PARTNERWAHL
Partnerwahl: der Prozeß des Erstkontakts zwischen einander unbekannten Frauen und Männern
Der Erstkontakt als Auftakt einer sexuell orientierten Partnerschaft läuft in vier ineinanderübergehenden Phasen ab:
Aufmerksamkeitsphase
Erkennungsphase
Gesprächsphase
sexuelle Erregungsphase
Aufmerksamkeitsphase
-
wird ein
INDIVIDUUM als attraktiv empfunden, tritt seitens des Betrachters der sogenannte „Hallo-Effekt“ ein, der zu einem bevorzugten
Interaktionsverhalten führt
während der Aufmerksamkeitsphase stehen nur Äußerlichkeiten als Informationsquelle zur Verfügung und sind daher auch primäre Reizquelle
Männer reagieren intensiver auf wahrgenommene Attraktivität als Frauen
Wen finden wir schön?
Konrad Lorenz postuliert die sexuelle Signalwirkung, die das Kindchenschema im Frauengesicht auf den Mann ausübt
das Kindchenschema im Frauengesicht bewirkt im
MANN einen Beschützerinstinkt und suggeriert fehlendes Dominanzbestreben seitens der
FRAU
zahlreiche Untersuchungen bestätigen, daß Frauengesichter mit großen Augen, kleiner Nasenpartie, kleinem Kinn und auch weit auseinandergesetzten
AUGEn besonders häufig von Männern als attraktiv empfunden werden
Männergesichter wirken auf Frauen zumeist dann attraktiv, wenn sie individuell, kraftvoll und dominant Männlichkeit ausstrahlen, indem sie derbe Züge und markante Wangenknochen aufweisen
oftmals werden bei der Partnerwahl tendenziell Personen anvisiert, die der eigenen Attraktivität entsprechen
die Aufmerksamkeitsphase kann nur in die folgende
PHASE münden, wenn der Austausch äußerlicher Signale sich reziprok vollzieht und sich beide Seiten entsprechendes Interesse signalisieren
WAHRNEHMUNG und Eindrucksbildung von der Attraktivität anderer umfaßt einen Zeitraum von ca. 50 Millisekunden und ist später nur noch schwerlich zu revidieren
Erkennungsphase
hier geht es grundsätzlich um Herstellung physischer Nähe und um Gesprächsanbahnung
gerade die Verminderung von physischer
DISTANZ hat für Männer einen sehr manifesten Aufforderungscharakter, die männliche Herzschlagfrequenz erhöht sich, sobald ein weibliches Individuum an ihn herantritt
es erfolgt eine Bewertung der räumlichen Annäherung, des Gehstils, Gehgeschwindigkeit, Körperhaltung, Gestik und Mimik in Vorbereitung auf die möglicherweise erfolgende Interaktion
die Frau führt im Rahmen der Erkennungsphase die Interaktion maßgeblich an, indem sie mittels ihrer Körpersprache und anderer kultureller
Symboliken die männliche Disposition zum Werbeverhalten hemmen beziehungsweise anregen kann
Männer intendieren meist erst dann zu deutlich aktivem Werbeverhalten, wenn sie der
MEINUNG sind, entsprechende Aufforderungssignale seitens einer Frau empfangen zu haben
diese Aufforderungssignale werden vom Mann desto eindeutiger als solche empfunden, je attraktiver, interessanter und auch erotischer diese Frau auf ihn als Betrachter wirkt
Welche weiblichen Signale beeinflussen Männer in ihrem Werbeverhalten?
