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gotik

GOTIK

auch Spitzbogenstil oder opus francigenum

FrankreichEnglandDeutschland
vereinzelte FormFrühgotik1135-1190 (ungebrochene ENTWICKLUNG des Wandaufrisses)
verbundene FormHochgotik1190-1260Early English (in ihr fehlt das französische Bestreben der Raumvereinheitlichung) 1175-1260Frühgotik 1235-1250 (Aufnahme einiger aus Frankreich exportierter Formen und Zusammenbindung mit regionalen Bauweisen)
lineare FormHochgotikRayonnant 1260-1380Decorated Style 1250-1350Hochgotik 1250-1350
verschliffene FormSpätgotikFlamboyant 1360-1550Perpendicular Style 1330-1560Spätgotik 1350-1520

- Manche sehen das Gotische in dem PRINZIP, den Baukörper nach den Funktionen des aktiven Tragens und passiven Füllens, sozusagen in ein Skelett harter Knochen und zwischengespannter Membrane zu zerlegen. Dehio meint, dies geschah zuerst im GEWÖLBE und sei hier durch die ERFINDUNG der RIPPE ausgelöst worden, die aus technischen Gründen geschaffen ward, und sei es dann in die Wände, die das Gewölbe tragen, hinunter projiziert worden, während Gall meint, es sei zuerst die Wandgliederung dagewesen und dann aus rein ästhetischem Bedürfnis in die Gewölbe übertragen worden, die Rippe sei keine Erfindung, brachte zuerst überhaupt keine Vorteile - was tatsächlich stimmt -, sondern sei nur die künstlerische Konsequenz der Wandgliederung. (Frankl)
- nicht der streng proportionale Bezug der Teile zum Ganzen, wie in der Nachfolge der Architekturtheorie Vitruvs die Proportionen immer wieder bestimmt wurden, sondern eine die Einzelbildungen geheimnisvoll übergreifende Formenverbindung bildet in der Gotik das beherrschende Kunstgesetz (Gross)
- das Endresultat des im romanischen Stile immer lebhafter hervortretenden Strebens nach dem vollkommenen AUSDRUCK der Einheit zwischen dem Ganzen und den Teilen, dem Innern und dem Äußeren des kirchlichen Baus (Jakob)
- strebte nach lichtvoller Erhabenheit und einheitlicher Gliederung des Raumes (Kugler)
- Versuch, eine Raumkunst aus einem metaphysischen MITGEFÜHL heraus zu gestalten → Dynamik
- die ZEIT hat nur eine Richtung, der RAUM hat drei Dimensionen → das Nacheinander der Richtungen ist STREBEN; die Waagerechte hält die LAST, die Senkrechte stützt; raumfordernde Wandflächen bis zur Decke (ROSENBERG)
- das vollkommene Zurücktreten der antiken TRADITION, die unbedingte Selbständigkeit der germanischen PHANTASIE (SPRINGER)

Begriffsbestimmung der Gotik

  1. Erklärung der gotischen FORM aus der Konstruktion
  2. Bestimmung der Form durch die Konstruktion zur Umsetzung des Formwillens (Binding)

- Es ist das Hinausstreben über die Endlichkeit, die Stärke der Grundbogen und die Vergeistigung der in die Höhe strebenden Teile, das mystische Dunkel und die überirdische Klarheit. (HEGEL)
- Von den vorgeschlagenen Namen ist jener des gotischen Stils unstreitig am wenisgten sachgemäß, er hat aber das Alter und die Gewohnheit für sich, während die übrigen: deutscher, germanischer, Spitzbogenstil die Mängel des ersteren nicht völlig aufheben, ohne die TRADITION für sich zu besitzen. Die geringste Empfehlung verdient der Name: Spitzbogenstil. Der Spitzbogen ist nicht der Anfang der Gotik, ebensowenig der Mittelpunkt des Systems. Der gotische Stil hat in der Wölbekunst seinen Ausgangspunkt. (Springer)
- durch die Benutzung dieses Wortes wird etwas Barbarisches, Unschickliches angedeutet, Mangel an SCHÖNHEIT und guter Verhältnisse (SULZER)
- maniera tedesca bzw. maniera de Goti: monströs und barbarisch, ohne ORDNUNG, VERWIRRUNG (VASARI)
- In Deutschland haben wir die Gotik als Ergebnis bewußten Strebens, als ein in seinen wesentlichen Eigenschaften verstandenes Mittel zur Erweiterung der Grenzen der architektonischen TECHNIK zuerst - und schon in den ersten Jahren des 11. Jahrhunderts - wirksam gefunden. In Deutschland war es, wo der junge Keim, gleich dem der Eiche, den ganzen zukünftigen prächtigen BAUM schon in sich tragend, an das LICHT kam und die erste Pflege fand. Und darum ist Deutschland das eigentliche VATERLAND des Spitzbogenstils. (Wiegmann)

Besonderheiten

- die Gotik schafft nur mit Mühe einen zweckmäßigen Platz für eine Inschrift und weist sie an Grabmälern gern den bedrohtesten Stellen, den Rändern, zu → die RENAISSANCE war dagegen auf das Anbringen von Inschriften vollkommen eingerichtet (BURCKHARDT)

gotische Kathedrale

- ihre Eigenart basiert auf städtischer und bürgerlicher Kunst und steht damit im GEGENSATZ zur ROMANIK, die auf klösterlichem und adligem Kunstverständnis beruhte
- beim Bau der gotischen Kathedralen spielen Laien eine immer größere Rolle, sowohl bei der Finanzierung, als auch bei der theologischen Konzipierung und Gestaltung
- die Finanzierung dieser Großkirchen ist ohne städtisches GELD undenkbar; kein Kirchenfürst kann ihren Bau allein stemmen

gotik.txt · Zuletzt geändert: 2023/05/02 12:38 von Robert-Christian Knorr