machtfestigung
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machtfestigung [2015/01/27 15:47] – Robert-Christian Knorr | machtfestigung [2023/01/02 07:44] (aktuell) – [Etappe I: Die Machtergreifung] Robert-Christian Knorr | ||
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Ich möchte das bezweifeln. Hitler war einfach dran; demokratische Spielregeln konnten Hindenburg nicht länger daran hindern, Hitler zum Kanzler zu ernennen. Er hatte es jahrelang mit Kanzlern versucht, die im Reichstag keine Mehrheit besaßen und ihnen über den Notverordnungsartikel 48 geholfen; das war kein [[Zustand]] von [[Dauer]]. Mit Hitler war eine solche dauerhaftere Lösung (1933) dann [[möglich]], | Ich möchte das bezweifeln. Hitler war einfach dran; demokratische Spielregeln konnten Hindenburg nicht länger daran hindern, Hitler zum Kanzler zu ernennen. Er hatte es jahrelang mit Kanzlern versucht, die im Reichstag keine Mehrheit besaßen und ihnen über den Notverordnungsartikel 48 geholfen; das war kein [[Zustand]] von [[Dauer]]. Mit Hitler war eine solche dauerhaftere Lösung (1933) dann [[möglich]], | ||
- | Doch ließ sich Hitler zähmen? Hitler war in seiner [[Partei]] damit beschäftigt, | + | Doch ließ sich Hitler |
[[Wirtschaftsprogramm# | [[Wirtschaftsprogramm# | ||
- | - Bodenreform → neues [[Recht]] für Bodenbesitz und Vererbung; Förderung wertvoller Bodenstämme; | + | - Bodenreform → neues [[Recht]] für Bodenbesitz und Vererbung; Förderung wertvoller Bodenstämme; |
- | - Ablehnung der Überindustrialisierung | + | - Ablehnung der Überindustrialisierung; |
- | - Entschuldung des Bauernstandes → Einführung des Landarbeiterrechts | + | - Entschuldung des Bauernstandes → Einführung des Landarbeiterrechts; |
- | - Kampf gegen Kapitalismus und Trustbildung | + | - Kampf gegen [[Kapitalismus]] und Trustbildung; |
- | - Zurückdrängung der Gewerkschaften | + | - Zurückdrängung der Gewerkschaften; |
- | - Verstaatlichung der Großbanken | + | - Verstaatlichung der Großbanken |
- | - Beseitigung der Zinsknechtschaft | + | - Beseitigung der Zinsknechtschaft; |
- | - bergeldloser | + | - bargeldloser |
- | - Lockerung des Privateigentums gegenüber der Überspannung dieses [[Begriff# | + | - Lockerung des Privateigentums gegenüber der Überspannung dieses [[Begriff# |
- | - Ausbau des Ständegedankens | + | - Ausbau des Ständegedankens; |
- | - Mittelstandspolitik | + | - Mittelstandspolitik; |
- | - Kampf gegen Frauenarbeit und Frauenbewegung | + | - Kampf gegen Frauenarbeit und [[Frauenbewegung]]: die [[Frau]] ist zuerst Mutter und Hausfrau → das Fräulein allerdings steht, sofern es das will, im Wettbewerb mit den arbeitenden Männern (!); |
- | - Beseitigung der Wohnungsnot | + | - Beseitigung der Wohnungsnot; |
- | - Abschaffung der Warenhäuser und Konsumvereine | + | - Abschaffung der Warenhäuser und Konsumvereine; |
- | - Altersversorgung; | + | - Altersversorgung; |
- | - [[Autarkie]] der [[Wirtschaft]] | + | - [[Autarkie]] der [[Wirtschaft]]; |
- | - Lösung der Währung vom [[Gold]] | + | - Lösung der Währung vom [[Gold]]; |
- | - [[Aufhebung]] der [[Steuern]] | + | - [[Aufhebung]] der [[Steuern]]; |
- Abschaffung des Zinses. | - Abschaffung des Zinses. | ||
