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 (Hulk oder Holk: ein-, später dreimastiges Handels- und Kriegssegelschiff des ausgehenden Mittelalters)  (Hulk oder Holk: ein-, später dreimastiges Handels- und Kriegssegelschiff des ausgehenden Mittelalters) 
  
-Die Seeräuber des [[Mittelalter]]s raubten demnach nicht nur [[Gold]] und Edelsteine, Samt und Damast oder Gewürze, sondern auch Wein. Das ist ein vollkommen neuer Aspekt: Wein als Zahlungsmittel beziehungsweise Wertgegenstand. Er besaß seinen Wert vor allem dadurch, daß er als Herrengetränk galt: Eine Mahlzeit ohne Wein war ein //prandium caninum// d.i. die Herabsetzung auf die Stufe des Pöbels, was die Nahrungsaufnahme, die in höheren Ständen als [[Ritual]] mehr und mehr behandelt wurde. Auch deshalb wurde er verfeinert mit fremdartigen Gewürzen; nur der arme Mann trank ihn rein und aus Kannen, nicht aus dem Faß im kühlen Keller. Heute dagegen wird Wein ohne Zusätze getrunken. Es gilt nicht mehr als vornehm, den Wein mit Gewürzen zu bereichern beziehungsweise bestimmte Geschmackseigenschaften hervorzukehren; vielleicht ein Indiz dafür, daß es eigentlich jedem vergönnt ist, die entsprechenden Gewürze zu beziehen.+Die Seeräuber des [[Mittelalter]]s raubten demnach nicht nur [[Gold]] und Edelsteine, Samt und Damast oder Gewürze, sondern auch Wein. Das ist ein vollkommen neuer Aspekt: Wein als Zahlungsmittel beziehungsweise Wertgegenstand. Er besaß seinen Wert vor allem dadurch, daß er als Herrengetränk galt: Eine Mahlzeit ohne Wein war ein //prandium caninum// d.i. die Herabsetzung auf die Stufe des [[Pöbel|Pöbels]], was die Nahrungsaufnahme, die in höheren Ständen als [[Ritual]] mehr und mehr behandelt wurde. Auch deshalb wurde er verfeinert mit fremdartigen Gewürzen; nur der arme Mann trank ihn rein und aus Kannen, nicht aus dem Faß im kühlen Keller. Heute dagegen wird Wein ohne Zusätze getrunken. Es gilt nicht mehr als vornehm, den Wein mit Gewürzen zu bereichern beziehungsweise bestimmte Geschmackseigenschaften hervorzukehren; vielleicht ein Indiz dafür, daß es eigentlich jedem vergönnt ist, die entsprechenden Gewürze zu beziehen.
  
 An anderer Stelle steht nicht der Vertrieb, sondern die Herstellung, das Handwerk des Winzers im Vordergrund. In einem Trinklied von ca. 1500 wird die Produktion von Wein auch als Kunst betrachtet: An anderer Stelle steht nicht der Vertrieb, sondern die Herstellung, das Handwerk des Winzers im Vordergrund. In einem Trinklied von ca. 1500 wird die Produktion von Wein auch als Kunst betrachtet:
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   - 9-12 Zustandsbeschreibung nach getaner Arbeit.   - 9-12 Zustandsbeschreibung nach getaner Arbeit.
 Es ist ferner volksliedähnlich gestaltet. Uhland verwendet den dem [[Volkslied]] typischen Endreim beziehungsweise Kreuzreim; der Kunstliedcharakter beschränkt sich formal auf den trochäischen Auftakt, der konsequent durchgehalten wird. Das lyrische [[Ich]] lebt dem Frohsinn; es will den Geruch des Lebens, der Labe einholen, es lebt auf, wenn der [[Frühling]] mit dem Urbanstag, 25.Mai, den Reben die Blüten treibt, dem Bauern wie dem [[Winzer]] kommendes [[Glück]] verkündet; dann, ja dann sind die ärgsten Ängste des Winters wirklich weggescheucht, dann spätestens hat der schon lange gegangene Osterspaziergang eine würdige Fortsetzung erfahren ([[Pictura]]). Uhland benutzt eine Äquivalenz in den Versen 3 und 4, die er mit einer Kontradiktion umrahmt. Nach dem blühenden Berg erwartet der Leser geradezu ein blühendes Tal, auch, da der Blick von oben nach unten schweift; denn aller [[Segen]] kommt von oben. Das Blühen wird angeschaut, es setzt das lyrische Ich in Freiheit, ist somit die angeschaute [[Freiheit]].\\ Es ist ferner volksliedähnlich gestaltet. Uhland verwendet den dem [[Volkslied]] typischen Endreim beziehungsweise Kreuzreim; der Kunstliedcharakter beschränkt sich formal auf den trochäischen Auftakt, der konsequent durchgehalten wird. Das lyrische [[Ich]] lebt dem Frohsinn; es will den Geruch des Lebens, der Labe einholen, es lebt auf, wenn der [[Frühling]] mit dem Urbanstag, 25.Mai, den Reben die Blüten treibt, dem Bauern wie dem [[Winzer]] kommendes [[Glück]] verkündet; dann, ja dann sind die ärgsten Ängste des Winters wirklich weggescheucht, dann spätestens hat der schon lange gegangene Osterspaziergang eine würdige Fortsetzung erfahren ([[Pictura]]). Uhland benutzt eine Äquivalenz in den Versen 3 und 4, die er mit einer Kontradiktion umrahmt. Nach dem blühenden Berg erwartet der Leser geradezu ein blühendes Tal, auch, da der Blick von oben nach unten schweift; denn aller [[Segen]] kommt von oben. Das Blühen wird angeschaut, es setzt das lyrische Ich in Freiheit, ist somit die angeschaute [[Freiheit]].\\
