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wezel

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wezel [2010/05/03 12:06] Robert-Christian Knorrwezel [2021/12/28 10:59] – [Johann Karl Wezel] Robert-Christian Knorr
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 ===== Johann Karl Wezel ===== ===== Johann Karl Wezel =====
 1747-1819\\ 1747-1819\\
-Schriftsteller, radikaler Spätaufklärer\\ +[[Schriftsteller]], radikaler Spätaufklärer\\ 
-- am Wezel-Platner-[[Streit]] 1781/2 maßgeblich beteiligt → kritisiert Ernst Platners philosophische Medizin, die sich noch auf metaphysische Auffassungen der [[Seele]] beruft und tritt für ein neues, empirisch-psychologisches [[Verständnis]] der Seele ein +- am Wezel-Platner-[[Streit]] 1781/2 maßgeblich beteiligt → kritisiert [[Platner|Ernst Platners]] philosophische Medizin, die sich noch auf metaphysische Auffassungen der [[Seele]] beruft und tritt für ein neues, empirisch-psychologisches [[Verständnis]] der Seele ein 
  
 ==== Wezel-Platner-Debatte ==== ==== Wezel-Platner-Debatte ====
 1781/82\\ 1781/82\\
-  * a) Wezel schreibt in seinem [[Buch]] //Über Sprache, Wissenschaft und Geschmack der Deutschen// 1781, daß L[[eibniz]]' [[Theodizee]] ein Buch sei, das niemand lesen könne, ein Meer von Gelehrsamkeit, worauf das Raisonnement wie ein kleines Kähnchen schwimme +  * Wezel schreibt in seinem [[Buch]] //Über Sprache, [[Wissenschaft]] und Geschmack der Deutschen// 1781, daß [[Leibniz]]' [[Theodizee]] ein Buch sei, das niemand lesen könne, ein Meer von [[Gelehrsamkeit]], worauf das Raisonnement wie ein kleines Kähnchen schwimme 
-  * b) Platner nannte Wezel von der Kanzel in seinem Hörsaal in Leipzig einen Schöngeist, dessen [[Urteil#Urteile]] über erhabene Gegenstände wie das Leibnizsche [[Denken]] er nur für Denkschwäche halten könne, für unverbindliches Kaffeehausgeschwätz +  * Platner nannte Wezel von der Kanzel in seinem Hörsaal in Leipzig einen Schöngeist, dessen [[Urteil#Urteile]] über erhabene Gegenstände wie das Leibnizsche [[Denken]] er nur für Denkschwäche halten könne, für unverbindliches Kaffeehausgeschwätz 
-  * c) Wezel schreibt Platner einen [[Brief]] und verlangt Genugtuung, droht im Falle der Verweigerung mit Veröffentlichung dieser Forderung in Zeitungen; außerdem bezeichnet Wezel Platner als getreuen Leibniz-Schüler, der nie ein eigenes [[Wort]] geschrieben, sondern bloß kompiliert habe, außerdem beschuldigte Wezel Platner, den Kirchenrat als Zensor zu Hilfe gerufen zu haben +  * Wezel schreibt Platner einen [[Brief]] und verlangt Genugtuung, droht im Falle der Verweigerung mit Veröffentlichung dieser Forderung in Zeitungen; außerdem bezeichnet Wezel Platner als getreuen Leibniz-Schüler, der nie ein eigenes [[Wort]] geschrieben, sondern bloß kompiliert habe, außerdem beschuldigte Wezel Platner, den Kirchenrat als [[Zensor]] zu Hilfe gerufen zu haben 
-- der unter c) genannte Vorwurf war bösartig, da Platner seinerseits 1777 wegen religionskritischer Bemerkungen von orthodoxen Kreisen in Leipzig angegriffen worden war → Aphorismen-Streit\\+- der dritte genannte [[Vorwurf]] war bösartig, da Platner seinerseits 1777 wegen religionskritischer Bemerkungen von orthodoxen Kreisen in Leipzig angegriffen worden war → Aphorismen-Streit\\
 - der Streit ging in die nächste Runde, bis 26 Streitschriften Für und Wider publiziert worden waren\\ - der Streit ging in die nächste Runde, bis 26 Streitschriften Für und Wider publiziert worden waren\\
-- der Streit zeigt viel von der [[Freiheit]], die es im [[Reich]] um 1780 gab: hier freie Schriftsteller, die durch diesen Streit [[Geld]] verdienen konnten, dort fest besoldete Angestellte, die sich an mancherlei Regel halten mußten, die sie insgeheim bekämpften → am Ende machte die Zensur dem Treiben ein Ende, doch die Platnerianer hatten das bessere Ende für sich, sie waren bösartiger+- der Streit zeigt viel von der [[Freiheit]], die es im [[Reich]] um 1780 gab: hier freie Schriftsteller, die durch diesen Streit [[Geld]] verdienen konnten, dort fest besoldete [[Angestellte]], die sich an mancherlei Regel halten mußten, die sie insgeheim bekämpften → am Ende machte die [[Zensur]] dem Treiben ein Ende, doch die Platnerianer hatten das bessere Ende für sich, sie waren bösartiger
  
