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wallenstein

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wallenstein [2019/07/28 16:26] – Externe Bearbeitung 127.0.0.1wallenstein [2023/04/01 12:34] (aktuell) Robert-Christian Knorr
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 === Historischer Kontext des Dreißigjährigen Krieges === === Historischer Kontext des Dreißigjährigen Krieges ===
-<html><img src="http://www.vonwolkenstein.de/weltgeschichte/wallenstein.jpg" width="370" height="510" border="4" align="right" style="margin-left:5mm" alt="Generalissimus Wallenstein mit dem Marschallsstab"></html>+
 __1. [[Phase]]__: \\ __1. [[Phase]]__: \\
 8.11. 1618: kaiserlicher [[Sieg]] am „Weißen Berg“ bei [[Prag]] über den protestantischen [[Adel]] Böhmens; der [[Kaiser]] erfährt Machtzuwachs und schürt die [[Angst]] des Nachbarn [[Frankreich]] vor einen starken Deutschland; [[Richelieu]] konspiriert und stärkt die protestantische Union\\ 8.11. 1618: kaiserlicher [[Sieg]] am „Weißen Berg“ bei [[Prag]] über den protestantischen [[Adel]] Böhmens; der [[Kaiser]] erfährt Machtzuwachs und schürt die [[Angst]] des Nachbarn [[Frankreich]] vor einen starken Deutschland; [[Richelieu]] konspiriert und stärkt die protestantische Union\\
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 //„Beide Kurfürstliche Durchlauchten zu [[Sachsen]] und Brandenburg einerseits, der Römisch Kaiserlichen [[Majestät]] Generalissimus andererseits haben die jetzige Devastation //[Anm. des Verfassers: Zerstörung, Verwüstung]//, ja, den Untergang des Römischen Reiches erwogen und auf [[Mittel]] und Wege gedacht, auf welche Weise dem abgeholfen, Deutschland von der Beraubung durch fremde Völker gerettet und wieder in vorigen Flor und Wohlstand gesetzt werden möchte.   //„Beide Kurfürstliche Durchlauchten zu [[Sachsen]] und Brandenburg einerseits, der Römisch Kaiserlichen [[Majestät]] Generalissimus andererseits haben die jetzige Devastation //[Anm. des Verfassers: Zerstörung, Verwüstung]//, ja, den Untergang des Römischen Reiches erwogen und auf [[Mittel]] und Wege gedacht, auf welche Weise dem abgeholfen, Deutschland von der Beraubung durch fremde Völker gerettet und wieder in vorigen Flor und Wohlstand gesetzt werden möchte.  
-‘Als haben höchstgedachte beide Kurfürstliche Durchlauchten mit hochgedachtes des Herrn Generalissimi Fürstliche Gnaden sich dahin verglichen, daß beider ihrer Kurfürstlichen Durchlauchten Waffen mit dem Kaiserlichen conjugiert und dem Commando des Herrn Generalissimi Fürstliche Gnaden unterstellt werden, in Anbetracht des besonderen Vertrauens in dieselben, daß er nämlich obgedachte [[Intention]] erreichen und ins [[Werk]] setzen wird; und also mit zusammengesetzter Macht die Restabilierung des Religions- und Prophan-Friedens, wie derselbe tempore Rudolphi, Matthiae und dann bei jetziger kaiserlicher Majestät [[Regierung]] vor diesem Unwesen sich befunden, wiedergebracht und gegen diejenigen, die denselben ferner zu turbieren obstiniert, erhalten werden solle.’“// ( Golo Mann: Wallenstein. Frankfurt/M 1988, S. 820.)\\+‘Als haben höchstgedachte beide Kurfürstliche Durchlauchten mit hochgedachtes des Herrn Generalissimi Fürstliche Gnaden sich dahin verglichen, daß beider ihrer Kurfürstlichen Durchlauchten Waffen mit dem Kaiserlichen conjugiert und dem Commando des Herrn Generalissimi Fürstliche Gnaden unterstellt werden, in Anbetracht des besonderen Vertrauens in dieselben, daß er nämlich obgedachte [[Intention]] erreichen und ins [[Werk]] setzen wird; und also mit zusammengesetzter Macht die Restabilierung des Religions- und Prophan-Friedens, wie derselbe tempore Rudolphi, Matthiae und dann bei jetziger kaiserlicher Majestät [[Regierung]] vor diesem Unwesen sich befunden, wiedergebracht und gegen diejenigen, die denselben ferner zu turbieren obstiniert, erhalten werden solle.’“// (Golo Mann: Wallenstein. Frankfurt/M 1988, S. 820.)\\
  
 Dieser Vertragsentwurf sollte also herstellen, was seit dem [[Augsburger Religionsfrieden]] vom 25.9.1555 bereits hätte gelten sollen: die [[Freiheit]] der Religionsausübung. Aber Wallenstein irrte sich, als er diesen [[Vertrag]] abschloß. Er glaubte sich bevollmächtigt, denn hatte der [[Habsburg#Habsburger]], Kaiser [[Ferdinand]] II., ihm nicht Verhandlungsfreiheit nach Gutdünken gnädigst gestattet?\\ Dieser Vertragsentwurf sollte also herstellen, was seit dem [[Augsburger Religionsfrieden]] vom 25.9.1555 bereits hätte gelten sollen: die [[Freiheit]] der Religionsausübung. Aber Wallenstein irrte sich, als er diesen [[Vertrag]] abschloß. Er glaubte sich bevollmächtigt, denn hatte der [[Habsburg#Habsburger]], Kaiser [[Ferdinand]] II., ihm nicht Verhandlungsfreiheit nach Gutdünken gnädigst gestattet?\\
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 //„WALLENSTEIN mit sich selbst redend:\\ //„WALLENSTEIN mit sich selbst redend:\\
-In meiner Brust war meine [[Tat]] noch mein: Einmal entlassen aus dem sichern Winkel des Herzens, ihrem mütterlichen Boden,+In meiner Brust war meine [[Tat]] noch mein: Einmal entlassen aus dem sichern [[Winkel]] des Herzens, ihrem mütterlichen Boden,
 hinausgegeben in des Lebens Fremde, gehört sie jenen tück’schen Mächten an, die keines Menschen Kunst vertraulich macht.“//\\ hinausgegeben in des Lebens Fremde, gehört sie jenen tück’schen Mächten an, die keines Menschen Kunst vertraulich macht.“//\\
  
-Das ist Kantischer Boden. Freiheit und Empirie, in welchem [[Verhältnis]] stehen diese Dinge zueinander? Der Mensch mag wohl die Reihe beginnen und ist somit im kosmologischen Sinne frei, doch ist er im folgenden den Erscheinungen ausgesetzt. Vollzieht sich somit doch alles nach dem erbarmungslosen [[Naturgesetz]], der Kausalität?\\+Das ist Kantischer Boden. Freiheit und Empirie, in welchem [[Verhältnis]] stehen diese Dinge zueinander? Der Mensch mag wohl die Reihe ist somit im kosmologischen Sinne frei, doch ist er im folgenden den Erscheinungen ausgesetzt. Vollzieht sich somit doch alles nach dem erbarmungslosen [[Naturgesetz]], der Kausalität?\\
 Der der Astrologie hörige Wallenstein enthebt sich der Wirklichkeit und weiß doch, daß er es nicht kann. Wenn man den Gedanken der Freiheit so begreift, gibt es für die Freiheit des eigenen Handelns keine Rettung, oder, um mit Kant zu [[sprechen]]: //„Denn sind Erscheinungen Dinge an sich selbst, will heißen ohne empirische Qualität, so ist Freiheit nicht zu retten.“// \\  Der der Astrologie hörige Wallenstein enthebt sich der Wirklichkeit und weiß doch, daß er es nicht kann. Wenn man den Gedanken der Freiheit so begreift, gibt es für die Freiheit des eigenen Handelns keine Rettung, oder, um mit Kant zu [[sprechen]]: //„Denn sind Erscheinungen Dinge an sich selbst, will heißen ohne empirische Qualität, so ist Freiheit nicht zu retten.“// \\ 
 Daß Wallenstein seine Freiheit durch den Begriff des Schicksals verloren glaubt, ist nur in der kKantischen [[Interpretation]] zu begreifen. Schicksal ist der [[Glaube]] an die Vernunft des einzelnen, welcher nicht erleuchtet genug ist, aus dem [[Tun]] und Lassen der Menschen nach dem [[Mechanismus]] der Natur vorheriges mit [[Sicherheit]] verkündigen zu können. Wallenstein entfleucht in diese [[Sphäre]] und hängt sich an den [[Glauben]] seines Schicksals, was nach Kant heißen will, an sein Unwissen.\\ Daß Wallenstein seine Freiheit durch den Begriff des Schicksals verloren glaubt, ist nur in der kKantischen [[Interpretation]] zu begreifen. Schicksal ist der [[Glaube]] an die Vernunft des einzelnen, welcher nicht erleuchtet genug ist, aus dem [[Tun]] und Lassen der Menschen nach dem [[Mechanismus]] der Natur vorheriges mit [[Sicherheit]] verkündigen zu können. Wallenstein entfleucht in diese [[Sphäre]] und hängt sich an den [[Glauben]] seines Schicksals, was nach Kant heißen will, an sein Unwissen.\\
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 Welche [[Bedeutung]] besitzt dieser Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein für die deutsche [[Literatur]] und [[Geschichte]]? Wer war dieser Wallenstein, daß er die Gemüter unserer Vorfahren derart in Wallung brachte, daß noch nach [[Schiller]] bis 1934 zehn dramatische und bis 1886 sieben musikalische Behandlungen überliefert sind? Was macht den tiefen, metaphysischen Sinn des Dramas von Schiller aus? Worum ging es Schiller? Welche [[Bedeutung]] besitzt dieser Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein für die deutsche [[Literatur]] und [[Geschichte]]? Wer war dieser Wallenstein, daß er die Gemüter unserer Vorfahren derart in Wallung brachte, daß noch nach [[Schiller]] bis 1934 zehn dramatische und bis 1886 sieben musikalische Behandlungen überliefert sind? Was macht den tiefen, metaphysischen Sinn des Dramas von Schiller aus? Worum ging es Schiller?