Blicke
zunächst ungerichtetes Blicken,
dann
darting-Blick (kurze Blicke, die immer wieder zur selben
PERSON gehen),
schließlich verweilender Blick (Person wird länger als drei Sekunden fixiert → Aufforderungscharakter)
Augenbrauen
Lächeln
für die Werbesituation ist meist das sog.
coy smile (ambivalentes Verlegenheitslächeln) charakteristisch, das eine Mischform aus freundlichem Eröffnungslächeln und verhaltenem
LÄCHELN darstellt
Kopf- und Nackenhaltung
head-tossing, das ruckartige Zurückwerfen des Kopfes bei gleichzeitig erfolgender leichter Schrägneigung des Kopfes und Darbietung der Halsschlagader als
ZEICHEN submissiven Dominanzverzichts
Mundregion
Eine Problematik, die aus der weiblichen körpersprachlichen Signalgebung erwächst, ist deren mißverständliche INTERPRETATION seitens der Männer, denn das Verständnisvermögen körpersprachlicher SYMBOLIK ist nicht objektiv kategorisierbar, sondern beruht auf subjektiven Interpretationen und ist daher in höchstem Maße von den inneren Dispositionen des interpretierenden Mannes abhängig. Generell halten Männern Frauen für promiskuöser und verführerischer, als diese sich beschreiben würden. Weiterhin SEHEN dominante und selbstsichere Männer den Aufforderungscharakter weiblicher Körpersprache viel eher gegeben als vergleichsweise zurückhaltendere Männer. Auch werden von ersteren Signale der Zurückweisung nur abgeschwächt als solche verstanden beziehungsweise gar als Aufforderung zur Kontaktintensivierung fehlinterpretiert.
Gesprächsphase
das erste
WORT der Gesprächseröffnung nach der Erkennungsphase leitet die Gesprächsphase ein
der Austausch von Gesten und Artikulationen dient hier dem Informationsgewinn über den anderen sowie dem Abgleich der Kontaktintentionen
der Akt der Gesprächseröffnung obliegt in den meisten Fällen dem Mann in positiver Interpretation weiblicher Körpersprache
Man unterscheidet folgende Varianten der Gesprächseröffnung:
„Es ist mir unangenehm, es dir so direkt zu sagen, aber ich will dich kennenlernen.“ → starkes Interesse am anderen
„Schönes Wetter heute.“ → hier werden vor allem Stimme, Tonfall und Interesse kommuniziert
„Morgen wirst du wieder hier sein und dann zeige ich dir die Attraktionen der STADT.“ → Frauen lehnen diese Form weitestgehend ab, weil sie hinter der Ausgelassenheit einen männlichen Dominanzversuch annehmen
„Hallo, ich heiße X, und wie heißt du?“ → statistisch am erfolgversprechendsten
in der ersten Zeit des
Gesprächs geht es weniger um Informationsaustausch, sondern eher um gegenseitige Interessenbekundung und Intensivierung des zunächst ja nur oberflächlichen Kontakts (phatische
KOMMUNIKATION)
es ergibt sich erneut, daß in vielen Fällen die Frau durch Gestik und Mimik den Mann zur Kontaktaufnahme ermutigt beziehungsweise auch von dieser abbringt
die Kontaktanbahnung unterliegt den allgemeinpsychologischen Prinzipien der Motivation und Wahrnehmung
die männliche Beurteilung von weiblichen Flirtsignalen ist daher stark davon abhängig, ob die Frau dem Mann gefällt (ist dem nicht so, wird der Mann den Aufforderungscharakter der weiblichen Körpersprache kaum wahrnehmen können und entsprechend auch nicht geneigt sein, weitere Schritte zur Kontaktintensivierung einzuleiten)
im Umkehrschluß ergibt sich, daß Männer, die Interesse an einer Frau haben, nahezu jede ihrer Körperregungen als aufforderndes Flirtsignal bewerten und sich teilweise in irrationalem Wunschdenken verstricken, wenn sie beispielsweise nicht in der Lage sind, Signale der Zurückweisung als solche zu realisieren
