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 Nun gäbe dieser herausgerissene „unechte“ Distichon (für den „echten“ fehlt jeweils eine Hebung pro [[Vers]]) für sich genommen noch kein Indiz für aufgestellte Behauptung; allerdings muß der Gedichttitel berücksichtigt werden. \\ Nun gäbe dieser herausgerissene „unechte“ Distichon (für den „echten“ fehlt jeweils eine Hebung pro [[Vers]]) für sich genommen noch kein Indiz für aufgestellte Behauptung; allerdings muß der Gedichttitel berücksichtigt werden. \\
-Im Nachwort ihrer Anthologie setzen Arnim/[[Brentano]] einen weiteren Akzent für die Nutzanwendung des Weines als Synonym für Heimat beziehungsweise Vertrautes:+Im Nachwort ihrer Anthologie setzen [[Arnim]]/[[Brentano]] einen weiteren Akzent für die Nutzanwendung des Weines als Synonym für Heimat beziehungsweise Vertrautes:
  
 Frischauf, ihr Bursche! wandert mit,\\ Frischauf, ihr Bursche! wandert mit,\\
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 Petrus, allgemein als führender Apostel auch hier anerkannt, eröffnet die Runde: Da //wären wir ja..., da wären wir ja, wir junges, munteres Volk von 1700, und alle wohlbehalten wie sonst.// Das ist ein leiser Appell zur [[Ordnung]]. Daß Petrus dem letzten Punkt gemäß zu handeln vorhat, erhellt der erste Dialog mit dem geradezu erstarrten Hauff. Petrus nämlich ist es, der zuerst das Wort an Hauff richtet: //Wie wagst du es..., hieher zu kommen in dieser Stunde, graduiertes Menschenkind?// Die Ernsthaftigkeit mit der diese Frage gestellt wird, assoziiert sofort den Verdacht der Monopolisierung des Kellers zugunsten der ‚Kellergeister’ selbst. Leider nimmt der ‚[[liberal]]e’ Bacchus Petrus das Wort, so daß nach Hauffs scharfer Erwiderung der Charakter „Petrus“ nicht weiter gezeichnet wird, was ansonsten vielleicht auch zur genaueren Charakterisierung einer Weinsorte hätte geführt haben können. Bacchus ist der weltgewandte Schäker, der in diesem Keller eine spezielle, doch keine besondere Rolle spielt, denn natürlich schäkert er mit dem deutschen Fräulein „Jungfer [[Rose]]“, doch ist deren Zurückweisung mehr ihrem [[Naturell]] zu schulden als der Verfänglichkeit des ansonsten siegesbewußten Bacchus, der sich jedoch erstaunlicherweise mit der augenscheinlichen Niederlage abgibt. \\ Petrus, allgemein als führender Apostel auch hier anerkannt, eröffnet die Runde: Da //wären wir ja..., da wären wir ja, wir junges, munteres Volk von 1700, und alle wohlbehalten wie sonst.// Das ist ein leiser Appell zur [[Ordnung]]. Daß Petrus dem letzten Punkt gemäß zu handeln vorhat, erhellt der erste Dialog mit dem geradezu erstarrten Hauff. Petrus nämlich ist es, der zuerst das Wort an Hauff richtet: //Wie wagst du es..., hieher zu kommen in dieser Stunde, graduiertes Menschenkind?