Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


widerstandsrecht

Unterschiede

Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen angezeigt.

Link zu dieser Vergleichsansicht

Beide Seiten der vorigen RevisionVorhergehende Überarbeitung
Nächste Überarbeitung
Vorhergehende Überarbeitung
widerstandsrecht [2023/01/22 09:12] Robert-Christian Knorrwiderstandsrecht [2023/05/11 20:19] (aktuell) – [Luther und das Widerstandsrecht] Robert-Christian Knorr
Zeile 22: Zeile 22:
 ===== Luther und das Widerstandsrecht ===== ===== Luther und das Widerstandsrecht =====
 Das Widerstandsrecht ist eine Frucht der dualistischen Staatsauffassung, in der [[Volk]] und [[Herrscher]] als [[Gegensatz]] gelten. In [[Luther#Luthers]] [[Situation]] an der Scheide zwischen [[Mittelalter]] und Neuzeit besteht das Hauptantriebsmoment gesellschaftlicher [[Veränderung#Veränderungen]] nicht in der [[Bildung]] eines machtorientierten aggressiven [[Bürgertum#Bürgertums]], wie zeitgleich in [[England]] oder [[Holland]], sondern im Selbstbehauptungswillen der Territorialfürsten, deren wichtigstes [[Ziel]] die Ausgestaltung ihres vererbbaren Machtbezirks abgibt. Unausbleiblich blieb da ein Konflikt mit der kaiserlichen Zentralgewalt. Blieb die Frage, ob dort im fernen [[Wien]] ein [[Bewußtsein]] bestand, daß sich über die religiösen Fragen im [[Reich]] auch die politischen entschieden, daß die längst überfällige Reform der [[Kirche]] auch die des Reiches nach sich ziehen würde, denn das eine hing mit dem anderen zusammen. – Darum zuerst ein Blick in die deutsche Hauptstadt: Wer regierte dort? Welche Absichten hegte der [[Kaiser]]? Was würde Widerstand gegen diesen Potentaten bedeuten? Das Widerstandsrecht ist eine Frucht der dualistischen Staatsauffassung, in der [[Volk]] und [[Herrscher]] als [[Gegensatz]] gelten. In [[Luther#Luthers]] [[Situation]] an der Scheide zwischen [[Mittelalter]] und Neuzeit besteht das Hauptantriebsmoment gesellschaftlicher [[Veränderung#Veränderungen]] nicht in der [[Bildung]] eines machtorientierten aggressiven [[Bürgertum#Bürgertums]], wie zeitgleich in [[England]] oder [[Holland]], sondern im Selbstbehauptungswillen der Territorialfürsten, deren wichtigstes [[Ziel]] die Ausgestaltung ihres vererbbaren Machtbezirks abgibt. Unausbleiblich blieb da ein Konflikt mit der kaiserlichen Zentralgewalt. Blieb die Frage, ob dort im fernen [[Wien]] ein [[Bewußtsein]] bestand, daß sich über die religiösen Fragen im [[Reich]] auch die politischen entschieden, daß die längst überfällige Reform der [[Kirche]] auch die des Reiches nach sich ziehen würde, denn das eine hing mit dem anderen zusammen. – Darum zuerst ein Blick in die deutsche Hauptstadt: Wer regierte dort? Welche Absichten hegte der [[Kaiser]]? Was würde Widerstand gegen diesen Potentaten bedeuten?
-<html><img src="http://www.vonwolkenstein.de/weltgeschichte/luther.jpg" width="370" height="480" border="4" align="right" style="margin-left:5mm" alt="Luther"></html>+{{ :martinus_cranach.jpg?400|}}
 Die weltgeschichtlich bedeutsamen [[Hoffnung#Hoffnungen]], die man im Wahljahr 1519 an den Kaiser heftet, werden sukzessive enttäuscht. Der junge und [[politisch]] fähige Kaiser hält nicht viel von den [[allgemein#allgemeinen]] Hoffnungen, jedenfalls äußert er sich nicht in einem [[Sinn#Sinne]], der diesen [[Schluß]] zuließe. Zur Disposition stehen folgende politische Aufgaben: Die weltgeschichtlich bedeutsamen [[Hoffnung#Hoffnungen]], die man im Wahljahr 1519 an den Kaiser heftet, werden sukzessive enttäuscht. Der junge und [[politisch]] fähige Kaiser hält nicht viel von den [[allgemein#allgemeinen]] Hoffnungen, jedenfalls äußert er sich nicht in einem [[Sinn#Sinne]], der diesen [[Schluß]] zuließe. Zur Disposition stehen folgende politische Aufgaben:
  
Zeile 169: Zeile 169:
   - Karl V. dürfe keinen [[Reichsstand]] ohne Verhör in die Acht schicken; sondern, er müsse sich an die Rechte des Reichs halten.   - Karl V. dürfe keinen [[Reichsstand]] ohne Verhör in die Acht schicken; sondern, er müsse sich an die Rechte des Reichs halten.
  