  
-Beginnen wir mit dem [[Feste]]n, den Fakten der historischen [[Figur]] Wallenstein und benutzen zu diesem Zwecke als Quellen drei [[Historiker]]: [[Ranke]], [[Mann]] und Schiller. Ranke als wohl meinungsbildendsten Historiker des 19.Jahrhunderts, Golo Mann, wohl kaum weniger bedeutsam als Historiker des 20.Jahrhunderts und berühmt geworden durch eine Wallenstein-Biographie und schließlich Friedrich Schiller fürs 18.Jahrhundert, dessen literarischer Text einer [[historisch]] grundierten Auseinandersetzung voranging. Es geht hier vor allem um [[Unterschied#Unterschiede]] zwischen der historischen und dramatischen Auffassung des Titelhelden, vor allem auch darum, was Wallenstein für Historiker und Dramatiker so interessant machte – ewige Werte? -; es geht in dieser [[Arbeit]] nicht so sehr um Szenenanalyse oder Erzählperspektiven.+Beginnen wir mit dem Festen, den Fakten der historischen [[Figur]] Wallenstein und benutzen zu diesem Zwecke als Quellen drei [[Historiker]]: [[Ranke]], [[Mann]] und Schiller. Ranke als wohl meinungsbildendsten Historiker des 19.Jahrhunderts, Golo Mann, wohl kaum weniger bedeutsam als Historiker des 20.Jahrhunderts und berühmt geworden durch eine Wallenstein-[[Biographie]] und schließlich Friedrich Schiller fürs 18.Jahrhundert, dessen literarischer Text einer [[historisch]] grundierten Auseinandersetzung voranging. Es geht hier vor allem um [[Unterschied#Unterschiede]] zwischen der historischen und dramatischen Auffassung des Titelhelden, vor allem auch darum, was Wallenstein für Historiker und Dramatiker so interessant machte – ewige Werte? -; es geht in dieser [[Arbeit]] nicht so sehr um Szenenanalyse oder Erzählperspektiven.
  
 **Leopold von Ranke**. Ranke schrieb über den [[Charakter]] Wallensteins: Er sei verschwenderisch und unbesonnen, aber doch auch ökonomisch und umsichtig. In seiner Politik verfolgte er hochfliegende egoistische Pläne; aber zugleich hegte er Absichten, die zu einem bestimmten, erreichbaren Ziele zusammenwirkten. Er war dadurch emporgekommen, daß er immer den eigenen Inspirationen folgte, die er immer zur Geltung zu bringen vermochte... Welch ein großartiges Unternehmen, in dem er begriffen war; den verderblichen Krieg in Deutschland zu beendigen; den Religionsfrieden mit Beseitigung all dessen, was ihn gestört hatte, in voller Wirksamkeit wiederherzustellen; die Integrität des [[Reich]]es zu erhalten. **Leopold von Ranke**. Ranke schrieb über den [[Charakter]] Wallensteins: Er sei verschwenderisch und unbesonnen, aber doch auch ökonomisch und umsichtig. In seiner Politik verfolgte er hochfliegende egoistische Pläne; aber zugleich hegte er Absichten, die zu einem bestimmten, erreichbaren Ziele zusammenwirkten. Er war dadurch emporgekommen, daß er immer den eigenen Inspirationen folgte, die er immer zur Geltung zu bringen vermochte... Welch ein großartiges Unternehmen, in dem er begriffen war; den verderblichen Krieg in Deutschland zu beendigen; den Religionsfrieden mit Beseitigung all dessen, was ihn gestört hatte, in voller Wirksamkeit wiederherzustellen; die Integrität des [[Reich]]es zu erhalten.
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 Halten wir fest, daß Ranke in Wallenstein das zu erkennen glaubte, was wir heute fälschlich als pragmatisches [[Denken]] bezeichnen: [[Sinn]] für das, was persönlich im Verhältnis zu anderen nutzen kann. Und halten wir fest, daß Wallenstein friedenspolitische Ambitionen hegte, die er tatkräftig, aber schrittweise durchzusetzen gedachte. Vorsicht und Gleichgewicht scheinen die Oberbegriffe seiner behutsamen Politik. So Ranke. Halten wir fest, daß Ranke in Wallenstein das zu erkennen glaubte, was wir heute fälschlich als pragmatisches [[Denken]] bezeichnen: [[Sinn]] für das, was persönlich im Verhältnis zu anderen nutzen kann. Und halten wir fest, daß Wallenstein friedenspolitische Ambitionen hegte, die er tatkräftig, aber schrittweise durchzusetzen gedachte. Vorsicht und Gleichgewicht scheinen die Oberbegriffe seiner behutsamen Politik. So Ranke.
  
-Noch umfänglicher (300 Seiten Ranke, 1000 Seiten G.Mann) schreibt **Golo Mann** über den Titelhelden: Als der Kaiser Wallenstein den Marsch auf Weimar (Heerführer der Protestanten, der im Erbland Bayern wütete) befahl und sich Wallenstein diesem Befehl widersetzte, schreibt Mann erläuternd: //Plötzlich erschien Wallenstein, was ihm noch niemals er­schienen war, auch während des ersten, bescheideneren Generalats nicht: der kahle Wille, der Befehl Caesars, des Souveräns. Eine unerhörte Erfahrung. Wie reagierte er? Mit dem [[Trotz]] des Besserwissenden, seinerseits Befehlsgewohn­ten; befehlsgewohnt dank der [[Leistung]], nicht des faul ererbten Titels. Er sagte Nein. Im Bewußtsein, das Ding gründlicher zu verstehen als die Wiener Tintenkleckser, überzeugt, für die Sicherheit hinreichend gesorgt zu ha­ben, Gegner des Kriegsführens im Winter seit jeher, Kenner der Soldaten, des Zumutbaren und Unzumutbaren, verweigerte er seinem Herrn und Meister den [[Gehorsam]]... Er nahm formal sich in acht. Anstatt geradewegs abzulehnen, berief er einen Kriegsrat, alle in Pilsen anwesenden Generalspersonen und Obersten...// \\ +Noch umfänglicher (300 Seiten Ranke, 1000 Seiten G.Mann) schreibt **Golo Mann** über den Titelhelden: Als der Kaiser Wallenstein den Marsch auf Weimar (Heerführer der Protestanten, der im Erbland Bayern wütete) befahl und sich Wallenstein diesem Befehl widersetzte, schreibt Mann erläuternd: //Plötzlich erschien Wallenstein, was ihm noch niemals erschienen war, auch während des ersten, bescheideneren Generalats nicht: der kahle Wille, der Befehl Caesars, des Souveräns. Eine unerhörte Erfahrung. Wie reagierte er? Mit dem [[Trotz]] des Besserwissenden, seinerseits Befehlsgewohnten; befehlsgewohnt dank der [[Leistung]], nicht des faul ererbten Titels. Er sagte Nein. Im Bewußtsein, das Ding gründlicher zu verstehen als die Wiener Tintenkleckser, überzeugt, für die Sicherheit hinreichend gesorgt zu haben, Gegner des Kriegsführens im Winter seit jeher, Kenner der Soldaten, des Zumutbaren und Unzumutbaren, verweigerte er seinem Herrn und Meister den [[Gehorsam]]... Er nahm formal sich in acht. Anstatt geradewegs abzulehnen, berief er einen Kriegsrat, alle in Pilsen anwesenden Generalspersonen und Obersten...// \\ 
-Abgesehen davon, daß Schiller in „Wallenstein“ seinen Beitrag zum Ende des 18. Jahrhunderts ausgetragenen Streiterei um Verdienst- oder Erbadel leisten konnte – nicht wenige nennen die Wallenstein-Trilogie auch ein Legitimitätsdrama -, beschreibt Mann einen Hauptaspekt für Rebellen: Sie fühlen sich irgendwie berechtigt, so zu handeln, wie sie eben handeln. Also ist Wallenstein doch ein Rebell? Mann fährt wenig später fort, diesem Präjudiz Widerlegendes gegenüberzustellen: Er log nie. Im Moment war er nur der, der so redete, so schrieb; und dann wieder ein anderer. Seine Freunde in ihrer Plumpheit, verstanden es als Temporisieren und Taktieren, als Lügen, weil sie selber logen... Noch einmal wollte er abdanken wie 1626, noch einmal die [[Last]] und [[Qual]] des Amtes loswerden, mit viel, viel verzehrender [[Sehnsucht]] jetzt. Aber behalten wollte er das Amt auch, um noch ein Letztes, Größtes mit ihm zu tun... Zum Frieden riet er mit gramvoller Dringlichkeit jenen, die er doch, wollte er ihnen Schaden tun, oder gar sie verderben, viel eher zu Winter-Schlächtereien tückisch hätte überreden müssen. Es war sein Programm, daß er ihnen aufdrängte, wie doch ein Verschwörer keineswegs tut... Sonderbarer Verschwörer; son­derbarer Rebell! \\+Abgesehen davon, daß Schiller in „Wallenstein“ seinen Beitrag zum Ende des 18. Jahrhunderts ausgetragenen Streiterei um Verdienst- oder Erbadel leisten konnte – nicht wenige nennen die Wallenstein-Trilogie auch ein Legitimitätsdrama -, beschreibt Mann einen Hauptaspekt für Rebellen: Sie fühlen sich irgendwie berechtigt, so zu handeln, wie sie eben handeln. Also ist Wallenstein doch ein Rebell? Mann fährt wenig später fort, diesem Präjudiz Widerlegendes gegenüberzustellen: Er log nie. Im Moment war er nur der, der so redete, so schrieb; und dann wieder ein anderer. Seine Freunde in ihrer Plumpheit, verstanden es als Temporisieren und Taktieren, als Lügen, weil sie selber logen... Noch einmal wollte er abdanken wie 1626, noch einmal die [[Last]] und [[Qual]] des Amtes loswerden, mit viel, viel verzehrender [[Sehnsucht]] jetzt. Aber behalten wollte er das Amt auch, um noch ein Letztes, Größtes mit ihm zu tun... Zum Frieden riet er mit gramvoller Dringlichkeit jenen, die er doch, wollte er ihnen Schaden tun, oder gar sie verderben, viel eher zu Winter-Schlächtereien tückisch hätte überreden müssen. Es war sein Programm, daß er ihnen aufdrängte, wie doch ein Verschwörer keineswegs tut... Sonderbarer Verschwörer; sonderbarer Rebell! \\
 Die wirklichen (historischen) Machtverhältnisse der letzten Tagen von Wallensteins Leben beschreibt Mann durch Illows [[Rede]] auf der bereits genannten Offiziersversammlung zu Pilsen: //Mit Wallenstein würden sie fallen; mit Wallenstein noch höher steigen. Da nun ihr Patron krank und kränker wurde, ...so mußten sie etwas tun, um ihn zu ermutigen; um ihn an das Heer zu binden, ...das Heer an ihn, wieder durch die Offiziere. Er ließ es geschehen. Die Kraft fehlte ihm, es nicht geschehen zu lassen.//  Die wirklichen (historischen) Machtverhältnisse der letzten Tagen von Wallensteins Leben beschreibt Mann durch Illows [[Rede]] auf der bereits genannten Offiziersversammlung zu Pilsen: //Mit Wallenstein würden sie fallen; mit Wallenstein noch höher steigen. Da nun ihr Patron krank und kränker wurde, ...so mußten sie etwas tun, um ihn zu ermutigen; um ihn an das Heer zu binden, ...das Heer an ihn, wieder durch die Offiziere. Er ließ es geschehen. Die Kraft fehlte ihm, es nicht geschehen zu lassen.// 
  
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 Das sind die Ergebnisse des nach Schiller aufgefaßten historischen Wallenstein. Sie sollen zeigen, was außer der Schillerschen Interpretation möglich gewesen wäre, welche dramaturgischen Verwicklungen außer der angezeigten. Das sind die Ergebnisse des nach Schiller aufgefaßten historischen Wallenstein. Sie sollen zeigen, was außer der Schillerschen Interpretation möglich gewesen wäre, welche dramaturgischen Verwicklungen außer der angezeigten.
