MUT
- besteht darin, dort zu bleiben, wo einen das SCHICKSAL hinwarf und dort die Grenzen seiner Möglichkeiten zu erkennen (Godard)
Diskussion zwischen HUMBOLDT und SCHILLER im Frühjahr 1792
Humboldt | Schiller |
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- nicht Sache der Übung, sondern bloß ein WERK der Nerven, also nichts Willkürliches, sondern bloß Folge einer zufälligen STIMMUNG, die man sich nicht SELBST geben kann | - ist ein Resultat der inneren moralischen KRAFT, die geübt, durch Übung verstärkt und auch von physisch Schwächlichen auf einen hohen Grad gebracht werden kann |
Mut
auch Ma-at
- Figur aus Thomas Manns „Joseph und seine Brüder“
- Herrscherin von Sais
3000 v.C. die erste und älteste Konzeption einer interkonnektiven GERECHTIGKEIT: Die WELT ist von Ungerechtigkeit beherrscht, die in der Ungleichheit von Menschen als Schwache und Starke gegeben ist. Die Welt kann nicht verbessert werden. Aber sie muß in BEWEGUNG bleiben. Dazu muß in einem PROZEß ständig neuer Errichtung der Ma-at gegen Isfet, die Gegebene Ungerechtigkeit angegangen werden und zwar auf allen drei Ebenen: im Verhältnis zu GOTT, im Verhältnis zum KÖNIG, im Verhältnis zu den Menschen untereinander, voreinander und nacheinander. Zur ZEIT vor der gespaltenen Welt war das nicht nötig gewesen, da war Atum im WASSER schwebend mit seinen Zwillingskindern Schu, dem Sohn=LEBEN, und Telnut, der Ma-at als WAHRHEIT und Tochter, als Dreieinigkeit inzestuös verwoben. Erst mit der Trennung von ERDE, der 4, und HIMMEL, der 5, trennten sich Diesseits und JENSEITS, Menschen und GÖTTER, Ungerechtigkeit (Isfet) und Gerechtigkeit (Ma-at). Darin besteht als Erde die gespaltene Welt, der die Ungerechtigkeit als Spaltung der Menschen in Starke und Schwache zur Aufgabe gegeben ist, weil der freie WILLE herrscht, der zu Stärke oder Schwäche eingesetzt wird und für den im Jenseits prozedural im Totengericht die Herzwägung jedes einzelnen nachprüft, wie er sich entschied und welcher sein Beitrag zum Aufrichten der Ma-at war.
Der EINZELNE hatte also im Rahmen der vom König vorzugebenden und zu sichernden Grundbedingung der Ma-at die Aufgabe, sie zu tun und zu sagen, prozedural im ägyptischen Grundverständnis zu klagen (actio=Tun) und Recht zu sprechen (iuris dicere=sagen). Der König aber, dem von Gott die HERRSCHAFT allein zu diesem ZWECK der Einsetzung der Ma-at übertragen wurde, mußte für Fülle des Vorrats (KULT der SONNE zu erneutem Aufgehen als ABWEHR ihres Stillestehens oder ihrer Verdunkelung (heute Umweltschutz und Lebensbedingungen des Habitat) und dessen Verteilung (Rechtschaffung und Rechtsprechung allein um der Schwachen willen) sorgen. Gott selbst hat die Menschen gleich geschaffen, aber indem er ihnen den freien Willen mitgab, eingewilligt selbst, dass sie sich zu Starken und Schwachen machen. Es ist nicht seine SCHULD, wie der Oasenmann klagt, daß die Menschen sich ungleich machen vor sich. Der notleidende Mensch ist zur Gerechtigkeit unfähig, seine Bedürftigkeit macht ihn ungerecht. So ist es Sache des Königs, ihm über die Ma-at zu einem guten Tod zu helfen.
Die Klage des Oasenmannes, das ist die GESCHICHTE eines Armen, dem auch noch das Letzte geraubt wird. Er geht zu seinem Großwesir Rensi und möchte Recht. Auf dem Weg dorthin breitet ihm der Dieb noch ein Tuch in den Weg, so daß der Oasenmann mit seinem Esel ins Kornfeld ausweichen muß. Dafür aber ist eine STRAFE angesetzt: der Esel samt Ladung wird auch noch konfisziert. Als der Oasenmann dagegen laut protestiert, verprügelt ihn der Dieb.
Schließlich also klagt er vor Rensi in so herzzerreißend schönen Worten über die Gerechtigkeit, dass Rensi den König informiert. Der König gibt die Anweisung, den Oasenmann möglichst lange hinzuhalten, um mehr von diesen schönen Reden über die Gerechtigkeit zu hören. Zugleich sorgt der König für die Familie des Oasenmannes, was dieser aber nicht weiß. Er fügt seinen Reden also nun auch die Klagen über die Nichtbehandlung seines Falles - über das Unterlassen also - hinzu. Rensi wird vom Oasenmann in aller Ausführlichkeit als Isfet und Gegenteil der Ma-at beschrieben, die schuldhafte Nicht-Intervention dessen, der nicht einschreitet und dadurch mitschuldig wird.
Es gibt kein Gestern für den Trägen,
Es gibt keinen FREUND für den Tauben,
Es gibt kein Fest für den Habgierigen.
Was für ein kluger König!
Widerstand gegen den König gibt es nicht, denn dann ist die Ma-at aus der Welt und die Menschen nutzen n u r ihren freien Willen gegeneinander.
Die Ma-at nun, die auch der einzelne immer wieder von Neuem (Ewigkeit der ständigen Wiederkehr im Gegensatz zur ebenfalls anerkannten Ewigkeit des absoluten Stillstands als Dauer) gegen Isfet errichten und behaupten m u ß, will er nicht als Unreiner gewogen sein nach seinem Tod, hält ihn zum grundlegenden Gehorsam seinem König gegenüber an, denn jede seiner Taten kommt zu ihm als Täter zurück. Gegenüber anderen Menschen verpflichtet ihn die Ma-at dazu, für sie zu handeln, weil sie für ihn handeln und damit sie für ihn handeln (Solidarität) und ihnen zuzuhören, weil sie zu ihm sprechen und damit sie zu ihm sprechen (Aufeinander-Hören) und die Ma-at zu sagen, also ohne LÜGE zu sein. Miteinander sprechen, aufeinander hören, einander antworten.
So kann die Ma-at den Sonnengott Re lieben und seinen Namensträger Rex und die ganze Re-Publika. Sie ist die Göttin, die jeder Bewegung die richtige Richtung gibt, die Stirnschlange, die über die NASE eingeatmet wird und die den König küsst und mit dieser Luft ist sie die, die frei macht, freie Luft zu Atmen gibt, die den Weg frei macht zum Sterben und die das Herz zur Verwandlung in einen König frei und rein macht, der nach seinem Tod wie die Götter zwischen den Welten FREI ein- und aus geht.
Sie ist die kleinste Göttin, sitzt auf einer Hand. Wenn sie verschwindet, ist Stillstand und keine Bewegung, kein Leben mehr. Ihre Hyroglyphen sind: der Sockel, das Unverbiegbare, und die Feder, die luftige ANPASSUNG, also das Allgemeine, der Genotyp, und das Besondere, die Phänotypen. (Assmann)