// Die Ernsthaftigkeit mit der diese Frage gestellt wird, assoziiert sofort den Verdacht der Monopolisierung des Kellers zugunsten der ‚Kellergeister’ selbst. Leider nimmt der ‚[[liberal]]e’ Bacchus Petrus das Wort, so daß nach Hauffs scharfer Erwiderung der Charakter „Petrus“ nicht weiter gezeichnet wird, was ansonsten vielleicht auch zur genaueren Charakterisierung einer Weinsorte hätte geführt haben können. Bacchus ist der weltgewandte Schäker, der in diesem Keller eine spezielle, doch keine besondere Rolle spielt, denn natürlich schäkert er mit dem deutschen Fräulein „Jungfer [[Rose]]“, doch ist deren Zurückweisung mehr ihrem [[Naturell]] zu schulden als der Verfänglichkeit des ansonsten siegesbewußten Bacchus, der sich jedoch erstaunlicherweise mit der augenscheinlichen Niederlage abgibt. \\
 Petrus ist es, der nach Balthasars Erzählung von einer Begegnung mit dem [[Teufel]] (oder einem ihm Verfallenen) zuerst und nach dem eigentlichen bei jeder Begegnung mit einem Teufel nach der [[Seele]] fragt. Petrus setzt Akzente und gibt die Richtung der Handlung an, verfolgt dann aber die angegebene Richtung nicht weiter. Er weiß auf Balthasars Irritation (Was schaute nach dem körperlichen Tode auf den toten [[Körper]]? Antwort Petrus’: Deine Seele!) zu antworten. Petrus ist es auch, der empirisch-psychologisierend nach dem wütenden Abgang des Rolands dessen Seelenzustand beschreibt. Auch weiß er eine [[Sentenz]] auf die zeitgenössischen oder vielleicht in ihrer Wirksamkeit schon fast vergilbten pietistischen Frömmler zu sagen: Es hat zu jeder Zeit Narren gegeben! Schließlich offenbart er musische Neigungen als er mit herrlichem, sonorem Sekund Andreas bei einem Ständchen begleitet.\\ Petrus ist es, der nach Balthasars Erzählung von einer Begegnung mit dem [[Teufel]] (oder einem ihm Verfallenen) zuerst und nach dem eigentlichen bei jeder Begegnung mit einem Teufel nach der [[Seele]] fragt. Petrus setzt Akzente und gibt die Richtung der Handlung an, verfolgt dann aber die angegebene Richtung nicht weiter. Er weiß auf Balthasars Irritation (Was schaute nach dem körperlichen Tode auf den toten [[Körper]]? Antwort Petrus’: Deine Seele!) zu antworten. Petrus ist es auch, der empirisch-psychologisierend nach dem wütenden Abgang des Rolands dessen Seelenzustand beschreibt. Auch weiß er eine [[Sentenz]] auf die zeitgenössischen oder vielleicht in ihrer Wirksamkeit schon fast vergilbten pietistischen Frömmler zu sagen: Es hat zu jeder Zeit Narren gegeben! Schließlich offenbart er musische Neigungen als er mit herrlichem, sonorem Sekund Andreas bei einem Ständchen begleitet.\\
-Paulus ist munter und kommunikativ. Er trauert den schönen alten Zeiten hinterher, allerdings kann dies nur ironisch begriffen sein. Wie ist sonst die Frage der Apostel nach den Zuständen der Gegenwart zu begreifen? Wahrscheinlich jedoch ist, daß Paulus schon pro forma den alten Zeiten nachtrauert, wie dies gelegentlich bei älteren Herrschaften zu beobachten ist. Damit ist die [[Figur]] Paulus jedoch noch keinesfalls erschöpft. Als Paulus von der ungetrübten und ewigen Freude und Herrlichkeit durch den Genuß des Weines schwärmt möchte man meinen, daß dieses gleichsam der tiefere Sinn der alljährlichen Zusammenkunft im Ratskeller sein muß; allzu zentral steht diese euphorische [[Eloge]] des nachbenannten Apostels in der Erzählung. Nach der [[Euphorie]], dem Proficiat, komplettiert