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machtfestigung

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machtfestigung [2015/06/21 19:57] Robert-Christian Knorrmachtfestigung [2023/01/02 08:44] (aktuell) – [Etappe I: Die Machtergreifung] Robert-Christian Knorr
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 Ich möchte das bezweifeln. Hitler war einfach dran; demokratische Spielregeln konnten Hindenburg nicht länger daran hindern, Hitler zum Kanzler zu ernennen. Er hatte es jahrelang mit Kanzlern versucht, die im Reichstag keine Mehrheit besaßen und ihnen über den Notverordnungsartikel 48 geholfen; das war kein [[Zustand]] von [[Dauer]]. Mit Hitler war eine solche dauerhaftere Lösung (1933) dann [[möglich]], wenn es gelänge, ihn zu zähmen. Die wenigen Nationalsozialisten schienen tatsächlich von Repräsentanten der alten Machtgruppen eingerahmt zu sein: Neben dem neuen Reichskanzler Adolf Hitler saßen lediglich Wilhelm Frick als Reichsinnenminister und Hermann [[Göring]] als Minister ohne Geschäftsbereich und kommissarischer preußischer Innenminister im Kabinett. Hinzu kam, daß keines der Kabinettsmitglieder der NSDAP über eine größere Regierungs- und Verwaltungserfahrung oder über eine längere parlamentarische [[Erfahrung]] verfügte, wenn man von der kurzen Amtszeit Görings als Reichstagspräsident (seit den Juliwahlen 1932) einmal absah. Hitler hatte zuvor den Reichstag nie betreten, und seine Unterführer hatten die Parlamente in [[Reich]] und Ländern nur als Bühne für ihr agitatorisches Auftreten benutzt. Ich möchte das bezweifeln. Hitler war einfach dran; demokratische Spielregeln konnten Hindenburg nicht länger daran hindern, Hitler zum Kanzler zu ernennen. Er hatte es jahrelang mit Kanzlern versucht, die im Reichstag keine Mehrheit besaßen und ihnen über den Notverordnungsartikel 48 geholfen; das war kein [[Zustand]] von [[Dauer]]. Mit Hitler war eine solche dauerhaftere Lösung (1933) dann [[möglich]], wenn es gelänge, ihn zu zähmen. Die wenigen Nationalsozialisten schienen tatsächlich von Repräsentanten der alten Machtgruppen eingerahmt zu sein: Neben dem neuen Reichskanzler Adolf Hitler saßen lediglich Wilhelm Frick als Reichsinnenminister und Hermann [[Göring]] als Minister ohne Geschäftsbereich und kommissarischer preußischer Innenminister im Kabinett. Hinzu kam, daß keines der Kabinettsmitglieder der NSDAP über eine größere Regierungs- und Verwaltungserfahrung oder über eine längere parlamentarische [[Erfahrung]] verfügte, wenn man von der kurzen Amtszeit Görings als Reichstagspräsident (seit den Juliwahlen 1932) einmal absah. Hitler hatte zuvor den Reichstag nie betreten, und seine Unterführer hatten die Parlamente in [[Reich]] und Ländern nur als Bühne für ihr agitatorisches Auftreten benutzt.
  
-Doch ließ sich Hitler zähmen? Hitler war in seiner [[Partei]] damit beschäftigt, sie machtfähig zu organisieren. Dazu mußte er den linken Flügel (SA) neu aufstellen. In dieser Gruppierung gab es nämlich starke Stimmen, die sich an dem bis 1928 geltenden Grundsatzpapier [[Wirtschaftspolitik#nationalsozialistischer Wirtschaftspolitik]] orientierten und eine wirkliche [[Revolution]] planten, die bis an die Grundfesten der kapitalistischen [[Wert]]- und Wirtschaftsordnung gehen sollte.\\+Doch ließ sich Hitler [[zähmen]]? Hitler war in seiner [[Partei]] damit beschäftigt, sie machtfähig zu organisieren. Dazu mußte er den linken Flügel (SA) neu aufstellen. In dieser Gruppierung gab es nämlich starke Stimmen, die sich an dem bis 1928 geltenden Grundsatzpapier [[Wirtschaftspolitik#nationalsozialistischer Wirtschaftspolitik]] orientierten und eine wirkliche [[Revolution]] planten, die bis an die Grundfesten der kapitalistischen [[Wert]]- und Wirtschaftsordnung gehen sollte.\\
  