  
-Bevor Schiller „Wallenstein“ in Szene setzte, versuchten sich bereits einundzwanzig [[Dichter]] vor ihm daran. Es ist zu bezweifeln, daß Schiller deren Interpretationen nutznießte; jedenfalls ist in seinen [[Brief]]en keine Bemerkung über andere literarische Bearbeitungen zu finden. Der Dichter Schiller konnte bei der Erstellung seiner Hauptfiguren auf den Historiker Schiller zurückgreifen und beschreibt Wallensteins Ausgangssituation 1625 folgender­maßen:\\+Bevor Schiller „Wallenstein“ in Szene setzte, versuchten sich bereits einundzwanzig [[Dichter]] vor ihm daran. Es ist zu bezweifeln, daß Schiller deren Interpretationen nutznießte; jedenfalls ist in seinen [[Brief]]en keine Bemerkung über andere literarische Bearbeitungen zu finden. Der Dichter Schiller konnte bei der Erstellung seiner Hauptfiguren auf den Historiker Schiller zurückgreifen und beschreibt Wallensteins Ausgangssituation 1625 folgendermaßen:\\
 //Im Besitz eines unermeßlichen Vermögens, von ehrgeizigen Entwürfen erhitzt, voll Zuversicht auf seine glücklichen Sterne und noch mehr auf eine gründliche Berechnung der Zeitumstände, erbot er sich, für den Kaiser, auf eigene und seiner Freunde Kosten eine Armee auszurüsten und völlig zu bekleiden, ja selbst die [[Sorge]] für ihren Unterhalt dem Kaiser zu ersparen, wenn ihm gestattet würde, sie bis auf 50000 Mann zu vergrößern. Niemand war, der den Vorschlag nicht als die schimärische [[Geburt]] eines brausenden Kopfes verlachte - aber der Versuch war noch immer reichlich belohnt...//\\ //Im Besitz eines unermeßlichen Vermögens, von ehrgeizigen Entwürfen erhitzt, voll Zuversicht auf seine glücklichen Sterne und noch mehr auf eine gründliche Berechnung der Zeitumstände, erbot er sich, für den Kaiser, auf eigene und seiner Freunde Kosten eine Armee auszurüsten und völlig zu bekleiden, ja selbst die [[Sorge]] für ihren Unterhalt dem Kaiser zu ersparen, wenn ihm gestattet würde, sie bis auf 50000 Mann zu vergrößern. Niemand war, der den Vorschlag nicht als die schimärische [[Geburt]] eines brausenden Kopfes verlachte - aber der Versuch war noch immer reichlich belohnt...//\\
 Wallenstein siegte, aber anstatt Frieden zu schließen, hält der erstberufene Wallenstein nichts davon und Schiller tadelt: Wallenstein siegte, aber anstatt Frieden zu schließen, hält der erstberufene Wallenstein nichts davon und Schiller tadelt:
-//Die Erschöpfung des Feindes ließ einen nahen Frieden mit [[Wahrscheinlichkeit]] erwarten; dennoch fuhr Wallenstein fort, die kaiserlichen Heere immer mehr, zuletzt bis auf hundert­tausend Mann, zu verstärken. Obersten- und Offizierspatente ohne [[Zahl]], ein königlicher Staat des Generals, unmäßige Verschwendungen an seine Kreaturen (nie schenkte er unter tausend Gulden), unglaubliche Summen für Bestechungen am Hofe des Kaisers, um dort seinen Einfluß zu erhalten - alles dieses, ohne den Kaiser zu beschweren. Aus den Brandschatzungen der niederdeutschen Provinzen wurden diese unermeßlichen Summen gezogen, kein Unterschied zwischen Feind und [[Freund]], gleich eigenmächtige Durchzüge und Einquartierungen in aller Herren Ländern, gleiche Erpressungen und Gewalttätigkeiten.//\\  +//Die Erschöpfung des Feindes ließ einen nahen Frieden mit [[Wahrscheinlichkeit]] erwarten; dennoch fuhr Wallenstein fort, die kaiserlichen Heere immer mehr, zuletzt bis auf hunderttausend Mann, zu verstärken. Obersten- und Offizierspatente ohne [[Zahl]], ein königlicher Staat des Generals, unmäßige Verschwendungen an seine Kreaturen (nie schenkte er unter tausend Gulden), unglaubliche Summen für Bestechungen am Hofe des Kaisers, um dort seinen Einfluß zu erhalten - alles dieses, ohne den Kaiser zu beschweren. Aus den Brandschatzungen der niederdeutschen Provinzen wurden diese unermeßlichen Summen gezogen, kein Unterschied zwischen Feind und [[Freund]], gleich eigenmächtige Durchzüge und Einquartierungen in aller Herren Ländern, gleiche Erpressungen und Gewalttätigkeiten.//\\  
-Die angestaute [[Macht]] ruft bei Zukurzgekommnen Hader hervor. Wallenstein wird trotz immenser Bestechungsgelder für etliche Hofschranzen entmachtet. Aber danach läuft es für die Kaiserlichen schlecht. Spätestens nach dem Siegeszug des schwedischen Königs Gustav Adolf, dessen Hilfe die Protestanten gerne annehmen, verändert sich das poloitische Kräfteverhältnis im Reich zuungunsten des Kaisers. Er ist gezwungen, Wallenstein zurückzuholen, denn kein anderer weiß die Soldateska so zu bändigen und [[politisch]] zu gebrauchen wie der einstige Feldherr, der sichs nun scheinbar gut gehen läßt in Nordböhmen. Mit der Rückberufung unter für den Kaiser entwürdigenden Bedingungen im Frühjahr 1632 - //Eine unumschränkte Oberherrschaft verlangte Wallenstein über alle deutsche Armeen des österreichischen und spanischen Hauses und unbegrenzte Vollmacht, zu strafen und zu belohnen. Weder dem [[König]] von Ungarn noch dem [[Kaiser]] selbst solle es vergönnt sein, bei der Armee zu erscheinen, noch weniger eine [[Handlung]] der [[Autorität]] darin auszu­üben...Zu seiner ordentlichen Belohnung müsse ihm ein kaiserliches Erbland und noch ein anderes der im Reiche eroberten Länder zum außerordentlichen Geschenk überlassen werden. Jede österreichische Provinz solle ihm, sobald er derselben bedürfen würde, zur Zuflucht geöffnet sein. - siegt Wallenstein wieder für den Kaiser. Doch nun hat er neben dem machtpolitischen [[Kalkül]] für sein [[Haus]] auch friedenspolitische Absichten, wie Mann zu wissen glaubt:+Die angestaute [[Macht]] ruft bei Zukurzgekommnen Hader hervor. Wallenstein wird trotz immenser Bestechungsgelder für etliche Hofschranzen entmachtet. Aber danach läuft es für die Kaiserlichen schlecht. Spätestens nach dem Siegeszug des schwedischen Königs Gustav Adolf, dessen Hilfe die Protestanten gerne annehmen, verändert sich das poloitische Kräfteverhältnis im Reich zuungunsten des Kaisers. Er ist gezwungen, Wallenstein zurückzuholen, denn kein anderer weiß die Soldateska so zu bändigen und [[politisch]] zu gebrauchen wie der einstige Feldherr, der sichs nun scheinbar gut gehen läßt in Nordböhmen. Mit der Rückberufung unter für den Kaiser entwürdigenden Bedingungen im Frühjahr 1632 - //Eine unumschränkte Oberherrschaft verlangte Wallenstein über alle deutsche Armeen des österreichischen und spanischen Hauses und unbegrenzte Vollmacht, zu strafen und zu belohnen. Weder dem [[König]] von Ungarn noch dem [[Kaiser]] selbst solle es vergönnt sein, bei der Armee zu erscheinen, noch weniger eine [[Handlung]] der [[Autorität]] darin auszuüben...Zu seiner ordentlichen Belohnung müsse ihm ein kaiserliches Erbland und noch ein anderes der im Reiche eroberten Länder zum außerordentlichen Geschenk überlassen werden. Jede österreichische Provinz solle ihm, sobald er derselben bedürfen würde, zur Zuflucht geöffnet sein. - siegt Wallenstein wieder für den Kaiser. Doch nun hat er neben dem machtpolitischen [[Kalkül]] für sein [[Haus]] auch friedenspolitische Absichten, wie Mann zu wissen glaubt:
 Er (Terzky als Gesandter Wallensteins) sei gekommen (in das schwedische Lager nach der Schlacht bei Lützen), sagte er, mit Schweden und mit den Reichsfürsten einen ewigen Frieden zu schließen, die Soldaten zu bezahlen und jedem Genugtuung zu verschaffen. Alles dies stehe in seiner Hand, und wenn man in Wien Anstand nehmen sollte, es zu bestätigen, so wolle er sich mit den Alliierten vereinigen und (was er Arnheim nur ins Ohr flüsterte) den Kaiser zum [[Teufel]] jagen.//\\ Er (Terzky als Gesandter Wallensteins) sei gekommen (in das schwedische Lager nach der Schlacht bei Lützen), sagte er, mit Schweden und mit den Reichsfürsten einen ewigen Frieden zu schließen, die Soldaten zu bezahlen und jedem Genugtuung zu verschaffen. Alles dies stehe in seiner Hand, und wenn man in Wien Anstand nehmen sollte, es zu bestätigen, so wolle er sich mit den Alliierten vereinigen und (was er Arnheim nur ins Ohr flüsterte) den Kaiser zum [[Teufel]] jagen.//\\
 Jetzt folgt in der geschichtlichen Darstellung von Schiller das, was problematisch auch im [[Drama]] werden wird, die Motivierung für die Einberufung der Generalität nach Pilsen. Schiller schreibt: //Um endlich den entscheidenden Schritt zum Ziele zu tun, berief er im Jänner 1634 alle Kommandeurs der Armee nach Pilsen zusammen, wohin er sich gleich nach seiner [[Rückwärtsbewegung ]] aus Bayern gewendet hatte... Auch Schweden und Sachsen wurden heimlich dahin geladen, um mit dem Herzog von Friedland über den Frieden zu traktieren; mit den Befehlshabern entlegenerer Heere sollte schriftliche Abrede genommen werden.// Jetzt folgt in der geschichtlichen Darstellung von Schiller das, was problematisch auch im [[Drama]] werden wird, die Motivierung für die Einberufung der Generalität nach Pilsen. Schiller schreibt: //Um endlich den entscheidenden Schritt zum Ziele zu tun, berief er im Jänner 1634 alle Kommandeurs der Armee nach Pilsen zusammen, wohin er sich gleich nach seiner [[Rückwärtsbewegung ]] aus Bayern gewendet hatte... Auch Schweden und Sachsen wurden heimlich dahin geladen, um mit dem Herzog von Friedland über den Frieden zu traktieren; mit den Befehlshabern entlegenerer Heere sollte schriftliche Abrede genommen werden.//