Und dazu war ihnen jedes [[Mittel]] recht. Zudem bot sich durch eine solche Mobilisierungskampagne die Chance, von den parteiinternen Konflikten mit einzelnen SA-Abteilungen abzulenken und den ungeduldigen Aktivisten der nationalsozialistischen Bewegung eine politische Betätigung zu bieten. Darum setzten die Nationalsozialisten bald nach der Machtübertragung an die Regierung Hitler nicht nur alle staatlichen Mittel für ihre Wahlpropaganda ein, sondern auch SA-Stürme, die überall im Lande mit ihren nun staatlich geduldeten [[Rache]]- und Einschüchterungsfeldzügen vor allem gegen die politischen [[Gegner]] von links begannen. Parteibüros und Zeitungsredaktionen von [[KPD]] und [[SPD]] wurden gestürmt und vernichtet, sozialdemokratische und kommunistische [[Politiker]] niedergeschrien, | Und dazu war ihnen jedes [[Mittel]] recht. Zudem bot sich durch eine solche Mobilisierungskampagne die Chance, von den parteiinternen Konflikten mit einzelnen SA-Abteilungen abzulenken und den ungeduldigen Aktivisten der nationalsozialistischen Bewegung eine politische Betätigung zu bieten. Darum setzten die Nationalsozialisten bald nach der Machtübertragung an die Regierung Hitler nicht nur alle staatlichen Mittel für ihre Wahlpropaganda ein, sondern auch SA-Stürme, die überall im Lande mit ihren nun staatlich geduldeten [[Rache]]- und Einschüchterungsfeldzügen vor allem gegen die politischen [[Gegner]] von links begannen. Parteibüros und Zeitungsredaktionen von [[KPD]] und [[SPD]] wurden gestürmt und vernichtet, sozialdemokratische und kommunistische [[Politiker]] niedergeschrien, | ||
- | Diese paradoxe Mischung von scheinbarer Legalität und gleichzeitigem Terror, von ungezügelter Massenmobilisierung und der Fortsetzung autoritärer Regierung, diese Verbindung von [[Tradition]] und Revolution, von [[Rhetorik]] und [[Gewalt]], bei denen man sich wohltönender Volksgemeinschaftsparolen bediente und zugleich die politischen Gegner unbarmherzig verfolgte, gehört zu den wesentlichen Bestandteilen der Machteroberung einer modernen [[Diktatur]]. Dadurch ist seither unser Bild von totalitären Herrschaftstechniken entscheidend geprägt. | + | Diese paradoxe Mischung von scheinbarer Legalität und gleichzeitigem |
Waren sich die Mehrheit der politischen Verbündeten und auch der [[Gegner]] darum einig, daß die Nationalsozialisten im für sie ungewohnten Regierungsgeschäft bald [[politisch]] abwirtschaften würden, so sollte sich bald das [[Gegenteil]] herausstellen. Im [[April]] 1933 berichtete der französische Botschafter André François-Ponçet nach [[Paris]]: //„Als am 30. Januar das Kabinett Hitler/ | Waren sich die Mehrheit der politischen Verbündeten und auch der [[Gegner]] darum einig, daß die Nationalsozialisten im für sie ungewohnten Regierungsgeschäft bald [[politisch]] abwirtschaften würden, so sollte sich bald das [[Gegenteil]] herausstellen. Im [[April]] 1933 berichtete der französische Botschafter André François-Ponçet nach [[Paris]]: //„Als am 30. Januar das Kabinett Hitler/ | ||
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==== Etappe III: Nach dem Reichstagsbrand ==== | ==== Etappe III: Nach dem Reichstagsbrand ==== | ||
- | Auf diesen Ausbruch einer wilden [[Bürgerkrieg]]smentalität überstürzten sich die Anordnungen an die Polizeibehörden: | + | Auf diesen Ausbruch einer wilden [[Bürgerkrieg]]smentalität überstürzten sich die Anordnungen an die Polizeibehörden: |
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==== Etappe VIII: Der Röhm-Putsch ==== | ==== Etappe VIII: Der Röhm-Putsch ==== | ||
