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dao

DAO

ORDNUNG, PRINZIP, Urgrund des Daoismus, LAOTSE: Weg aller Wege, ein metaphysisches Konzept, das das Universum bestimmt
- es zu verstehen bedeutet, sich gelingend in die Wirklichkeit einfühlen zu können und Einklang mit der Natur zu finden → persönliches Glück ist möglich

Daoismus

- chinesische RELIGION, dem KONFUZIANISMUS verwandt, aber im GEGENSATZ zum ihm die eher dunkle, mystische Seite der Weltwahrnehmung
- wurde im 6. Jahrhundert v.Chr. von Lao Zi, dem alten Kind, begründet und dreihundert Jahre später im Dao De Jing (Buch der Tugend) schriftlich fixiert
- erlebte seine Hochzeit unter der Tang-Dynastie (618-907), danach durch den NEOKONFUZIANISMUS und BUDDHISMUS verdrängt, aber immer lebendig geblieben
- es ist in China durchaus möglich, im Alltag Konfuzianer (Teil des gesellschaftlichen Lebens) und am Abend Daoist (Individualist) zu sein → China kennt den harten, unversöhnlichen Kampf der Religionen nicht

Lehre

- will im GEGENSATZ zu dem Konfuzianismus - der den Menschen aufgibt, dem Weg des Himmels zu folgen, um sittliche Vervollkommnung zu erreichen -, daß die Menschen gemäß der Natur leben, die den Weg, Dao, vorgibt
- das Dao entzieht sich, kann also kaum mit Worten beschrieben werden, was Lao Zi aber dennoch versucht:

  1. Dao ist der Urgrund der Welt, woraus alles entstanden;
  2. aus dem Dao entspringt das Eine, aus dem das Zweifache, aus dem das Dreifache und alles übrige;
  3. das Dao ist universell, nicht definierbar, ein unbehauener Holzblock; würde man es definieren, würde man es begrenzen, also seine Vollkommenheit beeinträchtigen;
  4. das Dao wird mit dem Nicht-Sein in Verbindung gebracht und läßt das Sein entstehen → die Welt entstand aus dem NICHTS, aber die EXISTENZ aller Dinge auf der Welt rührt vom SEIN her, nicht vom Nicht-Sein;
  5. das Dao ist - im Unterschied zu den himmlischen Kräften bei den Konfuzianern - weder sittlich noch parteiisch; es ist schlichtweg Naturkraft, Bildungsprinzip ohne moralischen Kompaß

- das De im Dao De Jing bedeutet „Kraft“, zuweilen auch „Tugend“ und ist eine dem menschen zugeschriebene Potenz, die aus seiner Verbindung mit dem Dao rührt → die Kraft ist komplementär in Yin (Dunkles, Weiches, Weibliches) und Yang (Helle, Härte, Männliches) geteilt

Erkenntnistheorie

wörtliche Übersetzung aus dem Daudedsching, Kapitel 1:
sagbar das Dao
doch nicht das ewige Dao
nennbar der Name
doch nicht der ewige Name
namenlos
des Himmels, der Erde Beginn
namhaft erst der zahllosen Dinge Urmutter
darum:
immer begehrlos
und schaubar wird der Dinge Geheimnis
[Substanz]
immer begehrlich
und schaubar wird der Dinge Umrandung
[Schein]
beide gemeinsam entsprungen dem Einen
sind sie nur anders im Namen
[Nominalismus]
gemeinsam gehören sie dem Unendlichen
[Kosmos]
dort, wo er am dunkelsten, der Kosmos,
liegt aller Geheimnisse Eingangstor

Spezifizierung in Kapitel 25:
ein Etwas gibt es, aus dem Chaos geworden
früher als Himmel und Erde entstanden
ein einsam-stilles, endlos weites
in sich allein, unwandelbar
kreisend, nie sich erschöpfend
des Alls Urmutter könnte man es nennen
ich kenne seinen Namen nicht
ich nenne es Dao
und da ich beizeichnen muß
nenn ich es groß
groß - denn es entfließt
entfließt - ist also fern
fern - und kehrt doch zurück
so ist das Dao groß
groß der Himmel
groß die Erde
und groß auch das Königliche
vier große Dinge gibt es in der Welt:
eines davon ist das Königliche
es folgt der Mensch der Erde
die Erde folgt dem Himmel
der Himmel folgt dem Dao
das Dao folgt sich selber

Ethik

Tue nichts, und nichts bleibt ungetan! Halte dich an das Schlichte, führe ein einfaches Leben. Ambitionen richten sich irgendwann gegen dich.

insbesondere die Kapitel 47 und 48 des Daudedsching zeigen kernethische Gedanken der Selbstversenkung und der Leidensminimierung:

nicht aus dem Hause gehn
doch alles wissen
nicht aus dem Fenster blciken
und doch das Dao des Himmels [in sich] sehen
je weiter hinaus man geht
desto weniger weiß man
darum geht der Weise nicht hinaus
und weiß doch
blickt nicht hin
und kann doch der Dinge Namen nennen
handelt nicht
und vollendet doch
wer dem Lernen ergeben, gewinnt täglich
wer dem Dao ergeben, verliert täglich
verlierend, verlernend gelangt er
mählich dahin, nicht mehr tätig zu sein [nach Gewinn zu streben]
nichts bleibt ungetan
wo nichts Überflüssiges getan wird
zu wahrer Herrschaft im Reich gelangten
immer nur Tatenlose
jene, die Taten vollbringen
sind nicht fähig, das Reich zu erlangen