-Nachdem man nun eine wohlgeordnete freiheitliche [[Voraussetzung]] für die tägliche [[Not]] des Erwerbs besitzt, kann es an dem ohne [[Wut]] im Bauch, Ingrimm o.a. sein. Die Verse 5 bis 8 beschreiben die [[Situation]] des Ernteeinbringens in September (Vers 5) und Oktober (Vers 8). Uhland geht chronologisch vor, bricht aber in diesem Sinne mit [[Strophe]] 1, als der Blick noch von den Reben zum Getreide ging; aber vielleicht verweilte er mit seiner Anschauung auf dem Korn und will erst später wieder den Wein betrachten? Dennoch, dieser Rhythmuswechsel kann als Schwäche bezeichnet werden, den im übrigen fließen die Verse weich und ohne Brüche wie Ellisionen oder Enjambements still vor sich hin. Nach Vers 8 ist die Arbeit getan. Jetzt wird gefeiert (Verse 10 und 11). Nach der Eingangseloge, die die weitere Betrachtung gleichsam als Vorgang initiierte, beschreibt Uhland einen [[Zustand]], der diese Anstrengungen (Vers 7) rechtfertigte (Subscriptio). Die Manifestation der Beschreibung der Erschwernis des Erwerbs: //müde rennen//, um den Saft aus der Traube zu ziehen.\\+Nachdem man nun eine wohlgeordnete freiheitliche [[Voraussetzung]] für die tägliche [[Not]] des Erwerbs besitzt, kann es an dem ohne [[Wut]] im Bauch, Ingrimm o.a. sein. Die Verse 5 bis 8 beschreiben die [[Situation]] des Ernteeinbringens in September (Vers 5) und Oktober (Vers 8). Uhland geht chronologisch vor, bricht aber in diesem Sinne mit [[Strophe]] 1, als der Blick noch von den Reben zum Getreide ging; aber vielleicht verweilte er mit seiner Anschauung auf dem Korn und will erst später wieder den Wein betrachten? Dennoch, dieser Rhythmuswechsel kann als Schwäche bezeichnet werden, den im übrigen fließen die Verse weich und ohne Brüche wie Ellisionen oder Enjambements still vor sich hin. Nach Vers 8 ist die Arbeit getan. Jetzt wird gefeiert (Verse 10 und 11). Nach der Eingangseloge, die die weitere Betrachtung gleichsam als Vorgang initiierte, beschreibt Uhland einen [[Zustand]], der diese Anstrengungen (Vers 7) rechtfertigte (Subscriptio): die [[Manifestation]] der Beschreibung der Erschwernis des Erwerbs: //müde rennen//, um den Saft aus der Traube zu ziehen.\\
 Der dritte Teil des Gedichts beschreibt aus der Sicht des lyrischen Ichs - gleichsam in die Betrachtungsweise des Anfangs zurückkehrend - den Sinn der Anstrengungen des Jahres: das angenehme Leben, den Zustand des Verzehrens, das Einnehmen des Erarbeiteten. Der Wein fungiert hierin als Willkommenstrunk, als Einladung zu Tisch; das lyrische Ich wird in den Kreis der Arbeitenden aufgenommen, darf teilhaben am Erfolg der Arbeit. Der Text kehrt zur Exposition zurück; die Betrachtung ist nicht mehr intersubjektiv gefärbt, d.h., zwar empfunden, aber von einer [[allgemein]] geltenden Position dargestellt, sondern: Das lyrische Ich erlebt durch direkten Bezug von einem Protagonisten beziehungsweise einer Protagonistin des Geschehens (Vers 11). Daß es eine Sie ist (Vers 9), bezeichnet eher einen mütterlichen, Heimat gebietenden, betonenden Aspekt des Ganzen, als es in dem in der [[Lyrik]] vorherrschenden Liebesaspekt Anklang finden will.\\ Der dritte Teil des Gedichts beschreibt aus der Sicht des lyrischen Ichs - gleichsam in die Betrachtungsweise des Anfangs zurückkehrend - den Sinn der Anstrengungen des Jahres: das angenehme Leben, den Zustand des Verzehrens, das Einnehmen des Erarbeiteten. Der Wein fungiert hierin als Willkommenstrunk, als Einladung zu Tisch; das lyrische Ich wird in den Kreis der Arbeitenden aufgenommen, darf teilhaben am Erfolg der Arbeit. Der Text kehrt zur Exposition zurück; die Betrachtung ist nicht mehr intersubjektiv gefärbt, d.h., zwar empfunden, aber von einer [[allgemein]] geltenden Position dargestellt, sondern: Das lyrische Ich erlebt durch direkten Bezug von einem Protagonisten beziehungsweise einer Protagonistin des Geschehens (Vers 11). Daß es eine Sie ist (Vers 9), bezeichnet eher einen mütterlichen, Heimat gebietenden, betonenden Aspekt des Ganzen, als es in dem in der [[Lyrik]] vorherrschenden Liebesaspekt Anklang finden will.\\
 Und schließlich vollzieht sich das wirkliche Sichwohligfühlen am heimatlichen Tisch oder in der [[Erinnerung]] daran, die ein Gleiches schafft. Und in diesem Sinne, Proficiat, Ihr [[Herr#Herrn]]! Und schließlich vollzieht sich das wirkliche Sichwohligfühlen am heimatlichen Tisch oder in der [[Erinnerung]] daran, die ein Gleiches schafft. Und in diesem Sinne, Proficiat, Ihr [[Herr#Herrn]]!
weingedicht.1668958503.txt.gz · Zuletzt geändert: 2022/11/20 16:35 von Robert-Christian Knorr