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 Um seine politischen Ziele durchzusetzen, benötigt Wallenstein zuerst einmal Unterstützung seiner Untergebenen. Eine Schlüsselrolle nimmt hierbei der General Piccolomini ein, Wallensteins engster Vertrauter. Octavio Piccolomini ist historisch, Max eine [[Erfindung]]. Schiller schreibt über den historischen Piccolomini: //Piccolomini wagte es, die Leichtgläubigkeit des Herzogs noch einmal auf die Probe zu stellen. Er bat sich von ihm die Erlaubnis aus, den Gallas zurückzuholen, und Wallenstein ließ sich zum zweiten Mal überlisten.//\\ Um seine politischen Ziele durchzusetzen, benötigt Wallenstein zuerst einmal Unterstützung seiner Untergebenen. Eine Schlüsselrolle nimmt hierbei der General Piccolomini ein, Wallensteins engster Vertrauter. Octavio Piccolomini ist historisch, Max eine [[Erfindung]]. Schiller schreibt über den historischen Piccolomini: //Piccolomini wagte es, die Leichtgläubigkeit des Herzogs noch einmal auf die Probe zu stellen. Er bat sich von ihm die Erlaubnis aus, den Gallas zurückzuholen, und Wallenstein ließ sich zum zweiten Mal überlisten.//\\
 Wallenstein mußte Vertrauen wagen, denn er wußte, daß im fernen Wien schon längst wieder an seinem Stuhl gesägt wurde, zu sehr kannte er das [[Spiel]] um die Macht, als daß er hätte glauben können, man würde ihm die erpreßten Vollmachten auch nur einen [[Augenblick]] länger konzedieren, als es der Hofkamarilla nützte. Und, soviel war Wallenstein auch gewiß, und das mußte den Pinsel des Dramatikers Schiller reizen: Das Intrigennetz wurde schon längst um Wallenstein gesponnen. Also galt es(,) Wallenstein(,) Verbündete zu gewinnen.\\ Wallenstein mußte Vertrauen wagen, denn er wußte, daß im fernen Wien schon längst wieder an seinem Stuhl gesägt wurde, zu sehr kannte er das [[Spiel]] um die Macht, als daß er hätte glauben können, man würde ihm die erpreßten Vollmachten auch nur einen [[Augenblick]] länger konzedieren, als es der Hofkamarilla nützte. Und, soviel war Wallenstein auch gewiß, und das mußte den Pinsel des Dramatikers Schiller reizen: Das Intrigennetz wurde schon längst um Wallenstein gesponnen. Also galt es(,) Wallenstein(,) Verbündete zu gewinnen.\\
-Schiller schreibt in seiner Vorbesprechung zum Drama: //Durch Mönchsintrigen verlor er zu Regensburg den Kommando­stab [erste Amtsenthebung] und zu Eger das Leben; durch mönchische Künste verlor er vielleicht, was mehr war als beides, seinen ehrlichen Namen und seinen guten Ruf vor der Nachwelt. Denn endlich muß man zur [[Steuern#Steuer]] der Gerechtigkeit gestehen, daß es nicht ganz treue Federn sind, die uns die Geschichte dieses außerordentlichen Mannes überliefert ha­ben; daß die Verräterei des Herzogs und sein Entwurf auf die böhmische Krone sich auf keine streng bewiesene Tatsache, bloß auf wahrscheinliche Vermutungen gründen... Viele seiner getadelsten Schritte beweisen bloß seine ernstliche Neigung zum Frieden... Wenn endlich [[Not]] und Verzweifelung ihn antreiben, das Urteil wirklich zu verdie­nen, das gegen den Unschuldigen gefällt war, so kann dieses dem Urteil selbst nicht zur Rechtfertigung gereichen; so fiel Wallenstein nicht weil er Rebell war, sondern er rebellierte, weil er fiel.//\\+Schiller schreibt in seiner Vorbesprechung zum Drama: //Durch Mönchsintrigen verlor er zu Regensburg den Kommandostab [erste Amtsenthebung] und zu Eger das Leben; durch mönchische Künste verlor er vielleicht, was mehr war als beides, seinen ehrlichen Namen und seinen guten Ruf vor der Nachwelt. Denn endlich muß man zur [[Steuern#Steuer]] der Gerechtigkeit gestehen, daß es nicht ganz treue Federn sind, die uns die Geschichte dieses außerordentlichen Mannes überliefert haben; daß die Verräterei des Herzogs und sein Entwurf auf die böhmische Krone sich auf keine streng bewiesene Tatsache, bloß auf wahrscheinliche Vermutungen gründen... Viele seiner getadelsten Schritte beweisen bloß seine ernstliche Neigung zum Frieden... Wenn endlich [[Not]] und Verzweifelung ihn antreiben, das Urteil wirklich zu verdienen, das gegen den Unschuldigen gefällt war, so kann dieses dem Urteil selbst nicht zur Rechtfertigung gereichen; so fiel Wallenstein nicht weil er Rebell war, sondern er rebellierte, weil er fiel.//\\
 Schiller war sich offensichtlich der Tendenziösität seiner aufgefundenen Quellen sicher und spricht [[Zweifel]] an der Wahrhaftigkeit wertender Sentenzen aus. Dem Historiker Schiller dürften diese mißfallen, der Dramatiker wird wohl seine helle Freude an diesem Material gehabt haben. \\ Schiller war sich offensichtlich der Tendenziösität seiner aufgefundenen Quellen sicher und spricht [[Zweifel]] an der Wahrhaftigkeit wertender Sentenzen aus. Dem Historiker Schiller dürften diese mißfallen, der Dramatiker wird wohl seine helle Freude an diesem Material gehabt haben. \\
-Fragen wir danach, welche Veränderungen zum von ihm selbst beschriebe­nen geschichtlichen Verlauf der Dichter vornahm? +Fragen wir danach, welche Veränderungen zum von ihm selbst beschriebenen geschichtlichen Verlauf der Dichter vornahm? 
 Im [[Prolog]] stellt der Dichter seine Absicht vor: //Von der Parteien Gunst und [[Haß]] verwirrt schwankt sein Charakterbild in der Geschichte, doch euren Augen soll ihn jetzt die Kunst, auch eurem Herzen, menschlich näherbringen.//\\  Im [[Prolog]] stellt der Dichter seine Absicht vor: //Von der Parteien Gunst und [[Haß]] verwirrt schwankt sein Charakterbild in der Geschichte, doch euren Augen soll ihn jetzt die Kunst, auch eurem Herzen, menschlich näherbringen.//\\ 
 Das kann nur eine dramaturgische Bedeutung haben, denn warum sollte Schiller sonst einen mutmaßlichen politischen Hasardeur, die Geißel des Krieges, der Wallenstein jahrelang gewesen, [[menschlich]] näherbringen wollen? Schwunghöhe! Ein Held will sympathetisiert sein, damit sein Ende den Zuschauer rührt, sein Wirken muß auch von edlen [[Motiv]]en durchflossen sein, denn ein durchweg negativer Held gewinnt nicht das Interesse oder gar die [[Identifikation]] des Zuschauers. \\ Das kann nur eine dramaturgische Bedeutung haben, denn warum sollte Schiller sonst einen mutmaßlichen politischen Hasardeur, die Geißel des Krieges, der Wallenstein jahrelang gewesen, [[menschlich]] näherbringen wollen? Schwunghöhe! Ein Held will sympathetisiert sein, damit sein Ende den Zuschauer rührt, sein Wirken muß auch von edlen [[Motiv]]en durchflossen sein, denn ein durchweg negativer Held gewinnt nicht das Interesse oder gar die [[Identifikation]] des Zuschauers. \\
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 Ich gehe hier nicht mit Wirrmann, deren Distanzbegriff mir unzureichend und unzutreffend erscheint. Ich möchte das folgendermaßen begründen: Das Ziel der Selbsttätigkeit wird von Schiller angestrebt mittels Nähe, nicht Distanz; dem Herzen näherbringen schreibt Schiller in seinem Prolog. Sicherlich will er nicht das immanente Bild, das aus-dem-Helden-herausschauen, also völlige Identifikation, aber eine Distanz des Zuschauers zum Titelhelden hat Schiller, wie gesagt, bereits zu „Fiescos“ Zeiten abgelehnt, indem er [[Shakespeare]] und Lessing folgt und weiterführt, indem zu der Distanz benötigenden [[Reflexion]] das Sympathetische kommt, was beides zusammen erst den ganzen Menschen bildet: Herz und Hirn! Wenn nur eines zurückbleiben würde, gar die Oberhand gewönne, so wäre Schillers ästhetische Erziehung erfolglos. Schillers [[Projekt]] „Wallenstein“ also muß den Bösewicht Wallenstein dem Herzen näherbringen und nicht distanziert betrachten. Schiller will den kühlen Kopf des Zuschauers, der durch die „autonome Kunst“ geläutert in der Lage ist, sich ein autonomes [[Urteil]] zu bilden. Wie aber, wenn nicht mit dem Herzen, soll der Zuschauer folgende Zeilen des Prologs verstehen?: //Doch in den kühnen Scharen, die sein Befehl gewaltig lenkt, sein Geist beseelt, wird euch sein Schattenbild begegnen, bis ihn die scheue [[Muse]] selbst vor euch zu stellen wagt in lebendiger Gestalt, denn seine Macht ists, die sein Herz verführt, sein Lager nur erkläret sein [[Verbrechen]].//\\ Ich gehe hier nicht mit Wirrmann, deren Distanzbegriff mir unzureichend und unzutreffend erscheint. Ich möchte das folgendermaßen begründen: Das Ziel der Selbsttätigkeit wird von Schiller angestrebt mittels Nähe, nicht Distanz; dem Herzen näherbringen schreibt Schiller in seinem Prolog. Sicherlich will er nicht das immanente Bild, das aus-dem-Helden-herausschauen, also völlige Identifikation, aber eine Distanz des Zuschauers zum Titelhelden hat Schiller, wie gesagt, bereits zu „Fiescos“ Zeiten abgelehnt, indem er [[Shakespeare]] und Lessing folgt und weiterführt, indem zu der Distanz benötigenden [[Reflexion]] das Sympathetische kommt, was beides zusammen erst den ganzen Menschen bildet: Herz und Hirn! Wenn nur eines zurückbleiben würde, gar die Oberhand gewönne, so wäre Schillers ästhetische Erziehung erfolglos. Schillers [[Projekt]] „Wallenstein“ also muß den Bösewicht Wallenstein dem Herzen näherbringen und nicht distanziert betrachten. Schiller will den kühlen Kopf des Zuschauers, der durch die „autonome Kunst“ geläutert in der Lage ist, sich ein autonomes [[Urteil]] zu bilden. Wie aber, wenn nicht mit dem Herzen, soll der Zuschauer folgende Zeilen des Prologs verstehen?: //Doch in den kühnen Scharen, die sein Befehl gewaltig lenkt, sein Geist beseelt, wird euch sein Schattenbild begegnen, bis ihn die scheue [[Muse]] selbst vor euch zu stellen wagt in lebendiger Gestalt, denn seine Macht ists, die sein Herz verführt, sein Lager nur erkläret sein [[Verbrechen]].//\\
 Schiller ist bemüht, Wallenstein in seiner Gesamtheit zu erfassen und muß so auch die Sicht der römisch-katholischen [[Kirche]], des Klerus, darstellen. Dabei ging Schiller auf eine Anregung Goethes zurück, der eine Predigerschrift von 1687 Schiller wärmstens empfahl. Schiller setzte mit dieser [[Predigt]] eine Anti-Wallenstein-Tirade, ein Auszug:  //...wie soll man die Knechte loben,kommt doch das Ärgernis von oben! Wie die Glieder, so auch das Haupt! Weiß doch niemand, an wen der glaubt!// \\ Schiller ist bemüht, Wallenstein in seiner Gesamtheit zu erfassen und muß so auch die Sicht der römisch-katholischen [[Kirche]], des Klerus, darstellen. Dabei ging Schiller auf eine Anregung Goethes zurück, der eine Predigerschrift von 1687 Schiller wärmstens empfahl. Schiller setzte mit dieser [[Predigt]] eine Anti-Wallenstein-Tirade, ein Auszug:  //...wie soll man die Knechte loben,kommt doch das Ärgernis von oben! Wie die Glieder, so auch das Haupt! Weiß doch niemand, an wen der glaubt!// \\