das manum de fabula Paulus dessen bizarres [[Bild]]. Daß es gerade der Weltreisende des Neuen Testaments sein mußte, den Geschichten nicht interessieren!? Hat er nicht sein ganzes Leben lang Geschichten erzählt und vertrieben? Ist er nicht selbst Geschichte genug? Ebenfalls vom [[Dichter]] Hauff durch eine kräftigere Federführung gezeichnet: Judas. Judas, in altdeutschem Rot, mit an die Kopfhaut vermittels Eiweiß geklatschten Haaren, erscheint uns mit einem wohlgenährten Bäuchlein, ist gutmütig und ein Spiegelbild seiner äußeren altdeutschen Tracht: Er steht für die treue deutsche [[Minne]]. Er haßt die [[Veränderung]] und verschmäht die Menschen: //Der Teufel hole sie all.//  Judas spricht das verbotene Wort aus. Wenn einer das darf, dann Jesu Verräter, wodurch Hauff einer Erwartungshaltung seiner Leser auch geflissentlich nachzukommen gedenkt. Judas bringt das [[Gespräch]] wieder auf Hauff, bisweilen ausgelacht: ...und die Apostel lachten den Judas aus und verhöhnten ihn. - Soll dieser Artikel schon werten? - Hauff fiel hier wohl einer soziopolitischen Floskel des Jahres 1826 zum [[Opfer]], denn im übrigen wird Judas keineswegs als verräterisches [[Juden]]urbild gezeichnet, wie dies hätte geschehen können.\\+Paulus ist munter und kommunikativ. Er trauert den schönen alten Zeiten hinterher, allerdings kann dies nur ironisch begriffen sein. Wie ist sonst die Frage der Apostel nach den Zuständen der Gegenwart zu begreifen? Wahrscheinlich jedoch ist, daß Paulus schon pro forma den alten Zeiten nachtrauert, wie dies gelegentlich bei älteren Herrschaften zu beobachten ist. Damit ist die [[Figur]] Paulus jedoch noch keinesfalls erschöpft. Als Paulus von der ungetrübten und ewigen Freude und Herrlichkeit durch den Genuß des Weines schwärmt möchte man meinen, daß dieses gleichsam der tiefere Sinn der alljährlichen Zusammenkunft im Ratskeller sein muß; allzu zentral steht diese euphorische [[Eloge]] des nachbenannten Apostels in der Erzählung. Nach der [[Euphorie]], dem Proficiat, komplettiert das manum de fabula Paulus dessen bizarres [[Bild]]. Daß es gerade der Weltreisende des Neuen Testaments sein mußte, den Geschichten nicht interessieren!? Hat er nicht sein ganzes Leben lang Geschichten erzählt und vertrieben? Ist er nicht selbst Geschichte genug? Ebenfalls vom [[Dichter]] Hauff durch eine kräftigere Federführung gezeichnet: Judas. Judas, in altdeutschem Rot, mit an die Kopfhaut vermittels Eiweiß geklatschten Haaren, erscheint uns mit einem wohlgenährten Bäuchlein, ist gutmütig und ein Spiegelbild seiner äußeren altdeutschen Tracht: Er steht für die treue deutsche [[Minne]]. Er haßt die [[Veränderung]] und verschmäht die Menschen: //Der Teufel hole sie all.//  Judas spricht das verbotene Wort aus. Wenn einer das darf, dann Jesu Verräter, wodurch Hauff einer Erwartungshaltung seiner Leser auch geflissentlich nachzukommen gedenkt. Judas bringt das [[Gespräch]] wieder auf Hauff, bisweilen ausgelacht: ...und die Apostel lachten den Judas aus und verhöhnten ihn. - Soll dieser Artikel schon werten? - Hauff fiel hier wohl einer soziopolitischen [[Floskel]] des Jahres 1826 zum [[Opfer]], denn im übrigen wird Judas keineswegs als verräterisches [[Juden]]urbild gezeichnet, wie dies hätte geschehen können.\\
