)“ Schneider erscheint diese Aufkündigung der Dialektik „als ausgesprochen modisch und fahrlässig“, gehört sie doch zum „geistigen Rüstzeug aller Emanzipationsbewegungen dieses Jahrhunderts.“ Hier nun wird für Schneider deutlich, daß Strauß ohne Dialektik „einem obskurantisch verdunkelten [[Zeitgeist]] entgegen[kommt]“ und „früher oder später im ontologisch-mystischen Geraune [landet]“. So lobt er letztlich bloß den Stil: „[] sprachliche Kleinodien, die erst im ,Dämmer‘ des Salons richtig zu funkeln beginnen []. Vor allem geben die Texte des neuen Weisen genügend Rätsel auf. Manche erinnern an die Rätsel der [[Sphinx]], die jeden verschlang, der sie nicht zu lösen wußte.“
  
 //Paare Passanten// erschien in der DDR Ende 1989 ohne Nachwort. Insgesamt sind in den Medien nur zwei Wortmeldungen festzustellen. \\ //Paare Passanten// erschien in der DDR Ende 1989 ohne Nachwort. Insgesamt sind in den Medien nur zwei Wortmeldungen festzustellen. \\
 Die erste ist am 26.11.1989 in //Sonntag//. Erneut wird Strauß „zu den bekannten bundesdeutschen Autoren“ gezählt. „Seine Theaterstücke, seine Romane und Erzählungen und nicht zuletzt seine lyrischen Versuche haben Kontroversen ausgelöst, die über ihren jeweils konkreten Anlaß weit hinausreichen.“ Pankow spielt damit auf den Roman „Der junge Mann“ und das Langgedicht „Diese Erinnerung an einen, der nur einen Tag  zu [[Gast]] war“ an, wovon  ersteres noch zu untersuchen sein wird. Die kontroverse Sicht des Dichters Strauß im westdeutschen Feuilleton wird kurz und treffend dargestellt: „Für die einen manifestiert Botho Strauß den Typus des ,deutschen’ [[Postmoderne]]n: Rückzug auf das (behauptete) signifikante Detail, Verdammung nurmehr zynischer Intelligenz und technoider Rationalität, [[Regression]] also in der Literatur, durch die Literatur. Für die anderen ist Strauß der Sprecher einer Generation von Intellektuellen, die nach der 68er [[Euphorie]] eine neue Art von Trauerarbeit begonnen haben: Humanität lebt im Privaten, nur dort wäre sie - unter großen Mühen - täglich neu zu erobern; der starre Blick auf gesellschaftliche Mechanismen, die Utopie übergreifender Veränderung: [[Chimäre]]n, die lediglich kurzzeitige Entlastung brächten.“\\  Die erste ist am 26.11.1989 in //Sonntag//. Erneut wird Strauß „zu den bekannten bundesdeutschen Autoren“ gezählt. „Seine Theaterstücke, seine Romane und Erzählungen und nicht zuletzt seine lyrischen Versuche haben Kontroversen ausgelöst, die über ihren jeweils konkreten Anlaß weit hinausreichen.“ Pankow spielt damit auf den Roman „Der junge Mann“ und das Langgedicht „Diese Erinnerung an einen, der nur einen Tag  zu [[Gast]] war“ an, wovon  ersteres noch zu untersuchen sein wird. Die kontroverse Sicht des Dichters Strauß im westdeutschen Feuilleton wird kurz und treffend dargestellt: „Für die einen manifestiert Botho Strauß den Typus des ,deutschen’ [[Postmoderne]]n: Rückzug auf das (behauptete) signifikante Detail, Verdammung nurmehr zynischer Intelligenz und technoider Rationalität, [[Regression]] also in der Literatur, durch die Literatur. Für die anderen ist Strauß der Sprecher einer Generation von Intellektuellen, die nach der 68er [[Euphorie]] eine neue Art von Trauerarbeit begonnen haben: Humanität lebt im Privaten, nur dort wäre sie - unter großen Mühen - täglich neu zu erobern; der starre Blick auf gesellschaftliche Mechanismen, die Utopie übergreifender Veränderung: [[Chimäre]]n, die lediglich kurzzeitige Entlastung brächten.“\\ 
