GOTTESURTEIL

- Beweismittel im Gerichtsverfahren
- die körperliche Unversehrtheit wurde aufgehoben
- entscheidend bei der Bewertung war, daß der KÖRPER des geschundenen Betroffenen drei Tage (!) erhielt, um den Heilungsprozeß anzuzeigen: bei wem das ausblieb, der war schuldig
- förmliches Verfahren zur Feststellung, auf wessen Seite in einem Rechtsstreit das RECHT war → die GÖTTER stehen dem Rechthabenden bei
- wurde auf dem LATERANKONZIL 1215 als Versuchung Gottes angeprangert und 1222 durch den PAPST endgültig als Beweismittel untersagt

PRINZIP: eine übernatürliche KRAFT wird in einem streng ritualisierten Rahmen zur ENTSCHEIDUNG genötigt - was später zurecht als Lästerung kritisiert werden sollte
Bereitstellung einer SITUATION, die nach menschlichem Ermessen nur einen möglichen Ausgang haben und nur durch ein WUNDER einen anderen Verlauf nehmen konnte - einseitige Gottesurteile
- bestand in der Bereitstellung eines Rahmens, in dem Gott durchdirektes Eingreifen die WAHRHEIT an das LICHT bringen konnte.

Das Beispiel des glühenden Eisens

„Kaiser Otto III. hatte zum Ehegemahl Maria, des Königs Tochter aus Aragonien, die ein WEIB war, das sich der Unzucht nicht enthalten konnte. Sie warf ihre Augen auf einen jungen Edelmann. Dem mutete sie Unkeuschheit an. Er aber erschrak davor und riß sich von ihr los, wie er immer mochte. Als sie nun sah, daß sie von ihm verachtet würde, ergrimmte sie, maß ihm die Schande, die sie ihm angemutet hatte, gleichwohl unschuldigerweise zu und gab ihn bei dem KAISER an, als hätte er ihr eine Unehre angemutet. Solches glaubte der Kaiser bald, wie denn die Männer zu solcher EIFERSUCHT geneigt sind, und ließ ihn alsbald gefangen nehmen und ihm den Kopf abschlagen. Der Edelmann, als er sah, daß er STERBEN müsse, befahl seine Unschuld GOTT dem Herrn, klagte es seinem Weibe und ging mit weinenden Augen zum TODe. Da ihm sein Kopf abgeschlagen war, nimmt ihn sein Weib und küsset ihn. Es wird ihr auch nicht gewehret, dieweil sie sich billig zu betrüben hatte. Danach gibt sie acht auf den Kaiser. Als er sich zu Gericht setzt, läuft sie hinzu, heulet und schreit und begehrt, er wolle über öffentliche GEWALT und Unrecht, so ihr widerfahren wäre, das Urteil ergehen lassen. Und als sie sehr jämmerlich heulte und weinte, wandte sich der Kaiser zu ihr und fragte sie, wer sie denn beleidigt, wer ihr Gewalt angetan hätte. Du, sagte sie, lieber Kaiser; warf ihm mit diesen Worten ihres Mannes Kopf vor die Füße und sprach: Diesen meinen Mann hast du mir mit höchster Gewalt und UNRECHT erwürgen lassen. Sie hatte auch zur Hand ein glühendes Eisen. Das faßte sie vor aller WELT in ihre Hände und hält es ohne Verletzung und sagt: ‚So wenig mich dieses glühende Eisen verletzt, also wenig hatte mein Mann SCHULD an dieser TAT, so ihm zugemessen ward.’
Darüber entsetzte sich jedermann, der dabei stand, und gedachte daran, daß bei der Enthauptung des Edelmannes das BLUT wie Milch zu SEHEN gewesen war.
Des verwundert sich der Kaiser, trachtet und forschet dem HANDEL fleißiger nach und kommt dahinter, daß der unschuldige Mann fälschlich von der Kaiserin sei angegeben worden. Da fuhr er aus Eifer für die GERECHTIGKEIT zu und befahl, man solle die Kaiserin verbrennen. Sich selber aber legte er eine große Buße auf, darum, daß er mit dem Urteil zu eilend und geschwinde verfahren, und stellte dem Weibe etliche Schlösser zu für ihren entleibten Mann.“ (aus: „Sachsenchronik“, zit. nach Helbing, Die TORTUR, S. 28/29.)