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wallenstein

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wallenstein [2022/05/10 17:50] – [Historischer Kontext des Dreißigjährigen Krieges] Robert-Christian Knorrwallenstein [2023/04/01 12:34] (aktuell) Robert-Christian Knorr
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 //„Beide Kurfürstliche Durchlauchten zu [[Sachsen]] und Brandenburg einerseits, der Römisch Kaiserlichen [[Majestät]] Generalissimus andererseits haben die jetzige Devastation //[Anm. des Verfassers: Zerstörung, Verwüstung]//, ja, den Untergang des Römischen Reiches erwogen und auf [[Mittel]] und Wege gedacht, auf welche Weise dem abgeholfen, Deutschland von der Beraubung durch fremde Völker gerettet und wieder in vorigen Flor und Wohlstand gesetzt werden möchte.   //„Beide Kurfürstliche Durchlauchten zu [[Sachsen]] und Brandenburg einerseits, der Römisch Kaiserlichen [[Majestät]] Generalissimus andererseits haben die jetzige Devastation //[Anm. des Verfassers: Zerstörung, Verwüstung]//, ja, den Untergang des Römischen Reiches erwogen und auf [[Mittel]] und Wege gedacht, auf welche Weise dem abgeholfen, Deutschland von der Beraubung durch fremde Völker gerettet und wieder in vorigen Flor und Wohlstand gesetzt werden möchte.  
-‘Als haben höchstgedachte beide Kurfürstliche Durchlauchten mit hochgedachtes des Herrn Generalissimi Fürstliche Gnaden sich dahin verglichen, daß beider ihrer Kurfürstlichen Durchlauchten Waffen mit dem Kaiserlichen conjugiert und dem Commando des Herrn Generalissimi Fürstliche Gnaden unterstellt werden, in Anbetracht des besonderen Vertrauens in dieselben, daß er nämlich obgedachte [[Intention]] erreichen und ins [[Werk]] setzen wird; und also mit zusammengesetzter Macht die Restabilierung des Religions- und Prophan-Friedens, wie derselbe tempore Rudolphi, Matthiae und dann bei jetziger kaiserlicher Majestät [[Regierung]] vor diesem Unwesen sich befunden, wiedergebracht und gegen diejenigen, die denselben ferner zu turbieren obstiniert, erhalten werden solle.’“// ( Golo Mann: Wallenstein. Frankfurt/M 1988, S. 820.)\\+‘Als haben höchstgedachte beide Kurfürstliche Durchlauchten mit hochgedachtes des Herrn Generalissimi Fürstliche Gnaden sich dahin verglichen, daß beider ihrer Kurfürstlichen Durchlauchten Waffen mit dem Kaiserlichen conjugiert und dem Commando des Herrn Generalissimi Fürstliche Gnaden unterstellt werden, in Anbetracht des besonderen Vertrauens in dieselben, daß er nämlich obgedachte [[Intention]] erreichen und ins [[Werk]] setzen wird; und also mit zusammengesetzter Macht die Restabilierung des Religions- und Prophan-Friedens, wie derselbe tempore Rudolphi, Matthiae und dann bei jetziger kaiserlicher Majestät [[Regierung]] vor diesem Unwesen sich befunden, wiedergebracht und gegen diejenigen, die denselben ferner zu turbieren obstiniert, erhalten werden solle.’“// (Golo Mann: Wallenstein. Frankfurt/M 1988, S. 820.)\\
  