 Die Spannbreite der Kritik des westdeutschen Feuilletons mit ihren oft end- und zahllosen Beiträgen zu Strauß' Dichtungen  (Ernst Wendt: „selbstbewußtestes Sprachkunstwerk“ bis zu Hilde Rubinstein: „sowas wie auslüften möchte man öfters“) wird hier kurz und prägnant geschildert: „Dabei erscheint die Gratwanderung, die Strauß in seiner Literatur unternimmt, gefährlich. Wer bewußt den Versuch wagt, hinter die Sprachexperimente des 20. Jahrhunderts zurückzugehen und Elemente spätromantischen Sehens, Denkens und Schreibens zu reaktivieren, begibt sich heutzutage auf ungeschütztes Terrain. [] Botho Strauß' Lehre ist ja wahrlich nicht falsch, der ,hohe Ton des Künders‘ allerdings macht manches zunichte. Doch ist dies kein Grund zur [[Traurigkeit]] [].“ Zu „Paare Passanten“ selbst kommen nur wenige Sätze: „,Paare Passanten‘ reflektiert in sechs Kapiteln Alltägliches aus dem Restauratorium Bundesrepublik. [] Strauß beobachtet in Gaststätten, Supermärkten, Büros, auf den Straßen, und er erzählt Geschichten.“\\  Die Spannbreite der Kritik des westdeutschen Feuilletons mit ihren oft end- und zahllosen Beiträgen zu Strauß' Dichtungen  (Ernst Wendt: „selbstbewußtestes Sprachkunstwerk“ bis zu Hilde Rubinstein: „sowas wie auslüften möchte man öfters“) wird hier kurz und prägnant geschildert: „Dabei erscheint die Gratwanderung, die Strauß in seiner Literatur unternimmt, gefährlich. Wer bewußt den Versuch wagt, hinter die Sprachexperimente des 20. Jahrhunderts zurückzugehen und Elemente spätromantischen Sehens, Denkens und Schreibens zu reaktivieren, begibt sich heutzutage auf ungeschütztes Terrain. [] Botho Strauß' Lehre ist ja wahrlich nicht falsch, der ,hohe Ton des Künders‘ allerdings macht manches zunichte. Doch ist dies kein Grund zur [[Traurigkeit]] [].“ Zu „Paare Passanten“ selbst kommen nur wenige Sätze: „,Paare Passanten‘ reflektiert in sechs Kapiteln Alltägliches aus dem Restauratorium Bundesrepublik. [] Strauß beobachtet in Gaststätten, Supermärkten, Büros, auf den Straßen, und er erzählt Geschichten.“\\ 
-In //Neues Deutschland// am 23.12.1989 die zweite Kurzrezension über das Buch. Nach Daten zu Strauß selbst (Benennung seiner bedeutendsten Werke), wird festgestellt, daß sich sein Werk „abseits von großen politischen Bewegungen und Aktionen [hält] und dennoch haben seine Bücher Dimension, Gewicht und Gesicht. Was ,Paare Passanten‘ [] besonders auszeichnet, ist eine moderne [[Erkenntnis]]. ,Ohne Dialektik denken wir auf Anhieb dümmer.‘“ Der entscheidende Satz, das Strauß offensichtlich schwerfallende Freimachen vom linksaufklärerischen [[Denken]]: „Aber es muß sein: ohne sie!“ wird (wissentlich?) weggelassen und somit der gesamte [[Sinn]] entstellt. Strauß' Beobachtungen erinnern den Rezensenten an [[Tschechow]], „unaufdringlich in ihrer künstlerischen Lauterkeit und ihrem Bekenntnis zur Humanität, perfekt in der [[Technik]] des Erzählens. [] Daß es [das Buch, Anm. d. Verf.] intensiv über menschliche Schicksale und gesellschaftliche Bedingungen nachdenken läßt, paßt gut in die gegenwärtige DDR-[[Landschaft]].“\\+In /weseneues Deutschland// am 23.12.1989 die zweite Kurzrezension über das Buch. Nach Daten zu Strauß selbst (Benennung seiner bedeutendsten Werke), wird festgestellt, daß sich sein Werk „abseits von großen politischen Bewegungen und Aktionen [hält] und dennoch haben seine Bücher Dimension, Gewicht und Gesicht. Was ,Paare Passanten‘ [] besonders auszeichnet, ist eine moderne [[Erkenntnis]]. ,Ohne Dialektik denken wir auf Anhieb dümmer.‘“ Der entscheidende Satz, das Strauß offensichtlich schwerfallende Freimachen vom linksaufklärerischen [[Denken]]: „Aber es muß sein: ohne sie!“ wird (wissentlich?) weggelassen und somit der gesamte [[Sinn]] entstellt. Strauß' Beobachtungen erinnern den Rezensenten an [[Tschechow]], „unaufdringlich in ihrer künstlerischen Lauterkeit und ihrem Bekenntnis zur Humanität, perfekt in der [[Technik]] des Erzählens. [] Daß es [das Buch, Anm. d. Verf.] intensiv über menschliche Schicksale und gesellschaftliche Bedingungen nachdenken läßt, paßt gut in die gegenwärtige DDR-[[Landschaft]].“\\
 Mit dieser Besprechung endet die offizielle DDR-Rezeption Strauß'. „Der junge Mann“ erschien zwar schon 1987, wurde im Feuilleton aber nicht besprochen.  Mit dieser Besprechung endet die offizielle DDR-Rezeption Strauß'. „Der junge Mann“ erschien zwar schon 1987, wurde im Feuilleton aber nicht besprochen. 