-Der sächsische Churfürst kann diese Bedingungen stellen, weil [[Leo#Leo X.]], derzeitiger Papst, zu einer Unterstützung Friedrichs (Daß Leo somit auch zugunsten der Luthersache Nachsicht üben mußte, ist ein für den Entwicklungsgang der Reformation nicht zu überschätzendes Nebenergebnis.) im Kaiserwahljahr tendiert. Ein [[Grund]] liegt auf rein weltlichem Gebiet: Leo kann an den beiden Bewerbern [[Franz#Franz I. von Frankreich]] und Karl nichts Attraktives finden. Franz besitzt Norditalien und würde durch die Kaiserwahl noch bedrohlicher für das Gebiet des Vatikans. Karl war Besitzer Neapels, was den Druck auf den Kirchenstaat bei einer [[Kaiserwahl]] ebenfalls erhöht hätte. Ein anderer wird in der Diminution vom [[Begehren]] des keuschen Mönchs gelegen haben. Der lebensfrohe Leo von [[Medici]] kann über Luthers Bezeichnung des Evangeliums als Charte der Menschlichkeit nur milde gelächelt haben. Leo war mit dem Bau der Peterskirche, aus deutschem Ablaßgeld, viel zu sehr beschäftigt, als daß er irgendeiner [[Häresie]] größere [[Aufmerksamkeit]] hätte schenken können.  +Der sächsische Churfürst kann diese Bedingungen stellen, weil [[Leo#Leo X.]], derzeitiger Papst, zu einer Unterstützung Friedrichs (Daß Leo somit auch zugunsten der Luthersache [[Nachsicht]] üben mußte, ist ein für den Entwicklungsgang der Reformation nicht zu überschätzendes Nebenergebnis.) im Kaiserwahljahr tendiert. Ein [[Grund]] liegt auf rein weltlichem Gebiet: Leo kann an den beiden Bewerbern [[Franz#Franz I. von Frankreich]] und Karl nichts Attraktives finden. Franz besitzt Norditalien und würde durch die Kaiserwahl noch bedrohlicher für das Gebiet des Vatikans. Karl war Besitzer Neapels, was den Druck auf den Kirchenstaat bei einer [[Kaiserwahl]] ebenfalls erhöht hätte. Ein anderer wird in der Diminution vom [[Begehren]] des keuschen Mönchs gelegen haben. Der lebensfrohe Leo von [[Medici]] kann über Luthers Bezeichnung des Evangeliums als Charte der Menschlichkeit nur milde gelächelt haben. Leo war mit dem Bau der Peterskirche, aus deutschem Ablaßgeld, viel zu sehr beschäftigt, als daß er irgendeiner [[Häresie]] größere [[Aufmerksamkeit]] hätte schenken können.  
 Mit der //capitulatio// gelingt es Friedrich wenigstens, die Macht Karls einzuschränken. Karls Kulanz gegenüber den deutschen Fürsten liegt 1519 in der Bedeutung, die er dem Gedanken der //monarchia universalis// schenkt: „Es ging nicht mehr um dieses oder jenes Land und Erbstück, sondern um das [[Höchste]], was menschliche Gedanken an irdischer Macht fassen konnten.“ 10 Jahre später wird für Karl V. furchtbares politisches Verhängnis, daß er\\ Mit der //capitulatio// gelingt es Friedrich wenigstens, die Macht Karls einzuschränken. Karls Kulanz gegenüber den deutschen Fürsten liegt 1519 in der Bedeutung, die er dem Gedanken der //monarchia universalis// schenkt: „Es ging nicht mehr um dieses oder jenes Land und Erbstück, sondern um das [[Höchste]], was menschliche Gedanken an irdischer Macht fassen konnten.“ 10 Jahre später wird für Karl V. furchtbares politisches Verhängnis, daß er\\
   - durch die Errichtung einer ständischen Mitregierung, [[Reichsregiment]], kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Franz und Karl fernzuhalten gedachte,   - durch die Errichtung einer ständischen Mitregierung, [[Reichsregiment]], kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Franz und Karl fernzuhalten gedachte,
widerstandsrecht.1674375163.txt.gz · Zuletzt geändert: 2023/01/22 09:12 von Robert-Christian Knorr