-Dieser Auszug soll einen der Gründe für den Haß der Mönchs­kaste auf ihren Feldherrn beschreiben, der [[Toleranz]] im [[Glauben]] praktizierte - ein im 18. Jahrhundert in Deutschland heftig diskutierter [[Begriff]] -, was Schiller seinem Titelhelden hier zum Vorteil gereichen lassen möchte. (In einem Glaubenskrieg religiöse Freiheiten zuzulassen, kann den Hetzern, auf beiden Seiten im übrigen, nicht gefallen.) Schillers Wallenstein-Bild ist mit der charakterlichen Dar­stellung in der „Geschichte des Dreißigjährigen Krieges“ nicht abgeschlossen. \\+Dieser Auszug soll einen der Gründe für den Haß der Mönchskaste auf ihren Feldherrn beschreiben, der [[Toleranz]] im [[Glauben]] praktizierte - ein im 18. Jahrhundert in Deutschland heftig diskutierter [[Begriff]] -, was Schiller seinem Titelhelden hier zum Vorteil gereichen lassen möchte. (In einem Glaubenskrieg religiöse Freiheiten zuzulassen, kann den Hetzern, auf beiden Seiten im übrigen, nicht gefallen.) Schillers Wallenstein-Bild ist mit der charakterlichen Darstellung in der „Geschichte des Dreißigjährigen Krieges“ nicht abgeschlossen. \\
 Eine erste [[Veränderung]] zur historischen Faktizität ist die [[Kunstfigur]] Max Piccolomini als ein Träger und Verkünder Schillerscher politischer [[Anschauung]]en. Max ist auch der Gradmesser, mit dem der Zuschauer seine Haltung zum Titelhelden prüfen kann. Max (Schiller) über Wallenstein: //Er ist nun einmal nicht gemacht, nach andern geschmeidig sich zu fügen und zu wenden, es geht ihm wider die Natur, er kanns nicht. Geworden ist ihm eine Herrscherseele, und ist gestellt auf einen Herrscherplatz. Wohl uns, daß es so ist! Es können sich nur wenige regieren, den Verstand verständig brauchen - Wohl dem Ganzen, findet sich einmal einer, der ein Mittelpunkt für viele Tausend wird, ein Halt; sich hinstellt wie eine feste Säul, an die man sich mit Lust mag schließen und mit Zuversicht.//\\ Eine erste [[Veränderung]] zur historischen Faktizität ist die [[Kunstfigur]] Max Piccolomini als ein Träger und Verkünder Schillerscher politischer [[Anschauung]]en. Max ist auch der Gradmesser, mit dem der Zuschauer seine Haltung zum Titelhelden prüfen kann. Max (Schiller) über Wallenstein: //Er ist nun einmal nicht gemacht, nach andern geschmeidig sich zu fügen und zu wenden, es geht ihm wider die Natur, er kanns nicht. Geworden ist ihm eine Herrscherseele, und ist gestellt auf einen Herrscherplatz. Wohl uns, daß es so ist! Es können sich nur wenige regieren, den Verstand verständig brauchen - Wohl dem Ganzen, findet sich einmal einer, der ein Mittelpunkt für viele Tausend wird, ein Halt; sich hinstellt wie eine feste Säul, an die man sich mit Lust mag schließen und mit Zuversicht.//\\
 Aus diesen Worten spricht Schillers politische Überzeugung von der [[Verantwortlichkeit]] des aufgeklärten Herrschers. Am treffendsten formulierte er es im Jahre später [[unvollendet]] gebliebenden „Demetrius“: //Verstand ist stets bei wenigen nur gewesen, man muß die Stimmen wägen und nicht [[zählen]]. Wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet, da muß der Staat untergehen, früh oder spät!//\\ Aus diesen Worten spricht Schillers politische Überzeugung von der [[Verantwortlichkeit]] des aufgeklärten Herrschers. Am treffendsten formulierte er es im Jahre später [[unvollendet]] gebliebenden „Demetrius“: //Verstand ist stets bei wenigen nur gewesen, man muß die Stimmen wägen und nicht [[zählen]]. Wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet, da muß der Staat untergehen, früh oder spät!//\\
-Der aufgeklärte Herrscher dagegen ist die feste [[Säule]], an der sich das [[Volk]] aufrichtet, der gibt Halt und die politische Richtung vor. Nichts da von irgendwie demokratiziden Vorstellungen. Auch deshalb schuf Schiller die Kunstfigur Max Piccolomini, damit er ihm solche Worte in den Mund legen konnte, die aus dem Geschichtswerk nicht zu gewinnen waren, wohl aber aus den politischen Fragestellungen von Schillers Lebensgegenwart. Und welche Veränderung spricht aus diesen Worten Maxens gegenüber der Wallenstein wenig schmeichelhaften Beschrei­bung im Geschichtswerk: Wallenstein hatte über eine Armee von beinahe hunderttausend Mann zu gebieten, von denen er angebetet wurde, als das Urteil der Absetzung ihm verkündigt werden sollte. Die Offiziere waren seine Geschöpfe, seine Winke Aussprüche des Schicksals für den gemeinen Soldaten. Grenzenlos war sein [[Ehrgeiz]], unbeugsam sein [[Stolz]], sein gebieterischer Geist nicht fähig, eine [[Kränkung]] ungerochen zu erdulden.+Der aufgeklärte Herrscher dagegen ist die feste [[Säule]], an der sich das [[Volk]] aufrichtet, der gibt Halt und die politische Richtung vor. Nichts da von irgendwie demokratiziden Vorstellungen. Auch deshalb schuf Schiller die Kunstfigur Max Piccolomini, damit er ihm solche Worte in den Mund legen konnte, die aus dem Geschichtswerk nicht zu gewinnen waren, wohl aber aus den politischen Fragestellungen von Schillers Lebensgegenwart. Und welche Veränderung spricht aus diesen Worten Maxens gegenüber der Wallenstein wenig schmeichelhaften Beschreibung im Geschichtswerk: Wallenstein hatte über eine Armee von beinahe hunderttausend Mann zu gebieten, von denen er angebetet wurde, als das Urteil der Absetzung ihm verkündigt werden sollte. Die Offiziere waren seine Geschöpfe, seine Winke Aussprüche des Schicksals für den gemeinen Soldaten. Grenzenlos war sein [[Ehrgeiz]], unbeugsam sein [[Stolz]], sein gebieterischer Geist nicht fähig, eine [[Kränkung]] ungerochen zu erdulden.
 Aber die Medaille hat zwei, für Schiller gleichberechtigte Seiten. Den großen Vertreter des Legitimationsrechtes, Octavio Piccolomini, läßt Schiller ebenfalls politische Leitlinien vertreten, in die der Zuschauer innerlich verwickelt werden soll: Mein Sohn! Laß uns die alten, engen Ordnungen gering nicht achten! Köstlich unschätzbare Gewichte sinds, die der bedrängte Mensch an seiner Dränger raschen Willen band; denn immer war die Willkür fürchterlich - //Der Weg der Ordnung, ging er auch durch Krümmen, er ist kein Umweg. Gradaus geht des Blitzes, geht des Kanonballs fürchterlicher Pfad - Schnell, auf dem nächsten Wege, langt er an, macht sich zermalmend Platz, um zu zermalmen.// \\ Aber die Medaille hat zwei, für Schiller gleichberechtigte Seiten. Den großen Vertreter des Legitimationsrechtes, Octavio Piccolomini, läßt Schiller ebenfalls politische Leitlinien vertreten, in die der Zuschauer innerlich verwickelt werden soll: Mein Sohn! Laß uns die alten, engen Ordnungen gering nicht achten! Köstlich unschätzbare Gewichte sinds, die der bedrängte Mensch an seiner Dränger raschen Willen band; denn immer war die Willkür fürchterlich - //Der Weg der Ordnung, ging er auch durch Krümmen, er ist kein Umweg. Gradaus geht des Blitzes, geht des Kanonballs fürchterlicher Pfad - Schnell, auf dem nächsten Wege, langt er an, macht sich zermalmend Platz, um zu zermalmen.// \\
-So wird denn der Fall „Wallenstein“ mit einem Male zum Rechtsproblem! Es streiten sich in einem revolutionären [[Gleichnis]], unter dem Getöse von Kanonen, die Ordnungsprinzipien von Legitimation (wodurch?) und Verdienst (woran?). Es entspricht Schillers künstlerischem und politischem Credo, daß der Gegenspieler Wallensteins ein moralisch-ästhetisches Programm vertritt, das [[Gerechtigkeit]] und rechtliche Konti­nuität zumindest ahnden läßt. Das Programm der Gegenseite darf natürlich das eigene nicht überragen, besitzt in Schillers Augen aber die [[Reife]], die eine Antwort unausweich­lich birgt. So geht Max im logischen Freiraum auch auf die guten Absichten der moralischen Gegenpartei ein und fordert diese auf: //Oh! laß den Kaiser Friede machen, Vater! Den blutgen Lorbeer geb ich hin mit Freuden fürs erste Veilchen, das der März uns bringt, das duftige Pfand der neuverjüngten Erde.//\\ +So wird denn der Fall „Wallenstein“ mit einem Male zum Rechtsproblem! Es streiten sich in einem revolutionären [[Gleichnis]], unter dem Getöse von Kanonen, die Ordnungsprinzipien von Legitimation (wodurch?) und Verdienst (woran?). Es entspricht Schillers künstlerischem und politischem Credo, daß der Gegenspieler Wallensteins ein moralisch-ästhetisches Programm vertritt, das [[Gerechtigkeit]] und rechtliche Kontinuität zumindest ahnden läßt. Das Programm der Gegenseite darf natürlich das eigene nicht überragen, besitzt in Schillers Augen aber die [[Reife]], die eine Antwort unausweichlich birgt. So geht Max im logischen Freiraum auch auf die guten Absichten der moralischen Gegenpartei ein und fordert diese auf: //Oh! laß den Kaiser Friede machen, Vater! Den blutgen Lorbeer geb ich hin mit Freuden fürs erste Veilchen, das der März uns bringt, das duftige Pfand der neuverjüngten Erde.//\\ 
 Daß es sich bei diesem [[Gespräch]] zwischen Vater und Sohn um ein hypothetisches handelt und um einen Austausch grundsätzlicher Positionen, wird u.a. daran deutlich, daß Max seinen Vater auffordert, den Kaiser zum Frieden zu bewegen, als ob sich ein Befehlsempfänger nach deren Statuten zu einem Initiator entwickeln dürfte. Weiter auseinander können Positionen ergo Denkmuster nicht stehen. Wallenstein selbst äußert sich in einem Gespräch mit seinem Vertrauten, vertrauten Schwager, über eine mögliche politische Intention: \\ Daß es sich bei diesem [[Gespräch]] zwischen Vater und Sohn um ein hypothetisches handelt und um einen Austausch grundsätzlicher Positionen, wird u.a. daran deutlich, daß Max seinen Vater auffordert, den Kaiser zum Frieden zu bewegen, als ob sich ein Befehlsempfänger nach deren Statuten zu einem Initiator entwickeln dürfte. Weiter auseinander können Positionen ergo Denkmuster nicht stehen. Wallenstein selbst äußert sich in einem Gespräch mit seinem Vertrauten, vertrauten Schwager, über eine mögliche politische Intention: \\