  
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 In der //Frankfurter Rundschau// wird von Peter Iden kurz auf die „gute Aufführung anläßlich des Gastspiels im Ost-Berliner ,Deutschen Theater‘“ eingegangen: „Es war im Parkett sogar zu Äußerungen offener Ablehnung gekommen. Kulturpolitisch-taktisch schien es angesichts der angespannten Theatersituation in Berlin wenig klug, das Stück noch einmal zu riskieren. Aber Bondy und das Ensemble waren davon nicht abzubringen. [] jemand fordert sie (das Paar aus dem Osten) zudringlich auf, doch zu sagen, was sie in diesem Moment empfinden. Aber als der Mann aus dem Osten anfängt, tatsächlich von sich zu reden, wenden sich die übrigen bald ab, wieder dem Fernsehen und ihren eigenen Gesprächen zu. Das ist ein glänzendes Detail. Man ist hier mitten in gegenwärtiger deutscher Wirklichkeit, Bondy hat die Erfahrungen der vergangenen Monate schon aufgenommen: Was nach dem Mauerfall kam, war es etwa nicht - viel aufdringliche [[Rhetorik]] und wenig wirklich aufmerksame Hinwendung? Und nimmt das Gefühl der Nähe, im Westen wie im Osten, inzwischen nicht eher ab als zu? [] Aufeinander zu - und aneinander vorbei. Was heißt da ,Vereinigung‘?“\\ In der //Frankfurter Rundschau// wird von Peter Iden kurz auf die „gute Aufführung anläßlich des Gastspiels im Ost-Berliner ,Deutschen Theater‘“ eingegangen: „Es war im Parkett sogar zu Äußerungen offener Ablehnung gekommen. Kulturpolitisch-taktisch schien es angesichts der angespannten Theatersituation in Berlin wenig klug, das Stück noch einmal zu riskieren. Aber Bondy und das Ensemble waren davon nicht abzubringen. [] jemand fordert sie (das Paar aus dem Osten) zudringlich auf, doch zu sagen, was sie in diesem Moment empfinden. Aber als der Mann aus dem Osten anfängt, tatsächlich von sich zu reden, wenden sich die übrigen bald ab, wieder dem Fernsehen und ihren eigenen Gesprächen zu. Das ist ein glänzendes Detail. Man ist hier mitten in gegenwärtiger deutscher Wirklichkeit, Bondy hat die Erfahrungen der vergangenen Monate schon aufgenommen: Was nach dem Mauerfall kam, war es etwa nicht - viel aufdringliche [[Rhetorik]] und wenig wirklich aufmerksame Hinwendung? Und nimmt das Gefühl der Nähe, im Westen wie im Osten, inzwischen nicht eher ab als zu? [] Aufeinander zu - und aneinander vorbei. Was heißt da ,Vereinigung‘?“\\
 Georg Hensel rezensiert am gleichen Tag in der FAZ. Erstmals beschäftigt sich überhaupt ein Rezensent (mit Stimme) mit dem Inhalt des dritten Aktes betreffs der Reaktion derjenigen, die es auch betrifft: „Dieter Dorns Uraufführungs-Inszenierung in den //Münchner Kammerspielen// war ein [[Triumph]] in München und eine Pleite in Berlin. Beim Gastspiel im //Deutschen Theater// im ehemaligen Ost-Berlin fielen Stück und Aufführung krachend durch. Man mag dort ein Stück über den Fall der Mauer und die Freude der Menschen erwartet haben und tief enttäuscht gewesen sein, daß sich Botho Strauß beschränkt auf ein bißchen Stimmung, halbfroh, eher peinlich und gequält, am uninteressierten Rand des politischen Ereignisses. Man mag gedacht haben: Was sollen uns - angesichts der harten Realität - dieses belanglose Herumspielen, dieses läppische Party-Geschwätz und dieser luxuriöse Flirt mit den Mythen? [] Niemand war so schnell wie Botho Strauß: Kaum war die Vereinigung vollzogen, schon war sein ,Schlußchor‘ da. Das Thema freilich ist zu groß für seine kleinen Spiele. Sein feinfingriger Zugriff kann den Menschen den Puls fühlen, nicht der Politik. [] Noch immer ist bei Botho Strauß der Small Talk das Beste und warum auch nicht, er kann das besser als jeder andere.