 Man setzt den unterbrochenen Gesang fort, will zuweilen aber auch belehren. Seine Tanzaufforderung an die Jungfer Rose könnte aus seiner Sicht fast komisch gemeint sein, doch allzusehr spricht die Geradlinigkeit seines Charakters gegen eine Verhohnepiepelung eines altdeutschen Moralvorstellungen entsprechenden älteren Frauenzimmers: //Ehrenfeste und allerschönste Jungfer Rose; dürfte ich mir...//\\ Man setzt den unterbrochenen Gesang fort, will zuweilen aber auch belehren. Seine Tanzaufforderung an die Jungfer Rose könnte aus seiner Sicht fast komisch gemeint sein, doch allzusehr spricht die Geradlinigkeit seines Charakters gegen eine Verhohnepiepelung eines altdeutschen Moralvorstellungen entsprechenden älteren Frauenzimmers: //Ehrenfeste und allerschönste Jungfer Rose; dürfte ich mir...//\\
 Johannes dagegen schlägt aus einer schläfrigen und trübseligen Grundposition heraus melancholische und nostalgische Töne an. Er ist der eigentliche [[Moralist]]. Johannes' entscheidender [[Satz]] wird im Irrealis gehalten; vielleicht ein Affront gegenüber dem [[Ton]] der [[Glaubensgewißheit]] in der [[Apokalypse]], die Dopplung der Verneinung macht diesen allerdings zunichte: //...diese Menschen wären auch wert, Wasser aus dem Rhein zu [[saufen]], statt des Rebenblutes seiner [[Hügel]], wenn sie den Namen des Mannes vergessen hätten, der zuerst die Reben pflanzte im Rheingau. Es ist ein Proficiat!// auf [[Karl]] den Großen.\\ Johannes dagegen schlägt aus einer schläfrigen und trübseligen Grundposition heraus melancholische und nostalgische Töne an. Er ist der eigentliche [[Moralist]]. Johannes' entscheidender [[Satz]] wird im Irrealis gehalten; vielleicht ein Affront gegenüber dem [[Ton]] der [[Glaubensgewißheit]] in der [[Apokalypse]], die Dopplung der Verneinung macht diesen allerdings zunichte: //...diese Menschen wären auch wert, Wasser aus dem Rhein zu [[saufen]], statt des Rebenblutes seiner [[Hügel]], wenn sie den Namen des Mannes vergessen hätten, der zuerst die Reben pflanzte im Rheingau. Es ist ein Proficiat!// auf [[Karl]] den Großen.\\
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 Wo’s schneiet rote Rosen, da regnet’s Tränen drein Wo’s schneiet rote Rosen, da regnet’s Tränen drein
  
-Drei Hebungen, meist jambischer Auftakt, doch lohnt hier, wie bei fast allen volksnahen Weisen eine nähere textstrukturelle [[Untersuchung]] nicht, die später, an einem Uhland-Gedicht verwickeltere Ergebnisse zeitigen wird. Das Interesse gilt den Sinnträgern, der textlichen [[Substanz]], die sich um das Begriffspaar Liebe-Wein rankt.+Drei Hebungen, meist jambischer Auftakt, doch lohnt hier, wie bei fast allen volksnahen Weisen eine nähere textstrukturelle [[Untersuchung]] nicht, die später, an einem [[Uhland]]-Gedicht verwickeltere Ergebnisse zeitigen wird. Das Interesse gilt den Sinnträgern, der textlichen [[Substanz]], die sich um das Begriffspaar Liebe-Wein rankt.