 Terzky: Der [schwedische] [[Graf]]... sei es müd und wolle nichts weiter mehr mit dir zu schaffen haben. \\ Terzky: Der [schwedische] [[Graf]]... sei es müd und wolle nichts weiter mehr mit dir zu schaffen haben. \\
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 Wallenstein: Fort, fort mit ihnen - das verstehst du nicht. Es soll nicht von mir heißen, daß ich Deutschland zerstücket hab, verraten an den Fremdling, um meine Portion mir zu erschleichen. Mich soll das Reich als seinen Schirmer ehren, reichsfürstlich mich erweisend, will ich würdig mich bei des Reiches Fürsten niedersetzen.Es soll im Reiche keine fremde Macht mir [[Wurzel]] fassen,...\\ Wallenstein: Fort, fort mit ihnen - das verstehst du nicht. Es soll nicht von mir heißen, daß ich Deutschland zerstücket hab, verraten an den Fremdling, um meine Portion mir zu erschleichen. Mich soll das Reich als seinen Schirmer ehren, reichsfürstlich mich erweisend, will ich würdig mich bei des Reiches Fürsten niedersetzen.Es soll im Reiche keine fremde Macht mir [[Wurzel]] fassen,...\\
  
-Ob Wallenstein die aus solchem Gewort zwangsläufig folgende Schlußfolgerung der Bildung einer deutschen Partei, einer gegen die der [[Habsburg]]er Hauspolitik und die Interessen der Fremdlinge gerichtete, wirklich betreiben wollte, bleibt zweifelhaft. Die ehernen und patriotischen Absichten, die Schiller hier seinem Helden in den Mund legt, können historisch plausibel sein, müssen es aber nicht; sie können eine [[Motivation]] für Wallensteins Handeln abgeben, sie können nur von Schiller gebracht worden sein, um seinen Helden sympathischer zu machen... Vielleicht entsprechen sie auch Wallensteins Ehr- und [[Wertgefühl#Selbst­wertgefühl]], aber bilden sie das Hauptantriebsmoment seines Handelns? Er wäre wohl kaum in den kaiserlichen [[Dienst]] zurückgekehrt, wenn ihn nicht ideelle Ziele getrieben hätten, oder?! Dagegen: Daß Wal­lenstein im späteren Verlauf des Dramas dem schwedischen Gesandten Wrangel Landangebote im Falle eines Sieges macht, könnte zwei Erklärungen haben, die nicht im Gegensatz zu seiner patriotischen Gesinnung stehen müssen: +Ob Wallenstein die aus solchem Gewort zwangsläufig folgende Schlußfolgerung der Bildung einer deutschen Partei, einer gegen die der [[Habsburg]]er Hauspolitik und die Interessen der Fremdlinge gerichtete, wirklich betreiben wollte, bleibt zweifelhaft. Die ehernen und patriotischen Absichten, die Schiller hier seinem Helden in den Mund legt, können historisch plausibel sein, müssen es aber nicht; sie können eine [[Motivation]] für Wallensteins Handeln abgeben, sie können nur von Schiller gebracht worden sein, um seinen Helden sympathischer zu machen... Vielleicht entsprechen sie auch Wallensteins Ehr- und [[Wertgefühl#Selbstwertgefühl]], aber bilden sie das Hauptantriebsmoment seines Handelns? Er wäre wohl kaum in den kaiserlichen [[Dienst]] zurückgekehrt, wenn ihn nicht ideelle Ziele getrieben hätten, oder?! Dagegen: Daß Wallenstein im späteren Verlauf des Dramas dem schwedischen Gesandten Wrangel Landangebote im Falle eines Sieges macht, könnte zwei Erklärungen haben, die nicht im Gegensatz zu seiner patriotischen Gesinnung stehen müssen: 
   - Verhandlungstaktik, um den gemeinsamen Feind erst einmal zu besiegen oder auch   - Verhandlungstaktik, um den gemeinsamen Feind erst einmal zu besiegen oder auch
   - eine persönliche Ausweglosigkeit, wobei er, um den eigenen Kopf zu retten, eine politische Maxime vorerst aufgibt, was jedoch nicht (bei seinem Sternenglück!) für die [[Ewigkeit]] sein muß.   - eine persönliche Ausweglosigkeit, wobei er, um den eigenen Kopf zu retten, eine politische Maxime vorerst aufgibt, was jedoch nicht (bei seinem Sternenglück!) für die [[Ewigkeit]] sein muß.
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 Schiller spielt in diesem Falle mit dem Begriff des Rebellen und konstruiert über einen falschen historischen Sachverhalt ein peripetisches Moment, denn eben Suysens Insubordination wird von Wallenstein zum Anlaß genommen, sein rebellisches Handeln zu motivieren: Wenn der Kaiser mir in den Rücken fällt und sich nicht an Absprachen hält, muß ich das auch nicht, mag er sich gesagt haben.\\ Schiller spielt in diesem Falle mit dem Begriff des Rebellen und konstruiert über einen falschen historischen Sachverhalt ein peripetisches Moment, denn eben Suysens Insubordination wird von Wallenstein zum Anlaß genommen, sein rebellisches Handeln zu motivieren: Wenn der Kaiser mir in den Rücken fällt und sich nicht an Absprachen hält, muß ich das auch nicht, mag er sich gesagt haben.\\
 Mann berichtet, was in Wirklichkeit geschah: //Der Kaiser gab dem in Oberösterreich kommandierenden Baron de Suys Auftrag, gegen den Inn, ins Bayerische, vorzurücken... Endgültig war sein [Wallensteins] Gegenbefehl...: Suys habe im Land ob der Enns zu bleiben, seine Regimenter durch neue Anwerbungen zu stärken und sich durch niemanden, er sei, wer er sei, von dieser seiner wohlgegründeten Willensmeinung abbringen zu lassen. Der Oberst kam in die peinlichste [[Situation]], zumal Kaiser Ferdinand in einem abermaligen Brief und handschriftlichem PS ihn genau das Gleiche in entgegengesetztem Sinn wissen ließ: dieweil diese Ordonanz zu meiner und meiner Länder Sicherheit dient... Schwierige Alternativen! Suys wählte den Oberbefehlshaber im Felde und blieb, wo er war; so daß die kaiserliche Autorität, sich aufspielend wie nie zuvor, wie nie zuvor gekränkt wurde.//\\ Mann berichtet, was in Wirklichkeit geschah: //Der Kaiser gab dem in Oberösterreich kommandierenden Baron de Suys Auftrag, gegen den Inn, ins Bayerische, vorzurücken... Endgültig war sein [Wallensteins] Gegenbefehl...: Suys habe im Land ob der Enns zu bleiben, seine Regimenter durch neue Anwerbungen zu stärken und sich durch niemanden, er sei, wer er sei, von dieser seiner wohlgegründeten Willensmeinung abbringen zu lassen. Der Oberst kam in die peinlichste [[Situation]], zumal Kaiser Ferdinand in einem abermaligen Brief und handschriftlichem PS ihn genau das Gleiche in entgegengesetztem Sinn wissen ließ: dieweil diese Ordonanz zu meiner und meiner Länder Sicherheit dient... Schwierige Alternativen! Suys wählte den Oberbefehlshaber im Felde und blieb, wo er war; so daß die kaiserliche Autorität, sich aufspielend wie nie zuvor, wie nie zuvor gekränkt wurde.//\\
-Im vorliegenden Falle erreicht Schiller gewisse dramatische Effekte wie eine Polarisierung der Parteien; vorliegende [[Szene]] kann als eine entscheidende, als [[punctum saliens]], bezeichnet werden. Einiges später fährt Schiller fort, ein im Gespräch mit Questenberg nicht geäußertes Motiv anzusprechen, natürlich durch sein Sprachrohr Max mit der persönlich-unpersönlichen Gegenpartei, vorge­stellt durch Octavio: \\+Im vorliegenden Falle erreicht Schiller gewisse dramatische Effekte wie eine Polarisierung der Parteien; vorliegende [[Szene]] kann als eine entscheidende, als [[punctum saliens]], bezeichnet werden. Einiges später fährt Schiller fort, ein im Gespräch mit Questenberg nicht geäußertes Motiv anzusprechen, natürlich durch sein Sprachrohr Max mit der persönlich-unpersönlichen Gegenpartei, vorgestellt durch Octavio: \\
 Max: Zu welchem Rasenden macht man den Herzog! Er könnte daran denken, dreißigtausend geprüfter Truppen, ehrlicher Soldaten, worunter mehr denn tausend Edelleute, von [[Eid]] und Pflicht und [[Ehre]] wegzulocken, zu einer Schurkentat sie zu vereinen? \\ Max: Zu welchem Rasenden macht man den Herzog! Er könnte daran denken, dreißigtausend geprüfter Truppen, ehrlicher Soldaten, worunter mehr denn tausend Edelleute, von [[Eid]] und Pflicht und [[Ehre]] wegzulocken, zu einer Schurkentat sie zu vereinen? \\
 Octavio: So was nichtswürdig Schändliches begehrt er keineswegs - Was er von uns will, führt einen weit unschuldigeren Namen. Nichts will er, als dem Reich den Frieden schenken; und weil der Kaiser diesen Frieden haßt so will er ihn - er will ihn dazu zwingen! \\ Octavio: So was nichtswürdig Schändliches begehrt er keineswegs - Was er von uns will, führt einen weit unschuldigeren Namen. Nichts will er, als dem Reich den Frieden schenken; und weil der Kaiser diesen Frieden haßt so will er ihn - er will ihn dazu zwingen! \\
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 Wallenstein: ...Strafbar erschein ich, und ich kann die Schuld - wie ichs versuchen mag! - nicht von mir [[wälzen]]; denn mich verklagt der Doppelsinn des Lebens, und - selbst der frommen [[Quelle]] reine Tat wird der Verdacht, schlimmdeutend, mir vergiften. War ich, wofür ich gelte, der Verräter, ich hätte mir den guten [[Schein]] gespart, die Hülle hätte ich dicht um mich gezogen, dem Unmut Stimme nie geliehn. Der Unschuld des verfrühten Willens mir bewußt, gab ich der [[Laune]] Raum, der [[Leidenschaft]] - kühn war das Wort, weil es die Tat nicht war. Wallenstein: ...Strafbar erschein ich, und ich kann die Schuld - wie ichs versuchen mag! - nicht von mir [[wälzen]]; denn mich verklagt der Doppelsinn des Lebens, und - selbst der frommen [[Quelle]] reine Tat wird der Verdacht, schlimmdeutend, mir vergiften. War ich, wofür ich gelte, der Verräter, ich hätte mir den guten [[Schein]] gespart, die Hülle hätte ich dicht um mich gezogen, dem Unmut Stimme nie geliehn. Der Unschuld des verfrühten Willens mir bewußt, gab ich der [[Laune]] Raum, der [[Leidenschaft]] - kühn war das Wort, weil es die Tat nicht war.