Logik

Auffassung der Welt als ein geschlossenes System, in dem jede Tat eine Gegentat nach sich zieht, deren Summe 0 ist, ein Nullsummenspiel, hier in Kapitel 2 des Daudedsching beschrieben:

alle wissen, daß schön das Schöne
so gibt es das Häßliche
alle wissen, das gut das Gute
so gibt es das Böse
denn:
voll und leer gebären einander
leicht und schwer vollbringen einander
lang und kurz bedingen einander
hoch und niedrig bezwingen einander
Klang und Ton stimmen einander
vorher und nachher folgen einander
darum tut der Weise ohne Taten
bringt Belehrung ohne Worte
so gedeihen die Dinge ohne Widerstand
so läßt er sie wachsen und besitzt sie nicht
tut und verlangt nichts für sich
nimmt nichts für sich, was er vollbracht
und da er nichts nimmt
verliert er nichts

Politik

- der daoistische Staat kümmert sich um Frieden und genug Nahrung für seine Bevölkerung; er will keinen erziehen, denn dies vermehrt nur das Begehren und führt zu Konflikten
- jedes neue Gesetz stärkt das Verbrechen, jede neue Waffe führt zu mehr Krieg und Leid, jedes Verbot führt zu mehr Widerstand

religiöser vs. philosophischer Daoismus

Fragepunktreligiöser Daoismusphilosophischer Daoismus
Unsterblichkeit- Streben nach physischer Unsterblichkeit- der TOD ist ein natürliches Stadium der EXISTENZ<br>- TRAUER für Verstorbene ist unangebracht

Die acht Unsterblichen

  1. Li Xuan: die Königinmutter schenkte ihm neben dem geheimnis des ewigen Lebens einen eisernen Krückstock, damit sein Klumpfuß ihn nicht über Gebühr behindere;
  2. Zhong Liquan erhielt das Geheimnis von Li Xuan und fungiert seither als Himmelsbote - er wird mit einem Fächer dargestellt;
  3. Lü Dongbin ist der berühmteste Unsterbliche, denn er erkannte, daß Träume und Wirklichkeit zwei verschiedene Ebenen des Bewußtseins sind, in denen die Zeit unterschiedlich abläuft → er träumte, angetrunken in einer Schenke, daß er ein angesehener Beamter sei, der fünfzig Jahre treu diente, bevor man ihn zum Teufel jagte; als er aus dem Traum erwachte, waren nur einige Augenblicke (in der Schenke) vergangen; er stand auf und ging in die heiligen Berge im Nordwesten Chinas (Tienschan-Gebirge), wo er das Dao zu finden hoffte; sein Begleiter ist ein unsichtbares Schwert;
  4. Han Xiangzi war der Schüler Lüs, der ihn zu einem Baum brachte, wo die Früchte des Himmels wachsen, das ewige Leben, aber Han stürzte ab, konnte aber, kurz vor dem Aufprall einen Biß von der Frucht nehmen, was ihn unsterblich machte; er wird durch einen Blumenstrauß symbolisiert;
  5. Cao Guoqiu ist ein Verwandter der Mutterkönigin, den die Hofsitten abstießen und der deshalb ins Tienschan-Gebirge ging, um das Dao zu suchen; er konnte einen Fährmann nicht bezahlen und zeigte ihm ein goldenes Abzeichen (ein Zeichen des Hofes), um den Fährmann zu beeindrucken, der ironisch fragte, wie es zusammenpasse, daß einer das Dao suche und zugleich eingebildet sei, was Cao dazu brachte, das goldene Abzeichen von seiner Jacke abzureißen und in das Wasser zu werfen; nun gab sich der Fährmann als Han Xiangzi zu erkennen und nahm Cao als Schüler auf - sein Kennzeichen ist das goldene Abzeichen;
  6. Zhang Guo (Lao) verstand viel von Nekromantie und Weissagung, außerdem konnte er Kinderlosigkeit beenden, ritt auf einem weißen Maultier und konnte dieses wie eine Papiertüte zusammenfalten, die er dann in seine Hutschachtel legte - wird mit Pfirsischen, Symbolen der Unsterblichkeit, dargestellt;
  7. Lan Caihe, dessen Geschlecht ungewiß ist, begegnete im Tienschan ein kranker Bettler, dem durch Kräuter geholfen werden konnte, wonach sich der Bettler als Li Xuan entpuppte, der Lan mit ewiger Jugend belohnte - wird mit einem Obstkorb dargestellt;
  8. He Xiangu, die einzige Frau unter den Unsterblichen, wurde von einem Geist befohlen, einen Edelstein auszugraben und zu essen - dargestellt mit einer Lotosblume
dao.txt · Zuletzt geändert: 2024/01/14 15:25 von Robert-Christian Knorr