 Der Wein tritt uns in viererlei Hinsicht entgegen: 1. //Und trinkst den kühlen Wein?// fragt das Mädchen.\\ Der Wein tritt uns in viererlei Hinsicht entgegen: 1. //Und trinkst den kühlen Wein?// fragt das Mädchen.\\
 Der gekühlte Wein aus dem Keller ist der beste, der, der dem heimkehrenden Geliebten kredenzt wird. Es ist derjenige Wein, den die Mutter zum Festtagsbraten aus dem Keller oder aus der nördlich gelegenen Speisekammer herbeiholt. Dieser ist das äußere Zeichen der Heimat, des sich in diesem Falle wieder zu Hause Fühlens. Im übertragenen Sinne ist es die Frage des Mädchens, wann er sie zu ehelichen gedenkt.\\ Der gekühlte Wein aus dem Keller ist der beste, der, der dem heimkehrenden Geliebten kredenzt wird. Es ist derjenige Wein, den die Mutter zum Festtagsbraten aus dem Keller oder aus der nördlich gelegenen Speisekammer herbeiholt. Dieser ist das äußere Zeichen der Heimat, des sich in diesem Falle wieder zu Hause Fühlens. Im übertragenen Sinne ist es die Frage des Mädchens, wann er sie zu ehelichen gedenkt.\\
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 (Hulk oder Holk: ein-, später dreimastiges Handels- und Kriegssegelschiff des ausgehenden Mittelalters)  (Hulk oder Holk: ein-, später dreimastiges Handels- und Kriegssegelschiff des ausgehenden Mittelalters) 
  
-Die Seeräuber des [[Mittelalter]]s raubten demnach nicht nur [[Gold]] und Edelsteine, Samt und Damast oder Gewürze, sondern auch Wein. Das ist ein vollkommen neuer Aspekt: Wein als Zahlungsmittel beziehungsweise Wertgegenstand. Er besaß seinen Wert vor allem dadurch, daß er als Herrengetränk galt: Eine Mahlzeit ohne Wein war ein //prandium caninum// d.i. die Herabsetzung auf die Stufe des Pöbels, was die Nahrungsaufnahme, die in höheren Ständen als [[Ritual]] mehr und mehr behandelt wurde. Auch deshalb wurde er verfeinert mit fremdartigen Gewürzen; nur der arme Mann trank ihn rein und aus Kannen, nicht aus dem Faß im kühlen Keller. Heute dagegen wird Wein ohne Zusätze getrunken. Es gilt nicht mehr als vornehm, den Wein mit Gewürzen zu bereichern beziehungsweise bestimmte Geschmackseigenschaften hervorzukehren; vielleicht ein Indiz dafür, daß es eigentlich jedem vergönnt ist, die entsprechenden Gewürze zu beziehen.+Die Seeräuber des [[Mittelalter]]s raubten demnach nicht nur [[Gold]] und Edelsteine, Samt und Damast oder Gewürze, sondern auch Wein. Das ist ein vollkommen neuer Aspekt: Wein als Zahlungsmittel beziehungsweise Wertgegenstand. Er besaß seinen Wert vor allem dadurch, daß er als Herrengetränk galt: Eine Mahlzeit ohne Wein war ein //prandium caninum// d.i. die Herabsetzung auf die Stufe des [[Pöbel|Pöbels]], was die Nahrungsaufnahme, die in höheren Ständen als [[Ritual]] mehr und mehr behandelt wurde. Auch deshalb wurde er verfeinert mit fremdartigen Gewürzen; nur der arme Mann trank ihn rein und aus Kannen, nicht aus dem Faß im kühlen Keller. Heute dagegen wird Wein ohne Zusätze getrunken. Es gilt nicht mehr als vornehm, den Wein mit Gewürzen zu bereichern beziehungsweise bestimmte Geschmackseigenschaften hervorzukehren; vielleicht ein Indiz dafür, daß es eigentlich jedem vergönnt ist, die entsprechenden Gewürze zu beziehen.
  
 An anderer Stelle steht nicht der Vertrieb, sondern die Herstellung, das Handwerk des Winzers im Vordergrund. In einem Trinklied von ca. 1500 wird die Produktion von Wein auch als Kunst betrachtet: An anderer Stelle steht nicht der Vertrieb, sondern die Herstellung, das Handwerk des Winzers im Vordergrund. In einem Trinklied von ca. 1500 wird die Produktion von Wein auch als Kunst betrachtet:
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   - 9-12 Zustandsbeschreibung nach getaner Arbeit.   - 9-12 Zustandsbeschreibung nach getaner Arbeit.