  
-Nach so viel männlicher Präsenz jetzt zu den Frauen. Wie immer ist Schillers Darstellung der Frauengestalten von einer gewissen Süffisanz. Eigentlich haben sie im Drama nichts zu suchen - wenn man es streng als ein historisches betrachtet -, denn in den Geschichtsbüchern findet sich keine Thekla oder einflußreiche Gräfin Terzky. Allein, es ist ein Zeichen Schillerschen Frauenverständnis­ses, wenn er einerseits in der „Glocke“ die [[Frau]] an den Herd verbannt, andererseits jedoch eine Frau folgendes sagen läßt: \\+Nach so viel männlicher Präsenz jetzt zu den Frauen. Wie immer ist Schillers Darstellung der Frauengestalten von einer gewissen Süffisanz. Eigentlich haben sie im Drama nichts zu suchen - wenn man es streng als ein historisches betrachtet -, denn in den Geschichtsbüchern findet sich keine Thekla oder einflußreiche Gräfin Terzky. Allein, es ist ein Zeichen Schillerschen Frauenverständnisses, wenn er einerseits in der „Glocke“ die [[Frau]] an den Herd verbannt, andererseits jedoch eine Frau folgendes sagen läßt: \\
 Gräfin: ...Warst du ein andrer, als du vor acht Jahren mit Feuer und [[Schwert]] durch Deutschlands Kreise zogst, die Geißel schwangest über alle Länder, hohnsprachest allen Ordnungen des Reichs, der Stärke fürchterliches Recht nur übtest Gräfin: ...Warst du ein andrer, als du vor acht Jahren mit Feuer und [[Schwert]] durch Deutschlands Kreise zogst, die Geißel schwangest über alle Länder, hohnsprachest allen Ordnungen des Reichs, der Stärke fürchterliches Recht nur übtest
 und jede Landeshoheit niedertratst, um deines Sultans [[Herrschaft]] auszubreiten? Da war es Zeit, den stolzen Willen dir zu brechen, dich zur Ordnung zu verweisen! Doch wohl gefiel dem Kaiser, was ihm nützte, und schweigend drückt er diesen Freveltaten sein kaiserliches Siegel auf. Was damals [[gerecht]] war, weil dus für ihn tatst, ists heute auf einmal schändlich, weil es gegen ihn gerichtet wird?\\ und jede Landeshoheit niedertratst, um deines Sultans [[Herrschaft]] auszubreiten? Da war es Zeit, den stolzen Willen dir zu brechen, dich zur Ordnung zu verweisen! Doch wohl gefiel dem Kaiser, was ihm nützte, und schweigend drückt er diesen Freveltaten sein kaiserliches Siegel auf. Was damals [[gerecht]] war, weil dus für ihn tatst, ists heute auf einmal schändlich, weil es gegen ihn gerichtet wird?\\
 Wallenstein aufstehend: Von dieser Seite sah ichs nie - Ja! dem ist wirklich so. Es übte dieser Kaiser durch meinen Arm im Reiche Taten aus, die nach der Ordnung nie geschehen sollten. Ruft mir den Wrangel, und es sollen gleich drei Boten satteln.\\ Wallenstein aufstehend: Von dieser Seite sah ichs nie - Ja! dem ist wirklich so. Es übte dieser Kaiser durch meinen Arm im Reiche Taten aus, die nach der Ordnung nie geschehen sollten. Ruft mir den Wrangel, und es sollen gleich drei Boten satteln.\\
  
-Wallenstein entschließt sich. So ist es eine Frau, die schafft, was den Vertrauten Illo und Terzky nicht gelingt, die letztlich bestimmt, was geschieht. Aber damit nicht genug. Geht. Max nicht wegen seiner unglücklichen [[Liebe]] in den [[Tod]]? Thomas Mann schreibt über das Frauenbild Schillers: Die Frauen, auch sie gehören dazu [zur Geschichte], das verhältnislose Verhältnis zu ihnen – Amalia, Thekla, - und zur ätherischen Blässe der Gestalten die pueril prahlende Sinnlichkeit, eine Erotik, die sich so recht mondän und ausgepicht gebärdet und Fiesco sagen läßt: Das //Frauenzimmer ist nie so schön als im Schlafgewand - es ist die Tracht seines Gewerbes,// - worauf Julia Imperiali erwidert: //Das ist leichtfertig.// Es ist kolossal leichtfertig! Und schließlich: Wallenstein: //Seid ihr nicht wie die Weiber, die beständig zurück nur kommen auf ihr erstes Wort, wenn man Vernunft gesprochen stundenlang!//\\ +Wallenstein entschließt sich. So ist es eine Frau, die schafft, was den Vertrauten Illo und Terzky nicht gelingt, die letztlich bestimmt, was geschieht. Aber damit nicht genug. Geht. Max nicht wegen seiner unglücklichen [[Liebe]] in den [[Tod]]? Thomas Mann schreibt über das Frauenbild Schillers: Die Frauen, auch sie gehören dazu [zur Geschichte], das verhältnislose Verhältnis zu ihnen – Amalia, Thekla, - und zur ätherischen Blässe der Gestalten die pueril prahlende Sinnlichkeit, eine [[Erotik]], die sich so recht mondän und ausgepicht gebärdet und Fiesco sagen läßt: Das //Frauenzimmer ist nie so schön als im Schlafgewand - es ist die Tracht seines Gewerbes,// - worauf Julia Imperiali erwidert: //Das ist leichtfertig.// Es ist kolossal leichtfertig! Und schließlich: Wallenstein: //Seid ihr nicht wie die Weiber, die beständig zurück nur kommen auf ihr erstes Wort, wenn man Vernunft gesprochen stundenlang!//\\ 
 Ich glaube, hier sprach nicht nur der Ehemann Wallenstein, sondern auch der Jenaer Antiromantiker und [[Ehe]]mann Schiller. Es sind dies nur Randnotizen, aber vielleicht könnte man in dieser Richtung noch weiter forschen. Ich glaube, hier sprach nicht nur der Ehemann Wallenstein, sondern auch der Jenaer Antiromantiker und [[Ehe]]mann Schiller. Es sind dies nur Randnotizen, aber vielleicht könnte man in dieser Richtung noch weiter forschen.
  
-Sehr wichtig ist Schiller der Begriff der [[Nemesis]] (der vergeltenden [[Rache]]). In seiner geschichtlichen Betrachtung greift er diesen Begriff auf: Der kaiserliche Urteilsspruch [in bezug auf seine Absetzung], der ihn für vogelfrei erklärte, hatte seine [[Wirkung]] nicht verfehlt, und die rächende Nemesis wollte, daß der Undankbare unter den Streichen des Undanks erliegen sollte. \\+Sehr wichtig ist Schiller der Begriff der [[Nemesis]] (der vergeltenden [[Rache]]). In seiner geschichtlichen Betrachtung greift er diesen Begriff auf: Der kaiserliche Urteilsspruch [in bezug auf seine Absetzung], der ihn für vogelfrei erklärte, hatte seine [[Wirkung]] nicht verfehlt, und die rächende Nemesis wollte, daß der Undankbare unter den Streichen des [[Undank|Undanks]] erliegen sollte. \\
 [[Prolepse]]? Kann Wallenstein der kaiserlichen Acht vorgreifen, indem er selbst vergilt, was er nicht vergelten darf, seinem Kaiser die Achtung? Hat Wallenstein Handlungsfreiheit, kann seine [[Zukunft]] gestalten, wie er es möchte? Schiller kehrt den Sachverhalt um. \\ [[Prolepse]]? Kann Wallenstein der kaiserlichen Acht vorgreifen, indem er selbst vergilt, was er nicht vergelten darf, seinem Kaiser die Achtung? Hat Wallenstein Handlungsfreiheit, kann seine [[Zukunft]] gestalten, wie er es möchte? Schiller kehrt den Sachverhalt um. \\
 Wallenstein: Des Menschen Taten und [[Gedanke]]n - wißt! -sind nicht wie Meeres blindbewegte Wellen. Die innre [[Welt]], sein Mikrokosmos, ist der tiefe Schacht, aus dem sie ewig guellen. Sie sind notwendig, wie des Baumes Frucht, sie kann der [[Zufall]] gaukelnd nicht verwandeln. Hab ich des Menschen Kern erst untersucht, so weiß ich auch sein Wollen und Handeln.\\ Wallenstein: Des Menschen Taten und [[Gedanke]]n - wißt! -sind nicht wie Meeres blindbewegte Wellen. Die innre [[Welt]], sein Mikrokosmos, ist der tiefe Schacht, aus dem sie ewig guellen. Sie sind notwendig, wie des Baumes Frucht, sie kann der [[Zufall]] gaukelnd nicht verwandeln. Hab ich des Menschen Kern erst untersucht, so weiß ich auch sein Wollen und Handeln.\\
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 Gedanken über die Mordtat Butlers und dessen Rechtfertigung sollen die Beschäftigung mit dem Schillerschen Text beschließen. Butler versucht sich zu rechtfertigen: Es denkt der Mensch die freie Tat zu tun, [[umsonst]]! Er ist das Spielwerk nur der blinden Gewalt, die aus der eignen [[Wahl]] [Grundsatzentscheidung und somit frei] ihm schnell die furchtbare Notwendigkeit erschafft. In dieser negativen1 Kantschen Grundsatzentscheidung ist kein Raum für [[Sittlichkeit]]. Butler sieht sich alleinig der Naturkausalität unterworfen, die Möglichkeit der Freiheit, mithin aus der Reihe der Bedingtheiten auszutreten, ist ihm undenkbar und dementsprechend unrealistisch. So sieht er nur, was notwendig geschehen muß. Daß Schiller Butler Kants Antinomie der reinen [[Vernunft]] dritter Teil so einseitig auslegen läßt, soll Butlers Grundsatzentscheidung nicht als falsch bewerten. Der Mensch hätte keine Freiheit, wenn man Butler nicht das Recht zuspräche, so zu handeln, wie er es tat.(Es geht hier im Moment lediglich um ein Denkmodell, nicht um eine praktische Relevanz.) Gedanken über die Mordtat Butlers und dessen Rechtfertigung sollen die Beschäftigung mit dem Schillerschen Text beschließen. Butler versucht sich zu rechtfertigen: Es denkt der Mensch die freie Tat zu tun, [[umsonst]]! Er ist das Spielwerk nur der blinden Gewalt, die aus der eignen [[Wahl]] [Grundsatzentscheidung und somit frei] ihm schnell die furchtbare Notwendigkeit erschafft. In dieser negativen1 Kantschen Grundsatzentscheidung ist kein Raum für [[Sittlichkeit]]. Butler sieht sich alleinig der Naturkausalität unterworfen, die Möglichkeit der Freiheit, mithin aus der Reihe der Bedingtheiten auszutreten, ist ihm undenkbar und dementsprechend unrealistisch. So sieht er nur, was notwendig geschehen muß. Daß Schiller Butler Kants Antinomie der reinen [[Vernunft]] dritter Teil so einseitig auslegen läßt, soll Butlers Grundsatzentscheidung nicht als falsch bewerten. Der Mensch hätte keine Freiheit, wenn man Butler nicht das Recht zuspräche, so zu handeln, wie er es tat.(Es geht hier im Moment lediglich um ein Denkmodell, nicht um eine praktische Relevanz.)