“\\ Georg Hensel rezensiert am gleichen Tag in der FAZ. Erstmals beschäftigt sich überhaupt ein Rezensent (mit Stimme) mit dem Inhalt des dritten Aktes betreffs der Reaktion derjenigen, die es auch betrifft: „Dieter Dorns Uraufführungs-Inszenierung in den //Münchner Kammerspielen// war ein [[Triumph]] in München und eine Pleite in Berlin. Beim Gastspiel im //Deutschen Theater// im ehemaligen Ost-Berlin fielen Stück und Aufführung krachend durch. Man mag dort ein Stück über den Fall der Mauer und die Freude der Menschen erwartet haben und tief enttäuscht gewesen sein, daß sich Botho Strauß beschränkt auf ein bißchen Stimmung, halbfroh, eher peinlich und gequält, am uninteressierten Rand des politischen Ereignisses. Man mag gedacht haben: Was sollen uns - angesichts der harten Realität - dieses belanglose Herumspielen, dieses läppische Party-Geschwätz und dieser luxuriöse Flirt mit den Mythen? [] Niemand war so schnell wie Botho Strauß: Kaum war die Vereinigung vollzogen, schon war sein ,Schlußchor‘ da. Das Thema freilich ist zu groß für seine kleinen Spiele. Sein feinfingriger Zugriff kann den Menschen den Puls fühlen, nicht der Politik. [] Noch immer ist bei Botho Strauß der Small Talk das Beste und warum auch nicht, er kann das besser als jeder andere.“\\
-In  //Neue Zürcher Zeitung// wird das Stück verrissen, die Inszenierung gelobt: „Einem schwächeren Stück hat die Inszenierung auf die Beine geholfen.“\\+In  /weseneue Zürcher Zeitung// wird das Stück verrissen, die Inszenierung gelobt: „Einem schwächeren Stück hat die Inszenierung auf die Beine geholfen.“\\
 In der //Stuttgarter Zeitung// eine andere Meinung zum dritten Akt: „Botho Strauß, der vielgefragte und fast konkurrenzlose deutsche Dramatiker dieser Jahre, läßt im ,Schlußchor‘ ein schüchternes Ossi-Pärchen, gerade eben durch ein [[Loch]] der Mauer geschlüpft, unterm [[Krach]] der Böller am Brandenburger Tor in einem Westberliner Bistro erscheinen, wo es von den Wessis vorm TV-Gerät angestaunt und mit Sekt und Zigaretten und dummen Fragen traktiert wird. Dies war schon in München bei der Dornschen Aufführung eine sehr gelungene, wahre, fast politische Szene. Jetzt bei der Berliner ,[[Wiederholung]]‘ ist sie geschrumpft in ihrer Bedeutung und durch Stasi-Debatte, Mauerschützenprozesse und Arbeitslosennot in den Ostländern völlig überholt von der Wirklichkeit, der auch kein Theaterautor gewachsen ist.“\\ In der //Stuttgarter Zeitung// eine andere Meinung zum dritten Akt: „Botho Strauß, der vielgefragte und fast konkurrenzlose deutsche Dramatiker dieser Jahre, läßt im ,Schlußchor‘ ein schüchternes Ossi-Pärchen, gerade eben durch ein [[Loch]] der Mauer geschlüpft, unterm [[Krach]] der Böller am Brandenburger Tor in einem Westberliner Bistro erscheinen, wo es von den Wessis vorm TV-Gerät angestaunt und mit Sekt und Zigaretten und dummen Fragen traktiert wird. Dies war schon in München bei der Dornschen Aufführung eine sehr gelungene, wahre, fast politische Szene. Jetzt bei der Berliner ,[[Wiederholung]]‘ ist sie geschrumpft in ihrer Bedeutung und durch Stasi-Debatte, Mauerschützenprozesse und Arbeitslosennot in den Ostländern völlig überholt von der Wirklichkeit, der auch kein Theaterautor gewachsen ist.“\\
 In der //taz// eine Laudatio auf Strauß: „Botho Strauß kann sich sehen lassen: Er konjugiert sich durch die Phänomenologie der Wahrnehmung. Ein Dichterphilosoph.“ Der dritte Akt wird nur kurz beschrieben: „Eine Bar im gediegenen Stil der 20er Jahre []. Der Fernseher läuft, irgendwann knallen die ersten Sektkorken, als die ersten zwei DDRler eintrudeln, die immerhin den denkwürdigen Satz sagen dürfen: ,Wir haben nichts geglaubt, waren  aber überzeugt, daß uns der Betrug vor Schlimmeren bewahrt.“\\ In der //taz// eine Laudatio auf Strauß: „Botho Strauß kann sich sehen lassen: Er konjugiert sich durch die Phänomenologie der Wahrnehmung. Ein Dichterphilosoph.“ Der dritte Akt wird nur kurz beschrieben: „Eine Bar im gediegenen Stil der 20er Jahre []. Der Fernseher läuft, irgendwann knallen die ersten Sektkorken, als die ersten zwei DDRler eintrudeln, die immerhin den denkwürdigen Satz sagen dürfen: ,Wir haben nichts geglaubt, waren  aber überzeugt, daß uns der Betrug vor Schlimmeren bewahrt.“\\
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 Der Polemik im letzten Absatz will sich der Autor dieser Arbeit verschließen. Der Polemik im letzten Absatz will sich der Autor dieser Arbeit verschließen.