 === tieferer Inhalt === === tieferer Inhalt ===
-- ein Streit unter Aufklärern über die Zukunft der [[Aufklärung]] im Reich\\+- ein Streit unter Aufklärern über die [[Zukunft]] der [[Aufklärung]] im Reich\\
 - Kernvorwurf an Wezel: Haben Leibniz' [[Idee#Ideen]], selbst wenn sie nicht mehr dem neusten Denken entsprechen, das harte Urteil Wezels verdient?\\ - Kernvorwurf an Wezel: Haben Leibniz' [[Idee#Ideen]], selbst wenn sie nicht mehr dem neusten Denken entsprechen, das harte Urteil Wezels verdient?\\
-- die Antwort im Sinne Wezels schrieb ein Göttinger Student, der meinte, daß Leibniz veraltet sei, denn man verstünde ihn nicht, außerdem kann ein [[Zeitalter]] nicht aufgeklärt heißen, das den [[Geist]] des ersten Aufklärers nicht verstünde (!)\\ +- die Antwort im Sinne Wezels schrieb ein göttinger [[Student]], der meinte, daß Leibniz veraltet sei, denn man verstünde ihn nicht, außerdem kann ein [[Zeitalter]] nicht aufgeklärt heißen, das den [[Geist]] des ersten Aufklärers nicht verstünde (!)\\ 
-- die Grenzen der [[Vernunft]] werden gesucht, ob der Mensch an der göttlichen Vernunft teilhat oder teilhaben kann: produktive göttliche Vernunft und reproduktive menschliche Vernunft → prästabilierte [[Harmonie]]?\\ +- die Grenzen der [[Vernunft]] werden gesucht, ob der [[Mensch]] an der göttlichen Vernunft teilhat oder teilhaben kann: produktive göttliche Vernunft und reproduktive menschliche Vernunft → prästabilierte [[Harmonie]]?\\ 
-- aber die Erfahrungen mit der Dynamisierung der [[Wirklichkeit]] fußten in der Kritik der Vernunft, worin [[Kant]] die Methodologie der Leibnizschen Vernunft unterzog, indem er die Selbstbezüglichkeit der reinen Verstandesbegriffe, der Kategorien beziehungsweise Denkbegriffe in diesem System monierte\\+- aber die Erfahrungen mit der Dynamisierung der [[Wirklichkeit]] fußten in der Kritik der Vernunft, worin [[Kant]] die Methodologie der Leibnizschen Vernunft unterzog, indem er die [[Selbst#Selbstbezüglichkeit]] der reinen Verstandesbegriffe, der Kategorien beziehungsweise Denkbegriffe in diesem [[System]] monierte\\
 - Kant kritisierte das ontologische Defizit der Erscheinungswelt, der sinnlichen Erfahrungen bei Leibniz, denn das sei Intellektualismus, den Platner bestreite\\ - Kant kritisierte das ontologische Defizit der Erscheinungswelt, der sinnlichen Erfahrungen bei Leibniz, denn das sei Intellektualismus, den Platner bestreite\\
 - mit Wezel wird die [[Erkenntnis]] formuliert, daß seit Kant Denken und Erkennen zwei verschiedene Fähigkeiten sind \\ - mit Wezel wird die [[Erkenntnis]] formuliert, daß seit Kant Denken und Erkennen zwei verschiedene Fähigkeiten sind \\
-  - zum Erkennen gehört gegenüber dem Denken nicht bloß die Möglichkeit der Aktivierung der reinen Verstandesbegriffe, sondern eine Synthese vvon Verstandesbegriffen und von durch die Sinne aufgenommenen Wirklichkeitselementen erforderlich → Gott kann also nicht erkannt werden+  - zum Erkennen gehört gegenüber dem Denken nicht bloß die Möglichkeit der Aktivierung der reinen Verstandesbegriffe, sondern eine Synthese von Verstandesbegriffen und von durch die Sinne aufgenommenen Wirklichkeitselementen erforderlich → Gott kann also nicht erkannt werden
   - Leibniz und Platner wollen die absolute Vernunft und die [[Religion]] zusammendenken, meint Wezel, und glaubt, daß dabei die konkrete Vernunft, das Hier und Heute auf der Strecke blieben, deshalb der Vorwurf der Unzeitgemäßheit   - Leibniz und Platner wollen die absolute Vernunft und die [[Religion]] zusammendenken, meint Wezel, und glaubt, daß dabei die konkrete Vernunft, das Hier und Heute auf der Strecke blieben, deshalb der Vorwurf der Unzeitgemäßheit
 - Wezel ging es um die Öffnung der Gelehrtenrepublik gegenüber einer wie auch immer sich gerierenden Öffentlichkeit, die für einen freien Schriftsteller von größter [[Bedeutung]] ist - Wezel ging es um die Öffnung der Gelehrtenrepublik gegenüber einer wie auch immer sich gerierenden Öffentlichkeit, die für einen freien Schriftsteller von größter [[Bedeutung]] ist
wezel.txt · Zuletzt geändert: 2024/03/15 18:45 von Robert-Christian Knorr