 Dieser Vertragsentwurf sollte also herstellen, was seit dem [[Augsburger Religionsfrieden]] vom 25.9.1555 bereits hätte gelten sollen: die [[Freiheit]] der Religionsausübung. Aber Wallenstein irrte sich, als er diesen [[Vertrag]] abschloß. Er glaubte sich bevollmächtigt, denn hatte der [[Habsburg#Habsburger]], Kaiser [[Ferdinand]] II., ihm nicht Verhandlungsfreiheit nach Gutdünken gnädigst gestattet?\\ Dieser Vertragsentwurf sollte also herstellen, was seit dem [[Augsburger Religionsfrieden]] vom 25.9.1555 bereits hätte gelten sollen: die [[Freiheit]] der Religionsausübung. Aber Wallenstein irrte sich, als er diesen [[Vertrag]] abschloß. Er glaubte sich bevollmächtigt, denn hatte der [[Habsburg#Habsburger]], Kaiser [[Ferdinand]] II., ihm nicht Verhandlungsfreiheit nach Gutdünken gnädigst gestattet?\\
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 Wallenstein aufstehend: Von dieser Seite sah ichs nie - Ja! dem ist wirklich so. Es übte dieser Kaiser durch meinen Arm im Reiche Taten aus, die nach der Ordnung nie geschehen sollten. Ruft mir den Wrangel, und es sollen gleich drei Boten satteln.\\ Wallenstein aufstehend: Von dieser Seite sah ichs nie - Ja! dem ist wirklich so. Es übte dieser Kaiser durch meinen Arm im Reiche Taten aus, die nach der Ordnung nie geschehen sollten. Ruft mir den Wrangel, und es sollen gleich drei Boten satteln.\\
  
-Wallenstein entschließt sich. So ist es eine Frau, die schafft, was den Vertrauten Illo und Terzky nicht gelingt, die letztlich bestimmt, was geschieht. Aber damit nicht genug. Geht. Max nicht wegen seiner unglücklichen [[Liebe]] in den [[Tod]]? Thomas Mann schreibt über das Frauenbild Schillers: Die Frauen, auch sie gehören dazu [zur Geschichte], das verhältnislose Verhältnis zu ihnen – Amalia, Thekla, - und zur ätherischen Blässe der Gestalten die pueril prahlende Sinnlichkeit, eine Erotik, die sich so recht mondän und ausgepicht gebärdet und Fiesco sagen läßt: Das //Frauenzimmer ist nie so schön als im Schlafgewand - es ist die Tracht seines Gewerbes,// - worauf Julia Imperiali erwidert: //Das ist leichtfertig.// Es ist kolossal leichtfertig! Und schließlich: Wallenstein: //Seid ihr nicht wie die Weiber, die beständig zurück nur kommen auf ihr erstes Wort, wenn man Vernunft gesprochen stundenlang!//\\ +Wallenstein entschließt sich. So ist es eine Frau, die schafft, was den Vertrauten Illo und Terzky nicht gelingt, die letztlich bestimmt, was geschieht. Aber damit nicht genug. Geht. Max nicht wegen seiner unglücklichen [[Liebe]] in den [[Tod]]? Thomas Mann schreibt über das Frauenbild Schillers: Die Frauen, auch sie gehören dazu [zur Geschichte], das verhältnislose Verhältnis zu ihnen – Amalia, Thekla, - und zur ätherischen Blässe der Gestalten die pueril prahlende Sinnlichkeit, eine [[Erotik]], die sich so recht mondän und ausgepicht gebärdet und Fiesco sagen läßt: Das //Frauenzimmer ist nie so schön als im Schlafgewand - es ist die Tracht seines Gewerbes,// - worauf Julia Imperiali erwidert: //Das ist leichtfertig.// Es ist kolossal leichtfertig! Und schließlich: Wallenstein: //Seid ihr nicht wie die Weiber, die beständig zurück nur kommen auf ihr erstes Wort, wenn man Vernunft gesprochen stundenlang!//\\ 
 Ich glaube, hier sprach nicht nur der Ehemann Wallenstein, sondern auch der Jenaer Antiromantiker und [[Ehe]]mann Schiller. Es sind dies nur Randnotizen, aber vielleicht könnte man in dieser Richtung noch weiter forschen. Ich glaube, hier sprach nicht nur der Ehemann Wallenstein, sondern auch der Jenaer Antiromantiker und [[Ehe]]mann Schiller. Es sind dies nur Randnotizen, aber vielleicht könnte man in dieser Richtung noch weiter forschen.