 Es ist ferner volksliedähnlich gestaltet. Uhland verwendet den dem [[Volkslied]] typischen Endreim beziehungsweise Kreuzreim; der Kunstliedcharakter beschränkt sich formal auf den trochäischen Auftakt, der konsequent durchgehalten wird. Das lyrische [[Ich]] lebt dem Frohsinn; es will den Geruch des Lebens, der Labe einholen, es lebt auf, wenn der [[Frühling]] mit dem Urbanstag, 25.Mai, den Reben die Blüten treibt, dem Bauern wie dem [[Winzer]] kommendes [[Glück]] verkündet; dann, ja dann sind die ärgsten Ängste des Winters wirklich weggescheucht, dann spätestens hat der schon lange gegangene Osterspaziergang eine würdige Fortsetzung erfahren ([[Pictura]]). Uhland benutzt eine Äquivalenz in den Versen 3 und 4, die er mit einer Kontradiktion umrahmt. Nach dem blühenden Berg erwartet der Leser geradezu ein blühendes Tal, auch, da der Blick von oben nach unten schweift; denn aller [[Segen]] kommt von oben. Das Blühen wird angeschaut, es setzt das lyrische Ich in Freiheit, ist somit die angeschaute [[Freiheit]].\\ Es ist ferner volksliedähnlich gestaltet. Uhland verwendet den dem [[Volkslied]] typischen Endreim beziehungsweise Kreuzreim; der Kunstliedcharakter beschränkt sich formal auf den trochäischen Auftakt, der konsequent durchgehalten wird. Das lyrische [[Ich]] lebt dem Frohsinn; es will den Geruch des Lebens, der Labe einholen, es lebt auf, wenn der [[Frühling]] mit dem Urbanstag, 25.Mai, den Reben die Blüten treibt, dem Bauern wie dem [[Winzer]] kommendes [[Glück]] verkündet; dann, ja dann sind die ärgsten Ängste des Winters wirklich weggescheucht, dann spätestens hat der schon lange gegangene Osterspaziergang eine würdige Fortsetzung erfahren ([[Pictura]]). Uhland benutzt eine Äquivalenz in den Versen 3 und 4, die er mit einer Kontradiktion umrahmt. Nach dem blühenden Berg erwartet der Leser geradezu ein blühendes Tal, auch, da der Blick von oben nach unten schweift; denn aller [[Segen]] kommt von oben. Das Blühen wird angeschaut, es setzt das lyrische Ich in Freiheit, ist somit die angeschaute [[Freiheit]].\\
-Nachdem man nun eine wohlgeordnete freiheitliche [[Voraussetzung]] für die tägliche [[Not]] des Erwerbs besitzt, kann es an dem ohne [[Wut]] im Bauch, Ingrimm o.a. sein. Die Verse 5 bis 8 beschreiben die [[Situation]] des Ernteeinbringens in September (Vers 5) und Oktober (Vers 8). Uhland geht chronologisch vor, bricht aber in diesem Sinne mit [[Strophe]] 1, als der Blick noch von den Reben zum Getreide ging; aber vielleicht verweilte er mit seiner Anschauung auf dem Korn und will erst später wieder den Wein betrachten? Dennoch, dieser Rhythmuswechsel kann als Schwäche bezeichnet werden, den im übrigen fließen die Verse weich und ohne Brüche wie Ellisionen oder Enjambements still vor sich hin. Nach Vers 8 ist die Arbeit getan. Jetzt wird gefeiert (Verse 10 und 11). Nach der Eingangseloge, die die weitere Betrachtung gleichsam als Vorgang initiierte, beschreibt Uhland einen [[Zustand]], der diese Anstrengungen (Vers 7) rechtfertigte (Subscriptio). Die Manifestation der Beschreibung der Erschwernis des Erwerbs: //müde rennen//, um den Saft aus der Traube zu ziehen.