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zeitgestaltung

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zeitgestaltung [2020/03/11 09:58] – [Thesen] Robert-Christian Knorrzeitgestaltung [2021/08/04 19:43] – [Werkinterpretationen von Käte Hamburger, Jean Finck und Helmut Beck] Robert-Christian Knorr
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 Finck hat sich ausführlich der Differenzierung von Humor und Ironie bei TM angenommen. Er beginnt mit einer Kritik des [[Rationalismus]], setzt [[Schopenhauer]] und [[Nietzsche]] als die Zertrümmerer des Glaubens, als diejenigen, die „das [[Dogma]] von der [[Vernunft]] als dem tiefsten... Wesensgrunde des Menschen“ zerschlagen. Das Zitat kannte TM, zumindest stand das Buch in seinem Bticherschrank. Schon erhält die Ausbildung Josephs eine andere Konnotation und Jaakobs Bemerkung (IV 416) gewinnt eine ironische Potenz, die sich im späteren Verlauf des Romans entäußert, als Joseph unbewußt der Vettel Mut nachgibt (JÄ!VI. 16), so weit zumindest, daß die zweite Grube gerechtfertigt erscheinen muß. Fincks Prämisse lautet demnach: Finck hat sich ausführlich der Differenzierung von Humor und Ironie bei TM angenommen. Er beginnt mit einer Kritik des [[Rationalismus]], setzt [[Schopenhauer]] und [[Nietzsche]] als die Zertrümmerer des Glaubens, als diejenigen, die „das [[Dogma]] von der [[Vernunft]] als dem tiefsten... Wesensgrunde des Menschen“ zerschlagen. Das Zitat kannte TM, zumindest stand das Buch in seinem Bticherschrank. Schon erhält die Ausbildung Josephs eine andere Konnotation und Jaakobs Bemerkung (IV 416) gewinnt eine ironische Potenz, die sich im späteren Verlauf des Romans entäußert, als Joseph unbewußt der Vettel Mut nachgibt (JÄ!VI. 16), so weit zumindest, daß die zweite Grube gerechtfertigt erscheinen muß. Fincks Prämisse lautet demnach:
  
-Der Mensch muß gedacht werden als “ein dynamisches Drama zwischen Körper, Seele und Geist“, als existierende Einheit und [[organisch#organische]] Totalität; die [[Descartes#cartesianische]] Trennung zwischen [[Körper]] und Geist ist aufgehoben, die Dichotomie in einer [[Ganzheit]] zusammengeführt.+Der Mensch muß gedacht werden als “ein dynamisches Drama zwischen Körper, Seele und Geist“, als existierende Einheit und [[organisch#organische]] Totalität; die [[Descartes#cartesianische]] Trennung zwischen [[Körper]] und Geist ist aufgehoben, die [[Dichotomie]] in einer [[Ganzheit]] zusammengeführt.
  
 Von dieser Prämisse ausgehend läßt sich die humanistische Grundhaltung TMs erklären, die er über Eliezer Joseph angedeihen läßt und die romanstrukturell wichtig ist - auch im Gegensatz zur Genesisdarstellung der Joseph-Geschichte, in der es keinen Eliezer gibt! -, da in Eliezers Vermittlung des Menschheitswissens ein „erziehendes Bescheidwissen über die profunde [[Gleichheit]] und Ebenbürtigkeit aller Menschen“ wurzelt, das in Josephs Erziehung zum prägenden Erlebnis wurde. Aber, statt diesem Humanismus zu dienen, kann man dem Helden ein „tief wurzelndes Abwehrverhalten“ und „Trotz gegenüber den Mitmenschen“ nur bescheinigen, einen Dünkel, der ihn schließlich in die erste Grube führen wird.\\ Von dieser Prämisse ausgehend läßt sich die humanistische Grundhaltung TMs erklären, die er über Eliezer Joseph angedeihen läßt und die romanstrukturell wichtig ist - auch im Gegensatz zur Genesisdarstellung der Joseph-Geschichte, in der es keinen Eliezer gibt! -, da in Eliezers Vermittlung des Menschheitswissens ein „erziehendes Bescheidwissen über die profunde [[Gleichheit]] und Ebenbürtigkeit aller Menschen“ wurzelt, das in Josephs Erziehung zum prägenden Erlebnis wurde. Aber, statt diesem Humanismus zu dienen, kann man dem Helden ein „tief wurzelndes Abwehrverhalten“ und „Trotz gegenüber den Mitmenschen“ nur bescheinigen, einen Dünkel, der ihn schließlich in die erste Grube führen wird.\\
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 In der babylonischen Religion waren „objektive Sünden“ (Diebstahl, Würdenbelästigung, Berührung von Tabus etc.) und sittliche (Familienvergehen etc.) unterschieden. Die biblischen Bußpsalmen dagegen „...sind religiös ungleich wertvoller. Sie ruhen auf einem klaren Bewußtsein vom Verhältnis des Menschen zu Gott und sie kennen nur die innere, sittliche Verantwortlichkeit.“  In der babylonischen Religion waren „objektive Sünden“ (Diebstahl, Würdenbelästigung, Berührung von Tabus etc.) und sittliche (Familienvergehen etc.) unterschieden. Die biblischen Bußpsalmen dagegen „...sind religiös ungleich wertvoller. Sie ruhen auf einem klaren Bewußtsein vom Verhältnis des Menschen zu Gott und sie kennen nur die innere, sittliche Verantwortlichkeit.“ 
  