 [[Wirtschaftsprogramm#nationalsozialistisches Wirtschaftsprogramm]] 1928: [[Wirtschaftsprogramm#nationalsozialistisches Wirtschaftsprogramm]] 1928:
-  - Bodenreform → neues [[Recht]] für Bodenbesitz und Vererbung; Förderung wertvoller Bodenstämme; Stetigkeit des Grundbesitzes +  - Bodenreform → neues [[Recht]] für Bodenbesitz und Vererbung; Förderung wertvoller Bodenstämme; Stetigkeit des Grundbesitzes; 
-  - Ablehnung der Überindustrialisierung +  - Ablehnung der Überindustrialisierung; 
-  - Entschuldung des Bauernstandes → Einführung des Landarbeiterrechts +  - Entschuldung des Bauernstandes → Einführung des Landarbeiterrechts; 
-  - Kampf gegen Kapitalismus und Trustbildung +  - Kampf gegen [[Kapitalismus]] und Trustbildung; 
-  - Zurückdrängung der Gewerkschaften +  - Zurückdrängung der Gewerkschaften; 
-  - Verstaatlichung der Großbanken +  - Verstaatlichung der Großbanken (kleine und solide wirtschaftende Privatbanken bleiben bestehen, denn die Nationalsozialisten waren keine Gegner des Privateigentums, sofern es nicht auf dem Zins beruhte); 
-  - Beseitigung der Zinsknechtschaft +  - Beseitigung der Zinsknechtschaft; 
-  - bergeldloser Zahlungsverkehr +  - bargeldloser Zahlungsverkehr; 
-  - Lockerung des Privateigentums gegenüber der Überspannung dieses [[Begriff#Begriffs]] im römischen Privatrecht +  - Lockerung des Privateigentums gegenüber der Überspannung dieses [[Begriff#Begriffs]] im römischen Privatrecht; 
-  - Ausbau des Ständegedankens +  - Ausbau des Ständegedankens; 
-  - Mittelstandspolitik +  - Mittelstandspolitik; 
-  - Kampf gegen Frauenarbeit und Frauenbewegung +  - Kampf gegen Frauenarbeit und [[Frauenbewegung]]: die [[Frau]] ist zuerst Mutter und Hausfrau → das Fräulein allerdings steht, sofern es das will, im Wettbewerb mit den arbeitenden Männern (!); 
-  - Beseitigung der Wohnungsnot +  - Beseitigung der Wohnungsnot; 
-  - Abschaffung der Warenhäuser und Konsumvereine +  - Abschaffung der Warenhäuser und Konsumvereine; 
-  - Altersversorgung; Arbeitsdienstpflicht +  - Altersversorgung; Arbeitsdienstpflicht; 
-  - [[Autarkie]] der [[Wirtschaft]] +  - [[Autarkie]] der [[Wirtschaft]]; 
-  - Lösung der Währung vom [[Gold]] +  - Lösung der Währung vom [[Gold]]; 
-  - [[Aufhebung]] der [[Steuern]]+  - [[Aufhebung]] der [[Steuern]];
   - Abschaffung des Zinses.   - Abschaffung des Zinses.
  
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 ==== Etappe VIII: Der Röhm-Putsch ==== ==== Etappe VIII: Der Röhm-Putsch ====
    