  
-Es gab einige Meldungen in ostdeutschen Blättern, doch dort zumeist nur von Westdeutschen. Insgesamt sind nur wenige Wortmeldungen festzustellen. Einige in früheren ostdeutsche Blättern wie der //Wochenpost// oder der //Weltbühne//; andere in //Freitag//, eines Zusammenschlusses von //Sonntag// und //Volkszeitung// mit Ost-West Redaktion. Rein ostdeutsche Wortmeldungen, die hier auszugsweise wiedergegeben werden, sind nur die aus der //Weltbühne// und aus //Neues Deutschland//+Es gab einige Meldungen in ostdeutschen Blättern, doch dort zumeist nur von Westdeutschen. Insgesamt sind nur wenige Wortmeldungen festzustellen. Einige in früheren ostdeutsche Blättern wie der //Wochenpost// oder der //Weltbühne//; andere in //Freitag//, eines Zusammenschlusses von //Sonntag// und //Volkszeitung// mit Ost-West Redaktion. Rein ostdeutsche Wortmeldungen, die hier auszugsweise wiedergegeben werden, sind nur die aus der //Weltbühne// und aus /weseneues Deutschland//
 Hier nun eine Zusammenfassung der ostdeutschen Wortmeldungen: Robert Misik kritisiert Strauß stellenweise sehr stark in der traditionell linken //Weltbühne//, räumt aber ein, daß das Essay „inkriminiert“ wird, und stellt fest, daß „Der Anschwellende Bocksgesang“ sich „zu einem unerhörten Dokument (verdichtet) hat“. „Das [[Büchner]]sche Diktum, wonach die [[Sünde]] im [[Gedanke]]n ist, hat der Preisträger ins Gegenwärtige übersetzt. Und tatsächlich, was Strauß da sagt, ist unsäglich.“ Allerdings irrt Misik, wenn er behauptet, daß der Trend, in dem Strauß liegt, „im Trend der nachreformerischen Tendenzwende, die in die zu Beginn der achtziger Jahre verkündete ,geistig-moralische‘ Wende mündete.“ Recht hat Misik mit seiner Schlußbetrachtung: „Die scharfen Geschütze, die jetzt aufgefahren werden, um den seltsamen [[Vogel]] zu erlegen, erklären sich wohl auch aus der Angst westdeutscher Intellektueller, daß die liberalen Grundlagen der BRD durch die ostdeutschen und die osteuropäischen Unwägbarkeiten stärker unterspült werden, als das je die [[Phalanx]] neokonservativer Ideologieplaner geschafft hätte. Daß der Generalangriff gerade von einem angesehenen westdeutschen Literaten kommt, muß da als zusätzliche Perfidie erscheinen. Doch täte, nehmen wir alles in allem, Gelassenheit gut [].“\\ Hier nun eine Zusammenfassung der ostdeutschen Wortmeldungen: Robert Misik kritisiert Strauß stellenweise sehr stark in der traditionell linken //Weltbühne//, räumt aber ein, daß das Essay „inkriminiert“ wird, und stellt fest, daß „Der Anschwellende Bocksgesang“ sich „zu einem unerhörten Dokument (verdichtet) hat“. „Das [[Büchner]]sche Diktum, wonach die [[Sünde]] im [[Gedanke]]n ist, hat der Preisträger ins Gegenwärtige übersetzt. Und tatsächlich, was Strauß da sagt, ist unsäglich.“ Allerdings irrt Misik, wenn er behauptet, daß der Trend, in dem Strauß liegt, „im Trend der nachreformerischen Tendenzwende, die in die zu Beginn der achtziger Jahre verkündete ,geistig-moralische‘ Wende mündete.“ Recht hat Misik mit seiner Schlußbetrachtung: „Die scharfen Geschütze, die jetzt aufgefahren werden, um den seltsamen [[Vogel]] zu erlegen, erklären sich wohl auch aus der Angst westdeutscher Intellektueller, daß die liberalen Grundlagen der BRD durch die ostdeutschen und die osteuropäischen Unwägbarkeiten stärker unterspült werden, als das je die [[Phalanx]] neokonservativer Ideologieplaner geschafft hätte. Daß der Generalangriff gerade von einem angesehenen westdeutschen Literaten kommt, muß da als zusätzliche Perfidie erscheinen. Doch täte, nehmen wir alles in allem, Gelassenheit gut [].“\\