  
-Sehr wichtig ist Schiller der Begriff der [[Nemesis]] (der vergeltenden [[Rache]]). In seiner geschichtlichen Betrachtung greift er diesen Begriff auf: Der kaiserliche Urteilsspruch [in bezug auf seine Absetzung], der ihn für vogelfrei erklärte, hatte seine [[Wirkung]] nicht verfehlt, und die rächende Nemesis wollte, daß der Undankbare unter den Streichen des Undanks erliegen sollte. \\+Sehr wichtig ist Schiller der Begriff der [[Nemesis]] (der vergeltenden [[Rache]]). In seiner geschichtlichen Betrachtung greift er diesen Begriff auf: Der kaiserliche Urteilsspruch [in bezug auf seine Absetzung], der ihn für vogelfrei erklärte, hatte seine [[Wirkung]] nicht verfehlt, und die rächende Nemesis wollte, daß der Undankbare unter den Streichen des [[Undank|Undanks]] erliegen sollte. \\
 [[Prolepse]]? Kann Wallenstein der kaiserlichen Acht vorgreifen, indem er selbst vergilt, was er nicht vergelten darf, seinem Kaiser die Achtung? Hat Wallenstein Handlungsfreiheit, kann seine [[Zukunft]] gestalten, wie er es möchte? Schiller kehrt den Sachverhalt um. \\ [[Prolepse]]? Kann Wallenstein der kaiserlichen Acht vorgreifen, indem er selbst vergilt, was er nicht vergelten darf, seinem Kaiser die Achtung? Hat Wallenstein Handlungsfreiheit, kann seine [[Zukunft]] gestalten, wie er es möchte? Schiller kehrt den Sachverhalt um. \\
 Wallenstein: Des Menschen Taten und [[Gedanke]]n - wißt! -sind nicht wie Meeres blindbewegte Wellen. Die innre [[Welt]], sein Mikrokosmos, ist der tiefe Schacht, aus dem sie ewig guellen. Sie sind notwendig, wie des Baumes Frucht, sie kann der [[Zufall]] gaukelnd nicht verwandeln. Hab ich des Menschen Kern erst untersucht, so weiß ich auch sein Wollen und Handeln.\\ Wallenstein: Des Menschen Taten und [[Gedanke]]n - wißt! -sind nicht wie Meeres blindbewegte Wellen. Die innre [[Welt]], sein Mikrokosmos, ist der tiefe Schacht, aus dem sie ewig guellen. Sie sind notwendig, wie des Baumes Frucht, sie kann der [[Zufall]] gaukelnd nicht verwandeln. Hab ich des Menschen Kern erst untersucht, so weiß ich auch sein Wollen und Handeln.\\
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 Gedanken über die Mordtat Butlers und dessen Rechtfertigung sollen die Beschäftigung mit dem Schillerschen Text beschließen. Butler versucht sich zu rechtfertigen: Es denkt der Mensch die freie Tat zu tun, [[umsonst]]! Er ist das Spielwerk nur der blinden Gewalt, die aus der eignen [[Wahl]] [Grundsatzentscheidung und somit frei] ihm schnell die furchtbare Notwendigkeit erschafft. In dieser negativen1 Kantschen Grundsatzentscheidung ist kein Raum für [[Sittlichkeit]]. Butler sieht sich alleinig der Naturkausalität unterworfen, die Möglichkeit der Freiheit, mithin aus der Reihe der Bedingtheiten auszutreten, ist ihm undenkbar und dementsprechend unrealistisch. So sieht er nur, was notwendig geschehen muß. Daß Schiller Butler Kants Antinomie der reinen [[Vernunft]] dritter Teil so einseitig auslegen läßt, soll Butlers Grundsatzentscheidung nicht als falsch bewerten. Der Mensch hätte keine Freiheit, wenn man Butler nicht das Recht zuspräche, so zu handeln, wie er es tat.(Es geht hier im Moment lediglich um ein Denkmodell, nicht um eine praktische Relevanz.) Gedanken über die Mordtat Butlers und dessen Rechtfertigung sollen die Beschäftigung mit dem Schillerschen Text beschließen. Butler versucht sich zu rechtfertigen: Es denkt der Mensch die freie Tat zu tun, [[umsonst]]! Er ist das Spielwerk nur der blinden Gewalt, die aus der eignen [[Wahl]] [Grundsatzentscheidung und somit frei] ihm schnell die furchtbare Notwendigkeit erschafft. In dieser negativen1 Kantschen Grundsatzentscheidung ist kein Raum für [[Sittlichkeit]]. Butler sieht sich alleinig der Naturkausalität unterworfen, die Möglichkeit der Freiheit, mithin aus der Reihe der Bedingtheiten auszutreten, ist ihm undenkbar und dementsprechend unrealistisch. So sieht er nur, was notwendig geschehen muß. Daß Schiller Butler Kants Antinomie der reinen [[Vernunft]] dritter Teil so einseitig auslegen läßt, soll Butlers Grundsatzentscheidung nicht als falsch bewerten. Der Mensch hätte keine Freiheit, wenn man Butler nicht das Recht zuspräche, so zu handeln, wie er es tat.(Es geht hier im Moment lediglich um ein Denkmodell, nicht um eine praktische Relevanz.)