-Neben den Hakenkreuzfahnen prägten nach der nationalsozialistischen Machtübernahme am 30. Januar 1933 vor allem die braunen Uniformen der Sturmabteilung (SAdas öffentliche Straßenbild. Auf rund vier Millionen Mitglieder war die ursprünglich als Saalschutz gegründete SA im Frühjahr 1934 angeschwollen. Entscheidend für den Eintritt in die SA war oft die Hoffnung auf eine Bevorzugung bei der Vergabe von Stellen. Genährt wurden diese Erwartungen durch den Stabschef der SA, den ehemaligen [[Offizier]] Ernst Röhm. Vor allem er forderte eine zweite Revolution mit einer radikalen sozialen Umgestaltung. In seiner SA sah Röhm den Kern einer neu zu gründenden Volksmiliz, der er auch die [[Reichswehr]] einverleiben wollte. Von der traditionsbewußten Reichswehr wurde diese [[Idee]] entschieden verworfen. Den schwelenden Konflikt zwischen SA und Reichswehr mußte Hitler entscheiden. Gegen [[Röhm]] und seine sozialrevolutionären Vorstellungen sprach sein unverhüllt vorgetragener [[Machtanspruch]]. Aber auch innerparteiliche Rivalen Röhms - vor allem Heinrich Himmler und Hermann Göring - bestärkten Hitler in seinem Entschluß, nicht die SA, sondern die Reichswehr zu einer modernen, möglichst schnell kriegsfähigen Armee auszubauen. \\+Neben den Hakenkreuzfahnen prägten nach der nationalsozialistischen Machtübernahme am 30. Januar 1933 vor allem die braunen Uniformen der [[Sturmabteilung#SA]] das öffentliche Straßenbild. Auf rund vier Millionen Mitglieder war die ursprünglich als Saalschutz gegründete SA im Frühjahr 1934 angeschwollen. Entscheidend für den Eintritt in die SA war oft die Hoffnung auf eine Bevorzugung bei der Vergabe von Stellen. Genährt wurden diese Erwartungen durch den Stabschef der SA, den ehemaligen [[Offizier]] Ernst Röhm. Vor allem er forderte eine zweite Revolution mit einer radikalen sozialen Umgestaltung. In seiner SA sah Röhm den Kern einer neu zu gründenden Volksmiliz, der er auch die [[Reichswehr]] einverleiben wollte. Von der traditionsbewußten Reichswehr wurde diese [[Idee]] entschieden verworfen. Den schwelenden Konflikt zwischen SA und Reichswehr mußte Hitler entscheiden. Gegen [[Röhm]] und seine sozialrevolutionären Vorstellungen sprach sein unverhüllt vorgetragener [[Machtanspruch]]. Aber auch innerparteiliche Rivalen Röhms - vor allem Heinrich Himmler und Hermann Göring - bestärkten Hitler in seinem Entschluß, nicht die SA, sondern die Reichswehr zu einer modernen, möglichst schnell kriegsfähigen [[Armee]] auszubauen. \\
 Die Schutzstaffel (SS) schürte gezielt Gerüchte über einen bevorstehenden Putsch der SA und betonte die - seit langem bekannte - homosexuelle Veranlagung Röhms. Anläßlich einer Führertagung der SA ließ Adolf Hitler dann am 30. Juni 1934 die gesamte SA-Führung durch SS-Einheiten liquidieren. Gleichzeitig wurden alte Rechnungen beglichen, denen alte [[Kämpfer]] der NSDAP ebenso zum [[Opfer]] fielen wie NS-Gegner. Widerspruchslos nahm die Reichswehr es hin, daß auch General [[Schleicher]] ermordet wurde. Die von den Nationalsozialisten als Röhm-Putsch bezeichnete Aktion der SS rechtfertigte die Reichsregierung am 2. Juli 1934 nachträglich per Gesetz als Staatsnotstand. Die in die Mordaktionen verstrickte Reichswehr hatte sich des lästigen Konkurrenzanspruches der SA entledigt. Um auch zukünftig der Gunst Hitlers sicher zu sein, ordnete Reichskriegsminister Werner von Blomberg noch am Todestag von Reichspräsident Hindenburg die Vereidigung der Reichswehr auf die [[Person]] des Führers und Reichskanzlers an. \\ Die Schutzstaffel (SS) schürte gezielt Gerüchte über einen bevorstehenden Putsch der SA und betonte die - seit langem bekannte - homosexuelle Veranlagung Röhms. Anläßlich einer Führertagung der SA ließ Adolf Hitler dann am 30. Juni 1934 die gesamte SA-Führung durch SS-Einheiten liquidieren. Gleichzeitig wurden alte Rechnungen beglichen, denen alte [[Kämpfer]] der NSDAP ebenso zum [[Opfer]] fielen wie NS-Gegner. Widerspruchslos nahm die Reichswehr es hin, daß auch General [[Schleicher]] ermordet wurde. Die von den Nationalsozialisten als Röhm-Putsch bezeichnete Aktion der SS rechtfertigte die Reichsregierung am 2. Juli 1934 nachträglich per Gesetz als Staatsnotstand. Die in die Mordaktionen verstrickte Reichswehr hatte sich des lästigen Konkurrenzanspruches der SA entledigt. Um auch zukünftig der Gunst Hitlers sicher zu sein, ordnete Reichskriegsminister Werner von Blomberg noch am Todestag von Reichspräsident Hindenburg die Vereidigung der Reichswehr auf die [[Person]] des Führers und Reichskanzlers an. \\
 So sehr die Vorgänge des 30. Juni an organisiertes Bandenwesen erinnern, so sehr verdeutlichen die folgenden politischen Ereignisse, daß es sich um einen staatlich geplanten und legalisierten Mord handelte, der zur [[Vollendung]] der Machtergreifung genutzt wurde. Hitler tat alles, um diese wilde Mord- und Racheaktion hinter scheinbarer [[Normalität]] und Legalität zu verstecken. In einer Kabinettssitzung rechtfertigte er am 3. Juli die Aktion als Staatsnotwehr, die rasches [[Handeln]] erforderlich gemacht habe. Das Kabinett ließ sich dazu herbei, dem Mordfall ein Mäntelchen der Legalität umzuhängen und ein Gesetz zu verabschieden, nach dem die „zur Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe am 30. Juni, 1. und 2. Juli 1934 vollzogenen Maßnahmen [...] als Staatsnotwehr rechtens (sind)“. \\ So sehr die Vorgänge des 30. Juni an organisiertes Bandenwesen erinnern, so sehr verdeutlichen die folgenden politischen Ereignisse, daß es sich um einen staatlich geplanten und legalisierten Mord handelte, der zur [[Vollendung]] der Machtergreifung genutzt wurde. Hitler tat alles, um diese wilde Mord- und Racheaktion hinter scheinbarer [[Normalität]] und Legalität zu verstecken. In einer Kabinettssitzung rechtfertigte er am 3. Juli die Aktion als Staatsnotwehr, die rasches [[Handeln]] erforderlich gemacht habe. Das Kabinett ließ sich dazu herbei, dem Mordfall ein Mäntelchen der Legalität umzuhängen und ein Gesetz zu verabschieden, nach dem die „zur Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe am 30. Juni, 1. und 2. Juli 1934 vollzogenen Maßnahmen [...] als Staatsnotwehr rechtens (sind)“. \\
machtfestigung.1434909436.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/07/28 14:01 (Externe Bearbeitung)