-Charlotte Worgitzky von //Neues Deutschland// geht auf die Wirkung des Essays und auf dessen Inhalte ein: „Tausende von Artikeln, Hunderte von Essays werden veröffentlicht - warum auf einmal dieser Unisono-Aufschrei? Das Wort ist gefallen: Rechts. Und wer da nicht empört reagiert, macht sich offenbar schon verdächtig. Dabei kommt es mir vor, als hätten die Reagierenden so schnell darüber hinweg gelesen, wie sie gewohnt sind zu lesen, weil sie so viel lesen müssen (um informiert zu sein). Welche Verschwendung von [[Papier]] und Gedanken. Das Reizwort steht da - und schon sträuben sich alle Haare.“ Für sie ist Strauß „Wortspinner“, ein „Introvertierter“. Am Inhalt des Essay hat sie nicht viel auszusetzen, sie findet: „Auch ich bin durchaus nicht mit allem, was der [[Dichter]] Strauß da verkündet, einverstanden, und ich entdecke Widersprüche, die offenbar nicht als solche gemeint sind. Aber ich finde Gedanken darin, die unsere mit hektischer Gier konsumierende (und wegwerfende) Gesellschaft wahrlich tiefer durchleuchten als die, die eilfertig vor ihnen warnen.“ Sie fragt: „Warum hat eigentlich [] in dieser Medienlandschaft nie jemand so empört reagiert, wenn Heiner Müller [] ein kaum weniger blutig-düsteres Bild von der [[Menschheit]] malt? Er hat allerdings keine Verkehrsrichtung angegeben. Doch sagt er beispielsweise: ,Es gibt in den herrschenden Strukturen kein rationales [[Argument]] gegen [[Auschwitz]]. Wenn das nicht gefunden wird, geht diese [[Zivilisation]] unter.‘ (In: ,Jenseits der Nation‘ Rotbuchverlag 1991) Ein [[Gegensatz]] zu Botho Strauß? Ich verstehe es eher so, daß er ihr keine Chance gibt. Botho Strauß setzt immerhin noch Hoffnung in die fortdauernde [[Wiederkehr]] des Wechsels - ist das der grundlegende Unterschied zu Heiner Müller?“\\ +Charlotte Worgitzky von /weseneues Deutschland// geht auf die Wirkung des Essays und auf dessen Inhalte ein: „Tausende von Artikeln, Hunderte von Essays werden veröffentlicht - warum auf einmal dieser Unisono-Aufschrei? Das Wort ist gefallen: Rechts. Und wer da nicht empört reagiert, macht sich offenbar schon verdächtig. Dabei kommt es mir vor, als hätten die Reagierenden so schnell darüber hinweg gelesen, wie sie gewohnt sind zu lesen, weil sie so viel lesen müssen (um informiert zu sein). Welche Verschwendung von [[Papier]] und Gedanken. Das Reizwort steht da - und schon sträuben sich alle Haare.“ Für sie ist Strauß „Wortspinner“, ein „Introvertierter“. Am Inhalt des Essay hat sie nicht viel auszusetzen, sie findet: „Auch ich bin durchaus nicht mit allem, was der [[Dichter]] Strauß da verkündet, einverstanden, und ich entdecke Widersprüche, die offenbar nicht als solche gemeint sind. Aber ich finde Gedanken darin, die unsere mit hektischer Gier konsumierende (und wegwerfende) Gesellschaft wahrlich tiefer durchleuchten als die, die eilfertig vor ihnen warnen.“ Sie fragt: „Warum hat eigentlich [] in dieser Medienlandschaft nie jemand so empört reagiert, wenn Heiner Müller [] ein kaum weniger blutig-düsteres Bild von der [[Menschheit]] malt? Er hat allerdings keine Verkehrsrichtung angegeben. Doch sagt er beispielsweise: ,Es gibt in den herrschenden Strukturen kein rationales [[Argument]] gegen [[Auschwitz]]. Wenn das nicht gefunden wird, geht diese [[Zivilisation]] unter.‘ (In: ,Jenseits der Nation‘ Rotbuchverlag 1991) Ein [[Gegensatz]] zu Botho Strauß? Ich verstehe es eher so, daß er ihr keine Chance gibt. Botho Strauß setzt immerhin noch Hoffnung in die fortdauernde [[Wiederkehr]] des Wechsels - ist das der grundlegende Unterschied zu Heiner Müller?“\\ 
 Elke Schmitter schrieb gleich zwei Aufsätze gegen den „Bocksgesang“, für Ost und West, mit Anspielungen, die den meisten ostdeutschen //Wochenpost//-Lesern verschlossen bleiben müssen: „Der von der Aufklärung enttäuschte nicht mehr ganz junge Mann“, so beginnt Schmitter, spricht gleich zwei der Werke Strauß' an; das in dieser Arbeit schon behandelte Notat in „Paare Passanten“, („Ohne Dialektik “) und „Der junge Mann“, zwei Bücher, die im Westen im linksliberalen Feuilleton Furore machten, in der DDR aber kaum besprochen wurden, und einer breiten Leserschaft unbekannt blieben. Was soll das also? Von der „Großen Linken“ wird der durchschnittliche Ostdeutsche kaum wissen, daß die 68er damit gemeint sind, er denkt wohl eher ans ZK der SED. Dann ein ganz mißverständlicher Satz: „Selbst Europa ist eine blasse Vorstellung, verglichen mit der dunkelroten Vergangenheit, die Strauß und andere in ihren Seherdienst nehmen.