  
-Der Titelheld ist nicht der einfache entweder-oder Typ wie z.B. besagter Butler; er ist kein Hasardeur oder Möchtegern-Revoluzzer, zumindest nichts davon allein. Die Komplexität der Bestrebungen Wallensteins zwangen Schiller, ihn von vielen Positionen aus zu sehen und das zu finden, was [[Aristoteles]] gemeinhin als Mesotes, zu gut deutsch die goldene Mitte, bezeichnet hat.\\+Der Titelheld ist nicht der einfache Entweder-oder-[[Typ]] wie z.B. besagter Butler; er ist kein Hasardeur oder Möchtegern-Revoluzzer, zumindest nichts davon allein. Die Komplexität der Bestrebungen Wallensteins zwangen Schiller, ihn von vielen Positionen aus zu sehen und das zu finden, was [[Aristoteles]] gemeinhin als Mesotes, zu gut deutsch die goldene Mitte, bezeichnet hat.\\
 //Das Wallenstein-Drama handelt von der verzweifelten Kühnheit des provozierten einzelnen, zugleich von der objektiven Determiniertheit dieses einzelnen und der Schwierigkeit, solche Determiniertheit zu überwinden.// schreibt einer der führenden DDR-Germanisten, Eike Middell. \\ //Das Wallenstein-Drama handelt von der verzweifelten Kühnheit des provozierten einzelnen, zugleich von der objektiven Determiniertheit dieses einzelnen und der Schwierigkeit, solche Determiniertheit zu überwinden.// schreibt einer der führenden DDR-Germanisten, Eike Middell. \\
 __Kommentar__: Eben nicht. Wallenstein fühlte sich in seinem Handeln nicht durch [[Provokation]] bestätigt, im [[Gegenteil]], die Gräfin setzte ihn in Handlung. Seine [[Kühnheit]] wirkt so aufgesetzt. Die Determiniertheit des einzelnen sieht Wallenstein mit Schiller nicht in einem Objektiviertem, sondern in des Menschen Kern. Verzweifelt ist Wallenstein nie, da sein Glaube nicht zu erschüttern ist, kühn ist er nicht, weil initiierte Kühnheit diesen Begriff nicht verträgt und schwierig war für Schiller nicht das Aufzeigen einer Loslösung von Determiniertheit (das zeigte schon Jahre zuvor Kant), sondern die Charakterstudie dieses Mannes. Wallensteins Freiheitsdefinition gleicht Kants [[Vorstellung]] von dem einzigen Ort, an dem [[Metaphysik]] möglich sein könnte:\\ __Kommentar__: Eben nicht. Wallenstein fühlte sich in seinem Handeln nicht durch [[Provokation]] bestätigt, im [[Gegenteil]], die Gräfin setzte ihn in Handlung. Seine [[Kühnheit]] wirkt so aufgesetzt. Die Determiniertheit des einzelnen sieht Wallenstein mit Schiller nicht in einem Objektiviertem, sondern in des Menschen Kern. Verzweifelt ist Wallenstein nie, da sein Glaube nicht zu erschüttern ist, kühn ist er nicht, weil initiierte Kühnheit diesen Begriff nicht verträgt und schwierig war für Schiller nicht das Aufzeigen einer Loslösung von Determiniertheit (das zeigte schon Jahre zuvor Kant), sondern die Charakterstudie dieses Mannes. Wallensteins Freiheitsdefinition gleicht Kants [[Vorstellung]] von dem einzigen Ort, an dem [[Metaphysik]] möglich sein könnte:\\
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wallenstein.1652197811.txt.gz · Zuletzt geändert: 2022/05/10 17:50 von Robert-Christian Knorr