- | Neben den Hakenkreuzfahnen prägten nach der nationalsozialistischen Machtübernahme am 30. Januar 1933 vor allem die braunen Uniformen der Sturmabteilung | + | Neben den Hakenkreuzfahnen prägten nach der nationalsozialistischen Machtübernahme am 30. Januar 1933 vor allem die braunen Uniformen der [[Sturmabteilung#SA]] das öffentliche Straßenbild. Auf rund vier Millionen Mitglieder war die ursprünglich als Saalschutz gegründete SA im Frühjahr 1934 angeschwollen. Entscheidend für den Eintritt in die SA war oft die Hoffnung auf eine Bevorzugung bei der Vergabe von Stellen. Genährt wurden diese Erwartungen durch den Stabschef der SA, den ehemaligen |
Die Schutzstaffel (SS) schürte gezielt Gerüchte über einen bevorstehenden Putsch der SA und betonte die - seit langem bekannte - homosexuelle Veranlagung Röhms. Anläßlich einer Führertagung der SA ließ Adolf Hitler dann am 30. Juni 1934 die gesamte SA-Führung durch SS-Einheiten liquidieren. Gleichzeitig wurden alte Rechnungen beglichen, denen alte [[Kämpfer]] der NSDAP ebenso zum [[Opfer]] fielen wie NS-Gegner. Widerspruchslos nahm die Reichswehr es hin, daß auch General [[Schleicher]] ermordet wurde. Die von den Nationalsozialisten als Röhm-Putsch bezeichnete Aktion der SS rechtfertigte die Reichsregierung am 2. Juli 1934 nachträglich per Gesetz als Staatsnotstand. Die in die Mordaktionen verstrickte Reichswehr hatte sich des lästigen Konkurrenzanspruches der SA entledigt. Um auch zukünftig der Gunst Hitlers sicher zu sein, ordnete Reichskriegsminister Werner von Blomberg noch am Todestag von Reichspräsident Hindenburg die Vereidigung der Reichswehr auf die [[Person]] des Führers und Reichskanzlers an. \\ | Die Schutzstaffel (SS) schürte gezielt Gerüchte über einen bevorstehenden Putsch der SA und betonte die - seit langem bekannte - homosexuelle Veranlagung Röhms. Anläßlich einer Führertagung der SA ließ Adolf Hitler dann am 30. Juni 1934 die gesamte SA-Führung durch SS-Einheiten liquidieren. Gleichzeitig wurden alte Rechnungen beglichen, denen alte [[Kämpfer]] der NSDAP ebenso zum [[Opfer]] fielen wie NS-Gegner. Widerspruchslos nahm die Reichswehr es hin, daß auch General [[Schleicher]] ermordet wurde. Die von den Nationalsozialisten als Röhm-Putsch bezeichnete Aktion der SS rechtfertigte die Reichsregierung am 2. Juli 1934 nachträglich per Gesetz als Staatsnotstand. Die in die Mordaktionen verstrickte Reichswehr hatte sich des lästigen Konkurrenzanspruches der SA entledigt. Um auch zukünftig der Gunst Hitlers sicher zu sein, ordnete Reichskriegsminister Werner von Blomberg noch am Todestag von Reichspräsident Hindenburg die Vereidigung der Reichswehr auf die [[Person]] des Führers und Reichskanzlers an. \\ | ||
So sehr die Vorgänge des 30. Juni an organisiertes Bandenwesen erinnern, so sehr verdeutlichen die folgenden politischen Ereignisse, daß es sich um einen staatlich geplanten und legalisierten Mord handelte, der zur [[Vollendung]] der Machtergreifung genutzt wurde. Hitler tat alles, um diese wilde Mord- und Racheaktion hinter scheinbarer [[Normalität]] und Legalität zu verstecken. In einer Kabinettssitzung rechtfertigte er am 3. Juli die Aktion als Staatsnotwehr, | So sehr die Vorgänge des 30. Juni an organisiertes Bandenwesen erinnern, so sehr verdeutlichen die folgenden politischen Ereignisse, daß es sich um einen staatlich geplanten und legalisierten Mord handelte, der zur [[Vollendung]] der Machtergreifung genutzt wurde. Hitler tat alles, um diese wilde Mord- und Racheaktion hinter scheinbarer [[Normalität]] und Legalität zu verstecken. In einer Kabinettssitzung rechtfertigte er am 3. Juli die Aktion als Staatsnotwehr, |
machtfestigung.1422373624.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/07/28 12:01 (Externe Bearbeitung)