“\\  Elke Schmitter schrieb gleich zwei Aufsätze gegen den „Bocksgesang“, für Ost und West, mit Anspielungen, die den meisten ostdeutschen //Wochenpost//-Lesern verschlossen bleiben müssen: „Der von der Aufklärung enttäuschte nicht mehr ganz junge Mann“, so beginnt Schmitter, spricht gleich zwei der Werke Strauß' an; das in dieser Arbeit schon behandelte Notat in „Paare Passanten“, („Ohne Dialektik “) und „Der junge Mann“, zwei Bücher, die im Westen im linksliberalen Feuilleton Furore machten, in der DDR aber kaum besprochen wurden, und einer breiten Leserschaft unbekannt blieben. Was soll das also? Von der „Großen Linken“ wird der durchschnittliche Ostdeutsche kaum wissen, daß die 68er damit gemeint sind, er denkt wohl eher ans ZK der SED. Dann ein ganz mißverständlicher Satz: „Selbst Europa ist eine blasse Vorstellung, verglichen mit der dunkelroten Vergangenheit, die Strauß und andere in ihren Seherdienst nehmen.“\\ 
 Peter Glotz, am Randtext als SPD-MdB vorgestellt, bekommt eine //Wochenpost//-Ausgabe später Gelegenheit, den Ostler erneut über Strauß aufzuklären. „Strauß ist ein gefährlicher Wirrkopf. [] Da paaren sich Unkenntnis und Romantizismus.“ Strauß „urteilt schroff und souverän über Prozesse, die er nicht überschaut.“\\ Peter Glotz, am Randtext als SPD-MdB vorgestellt, bekommt eine //Wochenpost//-Ausgabe später Gelegenheit, den Ostler erneut über Strauß aufzuklären. „Strauß ist ein gefährlicher Wirrkopf. [] Da paaren sich Unkenntnis und Romantizismus.“ Strauß „urteilt schroff und souverän über Prozesse, die er nicht überschaut.“\\
 In der gesamtdeutschen Wochenzeitschrift für Kultur, //Freitag//, übten zwei westdeutsche [[Feuilletonist]]en Kritik an der Strauß-Kritik. M. Schweitzer fragt: „Was hat Botho Strauß mit alten Nazis und neuen Faschisten zu tun?“ und meint, im Straußschen „Wertesystem Ideen und Begriffe wie ,[[Pflicht]]‘, ,[[Treue]]‘, ,[[Ehre]]‘ und ,Bindung‘“, zu finden und auch, daß Strauß „seine Bildung vor sich herträgt, wie meine Großtante ihr Mutterkreuz.“ „Strauß“, so Schweitzer, „vermittele nichts, was nicht schon in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren elitär-konservatives Gedankengut gewesen wäre.“ Ob die Sozialdemokraten oder Kommunisten in den zwanziger Jahren wohl nichts von [[Ehre]] und [[Treue]] hielten? Schweitzer polemisiert von Anfang bis Ende, vermittelt letztendlich nichts, was nicht abkömmlich wäre, so daß wir uns dem zweiten, qualitativ besseren Beitrag des //Freitag// zuwenden.\\ In der gesamtdeutschen Wochenzeitschrift für Kultur, //Freitag//, übten zwei westdeutsche [[Feuilletonist]]en Kritik an der Strauß-Kritik. M. Schweitzer fragt: „Was hat Botho Strauß mit alten Nazis und neuen Faschisten zu tun?“ und meint, im Straußschen „Wertesystem Ideen und Begriffe wie ,[[Pflicht]]‘, ,[[Treue]]‘, ,[[Ehre]]‘ und ,Bindung‘“, zu finden und auch, daß Strauß „seine Bildung vor sich herträgt, wie meine Großtante ihr Mutterkreuz.“ „Strauß“, so Schweitzer, „vermittele nichts, was nicht schon in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren elitär-konservatives Gedankengut gewesen wäre.“ Ob die Sozialdemokraten oder Kommunisten in den zwanziger Jahren wohl nichts von [[Ehre]] und [[Treue]] hielten? Schweitzer polemisiert von Anfang bis Ende, vermittelt letztendlich nichts, was nicht abkömmlich wäre, so daß wir uns dem zweiten, qualitativ besseren Beitrag des //Freitag// zuwenden.\\
-Wilhelm Pauli, sich als 68er bezeichnend, nimmt in zwei //Freitag//-Ausgaben weiter Strauß in Schutz; anfangs fragt er sich wie Worgitzky von //Neues Deutschland//: „Warum läuft ihnen (den Kritikern des Essays, Anm. d. Verf.] der Geifer wie dem Pawlowschen Hund beim Klingeln des Glöckerls, angesichts des ,Anschwellenden Bocksgesangs‘?“ Im Zusammenhang mit dem Vorwurf Schmitters, Glotz' und Schweizers, Strauß wärme schon vor langer Zeit Gesagtes, und dann noch das, was den Nazis nützte, wieder auf, schreibt Pauli: „Hoffentlich werden die Herrschaften nicht eines Tages auf einer deutschen Autobahn gesichtet. [] Anscheinend ist es Strauß mit seinem Essay gelungen, tief ins entzündete Mark der linksliberalen bundesrepublikanischen Aufklärung á la [[mode]] zu stoßen, und was da so besinnungslos schreit und sich selbst das Denken verbietet, möpselt nach dem verzweifelten Versuch, die alten ,linken‘ Tabus zu retten und Fronten und Reihen an Schauplätzen fest zu schließen, an denen sich kein Mensch von einiger Lernfähigkeit mehr aufhält.