  
-Der Titelheld ist nicht der einfache entweder-oder Typ wie z.B. besagter Butler; er ist kein Hasardeur oder Möchtegern-Revoluzzer, zumindest nichts davon allein. Die Komplexität der Bestrebungen Wallensteins zwangen Schiller, ihn von vielen Positionen aus zu sehen und das zu finden, was [[Aristoteles]] gemeinhin als Mesotes, zu gut deutsch die goldene Mitte, bezeichnet hat.\\ +Der Titelheld ist nicht der einfache Entweder-oder-[[Typ]] wie z.B. besagter Butler; er ist kein Hasardeur oder Möchtegern-Revoluzzer, zumindest nichts davon allein. Die Komplexität der Bestrebungen Wallensteins zwangen Schiller, ihn von vielen Positionen aus zu sehen und das zu finden, was [[Aristoteles]] gemeinhin als Mesotes, zu gut deutsch die goldene Mitte, bezeichnet hat.\\ 
-//Das Wallenstein-Drama handelt von der verzweifelten Kühn­heit des provozierten einzelnen, zugleich von der objekti­ven Determiniertheit dieses einzelnen und der Schwierig­keit, solche Determiniertheit zu überwinden.// schreibt einer der führenden DDR-Germanisten, Eike Middell. \\+//Das Wallenstein-Drama handelt von der verzweifelten Kühnheit des provozierten einzelnen, zugleich von der objektiven Determiniertheit dieses einzelnen und der Schwierigkeit, solche Determiniertheit zu überwinden.// schreibt einer der führenden DDR-Germanisten, Eike Middell. \\
 __Kommentar__: Eben nicht. Wallenstein fühlte sich in seinem Handeln nicht durch [[Provokation]] bestätigt, im [[Gegenteil]], die Gräfin setzte ihn in Handlung. Seine [[Kühnheit]] wirkt so aufgesetzt. Die Determiniertheit des einzelnen sieht Wallenstein mit Schiller nicht in einem Objektiviertem, sondern in des Menschen Kern. Verzweifelt ist Wallenstein nie, da sein Glaube nicht zu erschüttern ist, kühn ist er nicht, weil initiierte Kühnheit diesen Begriff nicht verträgt und schwierig war für Schiller nicht das Aufzeigen einer Loslösung von Determiniertheit (das zeigte schon Jahre zuvor Kant), sondern die Charakterstudie dieses Mannes. Wallensteins Freiheitsdefinition gleicht Kants [[Vorstellung]] von dem einzigen Ort, an dem [[Metaphysik]] möglich sein könnte:\\ __Kommentar__: Eben nicht. Wallenstein fühlte sich in seinem Handeln nicht durch [[Provokation]] bestätigt, im [[Gegenteil]], die Gräfin setzte ihn in Handlung. Seine [[Kühnheit]] wirkt so aufgesetzt. Die Determiniertheit des einzelnen sieht Wallenstein mit Schiller nicht in einem Objektiviertem, sondern in des Menschen Kern. Verzweifelt ist Wallenstein nie, da sein Glaube nicht zu erschüttern ist, kühn ist er nicht, weil initiierte Kühnheit diesen Begriff nicht verträgt und schwierig war für Schiller nicht das Aufzeigen einer Loslösung von Determiniertheit (das zeigte schon Jahre zuvor Kant), sondern die Charakterstudie dieses Mannes. Wallensteins Freiheitsdefinition gleicht Kants [[Vorstellung]] von dem einzigen Ort, an dem [[Metaphysik]] möglich sein könnte:\\
 Wallenstein: In meiner Brust war meine Tat noch mein: Einmal entlassen aus dem sichern Winkel des Herzens, ihrem mütterlichen Boden, hinausgegeben in des Lebens Fremde, gehört sie jenen tückschen Mächten an, die keines Menschen Kunst vertraulich macht.\\ Wallenstein: In meiner Brust war meine Tat noch mein: Einmal entlassen aus dem sichern Winkel des Herzens, ihrem mütterlichen Boden, hinausgegeben in des Lebens Fremde, gehört sie jenen tückschen Mächten an, die keines Menschen Kunst vertraulich macht.\\
-Damit ist die Prämisse Middells falsch; was Schillers Wort­werk angeht: Vielleicht hat der Dichter gedichtet und nicht bemerkt, welche Interpretationsmöglichkeiten er schafft; wir sollten uns jedenfalls an das Wortwerk halten und es klügeren Köpfen überlassen, in das Wort das Nichtwort zu integrieren. +Damit ist die Prämisse Middells falsch; was Schillers Wortwerk angeht: Vielleicht hat der Dichter gedichtet und nicht bemerkt, welche Interpretationsmöglichkeiten er schafft; wir sollten uns jedenfalls an das Wortwerk halten und es klügeren Köpfen überlassen, in das Wort das Nichtwort zu integrieren. 
  
 Eine weitere meinungsbildende Ansicht vertritt H.Sapparth. Er beschäftigte sich mit den astrologischen Aspekten:  Eine weitere meinungsbildende Ansicht vertritt H.Sapparth. Er beschäftigte sich mit den astrologischen Aspekten: 
-Mit Hilfe des astrologischen Motivs gelang es Schiller, die [[Tragik]] Wallensteins bestimmbar zu machen und der philoso­phischen Spielebene im Stück insgesamt einen gegenständ­lichen [[Ausdruck]] zu geben. Die Sterne symbolisieren einerseits das Schuldigwerden des Individuums durch ge­schichtliches Handeln und andererseits seine historisch-gesellschaftliche Determiniertheit... Die Schuldigkeit Wallensteins gegenüber den Wunschvorstellungen Maxens und Theklas entspringt weniger der subjektiven Unzulänglichkeit als vielmehr dem Handeln in der gesellschaftlich-geschichtlichen Konstellation. \\ +Mit Hilfe des astrologischen Motivs gelang es Schiller, die [[Tragik]] Wallensteins bestimmbar zu machen und der philosophischen Spielebene im Stück insgesamt einen gegenständlichen [[Ausdruck]] zu geben. Die Sterne symbolisieren einerseits das Schuldigwerden des Individuums durch geschichtliches Handeln und andererseits seine historisch-gesellschaftliche Determiniertheit... Die Schuldigkeit Wallensteins gegenüber den Wunschvorstellungen Maxens und Theklas entspringt weniger der subjektiven Unzulänglichkeit als vielmehr dem Handeln in der gesellschaftlich-geschichtlichen Konstellation. \\
 Ich halte es für fragwürdig, von einem astrologischen Motiv zu sprechen. Motiv wozu? Die [[Philosophie]] und die [[Astrologie]] haben nicht sonderlich vieles gemein. Wenn [[Goethe]] der Astrologie den Rahmen gibt, indem er sie als aus einem dunklen [[Gefühl]] des ungeheuren Weltganzen beschaut, so ist das immer noch keine gegenständliche Philosophie, denn Philosophie ist gerade das Gegenständlichmachen des Weltganzen, ohne auf ein dunkles Gefühl bauen zu müssen. Vielleicht steht dieses ganz am Anfang für erkenntnistheoretische Interessen, darauf bauen tut indes nur der [[Narr]]. Man wird annehmen dürfen, daß Schiller als Kantianer dessen „Prolegomena zu einer jeden Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können“ (Riga 1783) gelesen hat und jeden [[Zusammenhang]] zwischen der Liebe zum [[Wissen]] und dem Glauben - und sei es [[Aberglaube]] - oder das dunkle Gefühl des Weltganzen nicht hergestellt wissen möchte. Wenn Schiller Wallenstein an diese //Fratzen// glauben läßt, so wohl im Sinne eines  tragitechnischen Elements, das den Untergang makaber, geradezu tragikomisch illustriert. Es sei hier an manche Einfälle Schillers erinnert: So wollte er in Goethes „Egmont“-Inszenierung zu Weimar großen Effekt mit dem maskierten Alba in dessen Todeszeile machen. Schiller schreibt über das Astrologische nicht von einem Motiv, sondern von einer Fratze, die ich gebraucht, was wohl nicht mehr nach dem Wozu? fragen läßt.\\ Ich halte es für fragwürdig, von einem astrologischen Motiv zu sprechen. Motiv wozu? Die [[Philosophie]] und die [[Astrologie]] haben nicht sonderlich vieles gemein. Wenn [[Goethe]] der Astrologie den Rahmen gibt, indem er sie als aus einem dunklen [[Gefühl]] des ungeheuren Weltganzen beschaut, so ist das immer noch keine gegenständliche Philosophie, denn Philosophie ist gerade das Gegenständlichmachen des Weltganzen, ohne auf ein dunkles Gefühl bauen zu müssen. Vielleicht steht dieses ganz am Anfang für erkenntnistheoretische Interessen, darauf bauen tut indes nur der [[Narr]]. Man wird annehmen dürfen, daß Schiller als Kantianer dessen „Prolegomena zu einer jeden Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können“ (Riga 1783) gelesen hat und jeden [[Zusammenhang]] zwischen der Liebe zum [[Wissen]] und dem Glauben - und sei es [[Aberglaube]] - oder das dunkle Gefühl des Weltganzen nicht hergestellt wissen möchte. Wenn Schiller Wallenstein an diese //Fratzen// glauben läßt, so wohl im Sinne eines  tragitechnischen Elements, das den Untergang makaber, geradezu tragikomisch illustriert. Es sei hier an manche Einfälle Schillers erinnert: So wollte er in Goethes „Egmont“-Inszenierung zu Weimar großen Effekt mit dem maskierten Alba in dessen Todeszeile machen. Schiller schreibt über das Astrologische nicht von einem Motiv, sondern von einer Fratze, die ich gebraucht, was wohl nicht mehr nach dem Wozu? fragen läßt.\\
 Aber gehen wir hier noch ein wenig genauer auf die Motive einzelner Figuren ein! Was treibt wen an?\\ Aber gehen wir hier noch ein wenig genauer auf die Motive einzelner Figuren ein! Was treibt wen an?\\
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