-Diese altbabylonischen Vorstellungen bilden den Schlüssel für das Verständnis des Alten Testaments bei Jeremias. TM nahm diese Position auf, da sie mit seinem Anspruch, eine universal-menschheitliche Dichtung zu schaffen, zusammenfiel. Die Jeremiassche Wiedergabe der Patriarchengeschichten ließ zudem die Möglichkeit zu, mythologische Motive von Babylonien nach Kanaan wandern zu lassen: Brunnen (Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich nennen? -IV 9), Entschleierung (Sie fielen auf ihn... >Herunter, herunter, herunter!< schrien sie keuchend, und einhellig war der Ketönet gemeint, das Bildkleid, das Schleiergewand, das mußte von ihm herunter... - IV 555 oder IV 582: In seinem Geist wohnten die Gedanken >Entschleierung< und >Tod< nahe beisammen...), Fluchzeit (>Ich aber reise zum erstenmal ins Verfluchte, und so sind die Tränen mir nah.> V 707), Gefängnis (Dies alles drückte sich aus in dem Mündchen-Herunterziehen und in der fast unwahrnehmbaren Kopfbewegung, durch die die Choristen einander mit dem Ohre hinabbedeuteten, wo das Reis [Samenträger (in doppelter Bedeutung, weil gerade seine Verurteilung, Muts wegen, vorausging) des Stammes Israel, der Erwählte, der Segensträger: Joseph],die Arme auf dem Rücken zusammengebunden, in einer geruderten Segelbarke das Wasser Ägyptens hinab ins Gefängnis gebracht wurde. - V 1287) und viele andere Beispiele verschobener Motive ([[Gold]], Höllenfahrt, Grube, Jungfrau, Keuschheit, Liebling, Wüste, Unterwelt, Schönheit, Täuschung, Träume, Zerstückelung usw.). Die Bedeutung dieser Motive liegt oberflächlich besehen im Symbolgehalt, sie geben TM die Möglichkeit des Rahmens, um vergegenwärtigen zu können, haben also mythologische, menschheitliche Bedeutung. Diese Möglichkeit fußt auf dem Gedanken der Abbildlichkeit ewigmenschlicher Vorstellungen. Es ist möglich und verständlich zugleich, daß altbabylonische Vorstellungen in Ägypten Entsprechungen finden können, wenn man der Idee der Abbildlichkeit folgt.+Diese altbabylonischen Vorstellungen bilden den Schlüssel für das Verständnis des Alten Testaments bei Jeremias. TM nahm diese Position auf, da sie mit seinem Anspruch, eine universal-menschheitliche Dichtung zu schaffen, zusammenfiel. Die Jeremiassche Wiedergabe der Patriarchengeschichten ließ zudem die Möglichkeit zu, mythologische Motive von Babylonien nach [[Kanaan]] wandern zu lassen: Brunnen (Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich nennen? -IV 9), Entschleierung (Sie fielen auf ihn... >Herunter, herunter, herunter!< schrien sie keuchend, und einhellig war der Ketönet gemeint, das Bildkleid, das Schleiergewand, das mußte von ihm herunter... - IV 555 oder IV 582: In seinem Geist wohnten die Gedanken >Entschleierung< und >Tod< nahe beisammen...), Fluchzeit (>Ich aber reise zum erstenmal ins Verfluchte, und so sind die Tränen mir nah.> V 707), Gefängnis (Dies alles drückte sich aus in dem Mündchen-Herunterziehen und in der fast unwahrnehmbaren Kopfbewegung, durch die die Choristen einander mit dem Ohre hinabbedeuteten, wo das Reis [Samenträger (in doppelter Bedeutung, weil gerade seine Verurteilung, Muts wegen, vorausging) des Stammes Israel, der Erwählte, der Segensträger: Joseph],die Arme auf dem Rücken zusammengebunden, in einer geruderten Segelbarke das Wasser Ägyptens hinab ins Gefängnis gebracht wurde. - V 1287) und viele andere Beispiele verschobener Motive ([[Gold]], Höllenfahrt, Grube, Jungfrau, Keuschheit, Liebling, Wüste, Unterwelt, Schönheit, Täuschung, Träume, Zerstückelung usw.). Die Bedeutung dieser Motive liegt oberflächlich besehen im Symbolgehalt, sie geben TM die Möglichkeit des Rahmens, um vergegenwärtigen zu können, haben also mythologische, menschheitliche Bedeutung. Diese Möglichkeit fußt auf dem Gedanken der Abbildlichkeit ewig-menschlicher Vorstellungen. Es ist möglich und verständlich zugleich, daß altbabylonische Vorstellungen in Ägypten Entsprechungen finden können, wenn man der Idee der Abbildlichkeit folgt.
  
  
zeitgestaltung.txt · Zuletzt geändert: 2023/11/12 17:02 von Robert-Christian Knorr