“\\+Wilhelm Pauli, sich als 68er bezeichnend, nimmt in zwei //Freitag//-Ausgaben weiter Strauß in Schutz; anfangs fragt er sich wie Worgitzky von /weseneues Deutschland//: „Warum läuft ihnen (den Kritikern des Essays, Anm. d. Verf.] der Geifer wie dem Pawlowschen Hund beim Klingeln des Glöckerls, angesichts des ,Anschwellenden Bocksgesangs‘?“ Im Zusammenhang mit dem Vorwurf Schmitters, Glotz' und Schweizers, Strauß wärme schon vor langer Zeit Gesagtes, und dann noch das, was den Nazis nützte, wieder auf, schreibt Pauli: „Hoffentlich werden die Herrschaften nicht eines Tages auf einer deutschen Autobahn gesichtet. [] Anscheinend ist es Strauß mit seinem Essay gelungen, tief ins entzündete Mark der linksliberalen bundesrepublikanischen Aufklärung á la [[mode]] zu stoßen, und was da so besinnungslos schreit und sich selbst das Denken verbietet, möpselt nach dem verzweifelten Versuch, die alten ,linken‘ Tabus zu retten und Fronten und Reihen an Schauplätzen fest zu schließen, an denen sich kein Mensch von einiger Lernfähigkeit mehr aufhält.“\\
 Pauli beschäftigt sich in seinem Aufsatz dann weitgehend mit den Fehlleistungen seiner 68er-Kollegen, bevor er resümiert:  Pauli beschäftigt sich in seinem Aufsatz dann weitgehend mit den Fehlleistungen seiner 68er-Kollegen, bevor er resümiert: 
 „Der Skandal entfaltet sich offensichtlich dadurch, daß Strauß einmal zusammendenkt, was zusammengehört: [] wie sollen wir nach dem Bilde einer etwas oberflächlichen Aufklärung konstituiert sein, und hat diese Konstitutionierung irgendeine Antwort auf das, was sich vor unseren Augen entwickelt und, schlimmer noch, entwickeln wird? Ist sie auch nur adäquat, geschweige, daß sie über Reserven verfügte? Natürlich haben wir 68er nicht die Neonazis ausgetragen. Aber wir haben Anteil an der Durchsetzung eines Emanzipationsbegriffes, von dem sich nun auf Schritt und Tritt zeigt, daß er [] genau, mitleidlos und ohne Angst vor dem [[Abschied]] aus mancher Gemütlichkeit überprüft werden muß. Unerträglicher Gedanke. Unser Lebenswerk. Aber da kann man schreien, soviel man will: Sind Tabus erst einmal gebrochen, ist es vorbei mit der Herrlichkeit.“  „Der Skandal entfaltet sich offensichtlich dadurch, daß Strauß einmal zusammendenkt, was zusammengehört: [] wie sollen wir nach dem Bilde einer etwas oberflächlichen Aufklärung konstituiert sein, und hat diese Konstitutionierung irgendeine Antwort auf das, was sich vor unseren Augen entwickelt und, schlimmer noch, entwickeln wird? Ist sie auch nur adäquat, geschweige, daß sie über Reserven verfügte? Natürlich haben wir 68er nicht die Neonazis ausgetragen. Aber wir haben Anteil an der Durchsetzung eines Emanzipationsbegriffes, von dem sich nun auf Schritt und Tritt zeigt, daß er [] genau, mitleidlos und ohne Angst vor dem [[Abschied]] aus mancher Gemütlichkeit überprüft werden muß. Unerträglicher Gedanke. Unser Lebenswerk. Aber da kann man schreien, soviel man will: Sind Tabus erst einmal gebrochen, ist es vorbei mit der Herrlichkeit.“ 
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 ==== Feuersnot ==== ==== Feuersnot ====
--  fußt im Grundmotiv auf einem keltischen Brauch, der sich lange in Süddeutschland hielt, das Feuerausschlagen am 30. April, dem das mit dem Feuerstein neu geschlagene [[Feuer]] folgte → diesem Feuerkult folgten Lustrationsriten, z.B. wurde das Vieh durch brennende Feuer hindurchgetrieben, um Seuchen abzuwenden+-  fußt im Grundmotiv auf einem keltischen [[Brauch]], der sich lange in Süddeutschland hielt, das Feuerausschlagen am 30. April, dem das mit dem Feuerstein neu geschlagene [[Feuer]] folgte → diesem Feuerkult folgten Lustrationsriten, z.B. wurde das Vieh durch brennende Feuer hindurchgetrieben, um Seuchen abzuwenden
  
  
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strauss.txt · Zuletzt geändert: 2023/11/14 08:39 von Robert-Christian Knorr