Die männliche Seite
für gewöhnlich versuchen werbende Männer ein Mindestmaß an Dominanz und Selbstsicherheit auszustrahlen
hierzu gehört relativ häufig die Vermittlung von „Coolness“ als symbolisch-interaktionales Konstrukt
es tritt hinzu, daß Männer im Vergleich zu Frauen relativ wenig körpersprachlich kommunizieren, sondern eher den verbalen Austausch anstreben
weiträumiger Platzanspruch mittels breitbeinigem Stehen beziehungsweise Sitzen, wenn möglich mit hinter den Lehnen ausgebreiteten Armen, sich mit hocherhobenen Armen durch die Haare fahren und versuchen, seinen Partnermarktwert durch Hinweis auf persönliche Qualitäten wie
INTELLIGENZ, Weltoffenheit, Kompetenz, Beliebtheit und Stärke zu betonen, sind typisch männliche Dominanzgesten
ein Zuviel an Selbstdarstellung und Selbstenthüllung in dieser Phase des Erstkontaktes kann das weibliche Interesse jedoch massiv schmälern; aus Vergleichsuntersuchungen tritt hervor, daß Frauen eher zu sympathisieren sind, wenn sie in den Mittelpunkt der Konversation gerückt werden, ihnen viele Fragen gestellt werden und man ihnen unaufdringliche
Komplimente macht
generell nimmt eine Frau für einen werbewilligen Mann in ihrer Attraktivität ab, wenn sie ihn wenig ansieht und wird um so attraktiver für ihn, desto öfter sie ihn beachtet
Die weibliche Seite
während Männer in dieser Phase also den „zeitsparenderen“ Weg der verbalen Artikulierungen suchen, kommunizieren Frauen ihre Attraktivität in dieser Phase primär über körpersprachliche Mittel
hier läßt sich im Falle gesteigerter Appetenz bezüglich der männlichen Person das Hin- und Herbewegen des Oberkörpers beobachten, eine erhöhte Frequenz der Selbstberührungen sowie das Öffnen und Schließen der Beine
auch das weibliche
VERHALTEN kann in eine seitens des Mannes als übertrieben empfundene Selbstdarstellung münden, welcher von Männern i.d.R. eher ablehnend begegnet wird
sexuelle Erregungsphase
Das PROBLEM ist, daß Berührungen von den Geschlechtern sehr verschieden bewertet werden:
am Anfang der Begegnung sind Männer aus Dominanzgründen eher dazu geneigt, Körperkontakt als Vertraulichkeitsgeste herzustellen, während Frauen dieses aus Gründen mangelnder Vertrautheit zunächst vermeiden
hieraus ergeben sich grundsätzlich verschiedene Bewertungsmaßstäbe, was die Performation von Berührungen angeht
in diesem
ZUSAMMENHANG gelangt auch die von Hall postulierte sog. individuelle persönliche Distanzzone zu
BEDEUTUNG
-
die persönliche Distanz liegt bei ca. 40 bis 120 cm und die intimste Distanz zwischen 0 und 40 cm
aus der weiblichen Ablehnung verfrühten Kontakts bei anfänglicher Fremdheit tritt hervor, daß Frauen der Vertrautheitsgrad sehr viel wichtiger zu sein scheint als Männern, die am Anfang der Begegnung die meisten Distanzdurchbrechungen initiieren
grundsätzlich für den potentiellen Ausgang der sexuellen Erregungsphase ist die Intention, die zu dem werbenden Verhalten geführt hat und entsprechende Handlungsstrategien und Bewertungsmuster vorgibt
zumeist wählen Männer, die bei der Partnersuche kurzfristig orientiert sind, folgende Strategien:
zahlreiche sexuelle Bekanntschaften eingehen unter möglichst geringem Werbeaufwand die Aufmerksamkeit denjenigen Frauen zuwenden, die sich sexuell freizügig geben
Männer, die bei der Partnersuche langfristig orientiert sind, lehnen jedoch aufforderndes beziehungsweise auf Promiskuität verweisendes weibliches Verhalten eher ab
Literatur
Kaiser, P. (Hg.) 2000: Partnerschaft und Paartherapie. Göttingen; Bern; Toronto; Seattle: Hogrefe, Verl. f. PSYCHOLOGIE