\\+Nachdem man nun eine wohlgeordnete freiheitliche [[Voraussetzung]] für die tägliche [[Not]] des Erwerbs besitzt, kann es an dem ohne [[Wut]] im Bauch, Ingrimm o.a. sein. Die Verse 5 bis 8 beschreiben die [[Situation]] des Ernteeinbringens in September (Vers 5) und Oktober (Vers 8). Uhland geht chronologisch vor, bricht aber in diesem Sinne mit [[Strophe]] 1, als der Blick noch von den Reben zum Getreide ging; aber vielleicht verweilte er mit seiner Anschauung auf dem Korn und will erst später wieder den Wein betrachten? Dennoch, dieser Rhythmuswechsel kann als Schwäche bezeichnet werden, den im übrigen fließen die Verse weich und ohne Brüche wie Ellisionen oder Enjambements still vor sich hin. Nach Vers 8 ist die Arbeit getan. Jetzt wird gefeiert (Verse 10 und 11). Nach der Eingangseloge, die die weitere Betrachtung gleichsam als Vorgang initiierte, beschreibt Uhland einen [[Zustand]], der diese Anstrengungen (Vers 7) rechtfertigte (Subscriptio): die [[Manifestation]] der Beschreibung der Erschwernis des Erwerbs: //müde rennen//, um den Saft aus der Traube zu ziehen.\\
 Der dritte Teil des Gedichts beschreibt aus der Sicht des lyrischen Ichs - gleichsam in die Betrachtungsweise des Anfangs zurückkehrend - den Sinn der Anstrengungen des Jahres: das angenehme Leben, den Zustand des Verzehrens, das Einnehmen des Erarbeiteten. Der Wein fungiert hierin als Willkommenstrunk, als Einladung zu Tisch; das lyrische Ich wird in den Kreis der Arbeitenden aufgenommen, darf teilhaben am Erfolg der Arbeit. Der Text kehrt zur Exposition zurück; die Betrachtung ist nicht mehr intersubjektiv gefärbt, d.h., zwar empfunden, aber von einer [[allgemein]] geltenden Position dargestellt, sondern: Das lyrische Ich erlebt durch direkten Bezug von einem Protagonisten beziehungsweise einer Protagonistin des Geschehens (Vers 11). Daß es eine Sie ist (Vers 9), bezeichnet eher einen mütterlichen, Heimat gebietenden, betonenden Aspekt des Ganzen, als es in dem in der [[Lyrik]] vorherrschenden Liebesaspekt Anklang finden will.\\ Der dritte Teil des Gedichts beschreibt aus der Sicht des lyrischen Ichs - gleichsam in die Betrachtungsweise des Anfangs zurückkehrend - den Sinn der Anstrengungen des Jahres: das angenehme Leben, den Zustand des Verzehrens, das Einnehmen des Erarbeiteten. Der Wein fungiert hierin als Willkommenstrunk, als Einladung zu Tisch; das lyrische Ich wird in den Kreis der Arbeitenden aufgenommen, darf teilhaben am Erfolg der Arbeit. Der Text kehrt zur Exposition zurück; die Betrachtung ist nicht mehr intersubjektiv gefärbt, d.h., zwar empfunden, aber von einer [[allgemein]] geltenden Position dargestellt, sondern: Das lyrische Ich erlebt durch direkten Bezug von einem Protagonisten beziehungsweise einer Protagonistin des Geschehens (Vers 11). Daß es eine Sie ist (Vers 9), bezeichnet eher einen mütterlichen, Heimat gebietenden, betonenden Aspekt des Ganzen, als es in dem in der [[Lyrik]] vorherrschenden Liebesaspekt Anklang finden will.\\
 Und schließlich vollzieht sich das wirkliche Sichwohligfühlen am heimatlichen Tisch oder in der [[Erinnerung]] daran, die ein Gleiches schafft. Und in diesem Sinne, Proficiat, Ihr [[Herr#Herrn]]! Und schließlich vollzieht sich das wirkliche Sichwohligfühlen am heimatlichen Tisch oder in der [[Erinnerung]] daran, die ein Gleiches schafft. Und in diesem Sinne, Proficiat, Ihr [[Herr#Herrn]]!
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