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WAGENER

Hermann Wagener

1815-89
POLITIKER und Journalist
- stand als leitender Herausgeber der Preußischen Kronenzeitung dem konservativen GEIST in PREUßEN vor
- hatte sich Meriten im Kampf gegen den Magdeburger Lichtpastor Uhlich erworben
- in seiner ersten REDE vor dem Norddeutschen Reichstag sprach er sich für die Annahme des von den verbündeten Regierungen vorgeschlagenen Verfassungsentwurfs aus
- bezeichnet den Verfassungsentwurf als nüchtern und prosaisch, was zu der HOFFNUNG Anlaß gebe, daß er im GEGENSATZ zu den vorigen idealischen Verfassungsentwürfen auch WIRKLICHKEIT werde, denn er behauptete, daß man 1867 endlich erlöst sei von den Banne der Theorien und Phrasen
- betrachtete den Widerspruch gegen den Entwurf als Folge einer Ablehnung dieser Widersprüchler gegen die offene Militär-Budgetierung und meinte, es sei doch eigentlich zu erwarten gewesen, daß wegen der Siege der letzten Jahre diese Gegner den Militärhaushalt als ein noli me tangere begriffen und nicht darauf insistieren sollten, hier einschreiten zu dürfen
- sprach sich für das nationale Gemeinschaftswerk aus, als ein von Kompromissen geprägtes Miteinander, um das Deutsche Reich zu begründen: Die conservative PARTEI in PREUßEN hat auf viele Postulate Verzicht leisten müssen, um sich mit Ihnen [den Linken] auf den BODEN der concreten Thatsachen zu stellen, um von diesem Boden aus eine neue politische ARBEIT aus in der GEGENWART zu beginnen.
- sprach sich für die Bedeutung des Norddeutschen Reichstages als einer Institution aus, die sich um den Magen des Volkes (die soziale Frage) bekümmert, nicht aber idealischen Fragestellungen nachhängt
- betonte, daß kein Landtag in Deutschland dem Reichstag vorgeordnet werden könne und die Beschlüsse des Reichstages jedem Landtag, auch dem preußischen, vorgeordnet seien
- warnte in seiner zweiten Rede vor der falschen Herangehensweise an das Verfassungswerk, indem man zuviel antizipiere, über eine künftige ARBEIT der Gesetzgebung im Bund nachdenke und darüber aktuell zu lösende Fragen vernachlässige
- hielt dem Abgeordneten WALDECK während der Diskussion zum § 5 der Verfassung des Norddeutschen Bundes vor, er würde von einer Verfassungsurkunde ine magische WIRKUNG erwarten, bezog seine anderweitigen Erfahrungen u.a. auf die Lektüre der Englischen Geschichte des Abgeordneten GNEIST, der beschrieben hatte, wie die Minister selbst auf dem Instrument der Verfassung spielten, um ihre Position gegenüber KÖNIG und Parlament zu stärken, daß konstitutionelle Rechte also eine Verantwortlichkeit des Ministers gegenüber dem Parlament umkehrten und das Parlament in Abhängigkeit zum Minister brachten (!)
- nannte den Verfassungsentwurf einen Kompromiß zwischen allen denjenigen verschiedenen lebensfähigen und berechtigten Tendenzen, Elementen und Faktoren, die überhaupt auf das Zustandekommen dieser Verfassung einen Einfluß ausgeübt haben
- vertrat die Auffassung, daß ein höherer WILLE die Tatsachen der GESCHICHTE entscheidet, jeder aber die FREIHEIT besitze, sich diesem Entwicklungsgesetz unterzuordnen oder entgegenzustellen
- behauptete, daß der Verfassungsentwurf weitgehende Vollmachten an den Reichstag übergebe, u.a. gibt sie bis auf einen gewissen Punkt das Einnahmebewilligungsrecht
- sprach sich in der Diskussion zum § 20 (während der Diskussion war es § 21) für das allgemeine, geheime und gleiche Stimmrecht aus und begründete das damit, daß ein heimgebliebener Pfeffersack in Berlin einem ausgezeichneten Kämpfer vor Königgrätz nicht vorzuziehen sei, was die staatsbürgerliche Pflichterfüllung anginge
- gab den Liberalen und deren wiederholt geäußerte ANGST vor dem CÄSARISMUS eine Abfuhr und nannte das Besitzbürgertum als dafür in FRANKREICH verantwortlich: Ist es nicht gerade eine feige, mutlose BOURGEOISIE gewesen, die alle ihre politischen GÜTER und Freiheiten in die Kabuse geworfen hat, bloß um ihren Geldsack zu retten?
- setzte sich anfangs seiner (fünften) Rede gegen die Annahme der Diäten (§ 32 resp. § 29 während der Diskussion) mit dem Nationalliberalen THÜNEN auseinander, der ANDERE Auffassungen dazu besaß
- beklagte, daß bei Angriffen gegen die Reichen immer bloß die Landbesitzer gemeint seien, dabei sollte ruhig einmal die industrielle Feudalität angegriffen werden, damit sie begreife, daß ihre Spitzen (gegen die Konservativen) sich auch einmal gegen sie SELBST wenden könnten
- betrachtete die Diätenfrage als eine SYSTEM-Frage, also eine Frage, deren Beantwortung die Entwicklung Deutschlands maßgeblich beeinflussen werde
- kritisierte die HEUCHELEI der Liberalen, die ständig von Selbstregierung sprächen, sich dann aber nicht entblödeten, den STAAT für ihre Tätigkeit zur Kasse bitten zu wollen : forderte die PRÄFERENZ des Systems der Ehrenämter und Selbstregierung zugunsten der besoldeten und pragmatisch-orientierten Amtsausfüllung auf Diätenbasis → solange man die oberen Instanzen auf armseliger Besoldung fußen ließe, werde man in den unteren Sphären keine Ehrenamtlichkeit erreichen
- behauptete in seiner sechsten (längeren) Rede im Norddeutschen Reichstag, zum Abschnitt XI (Bundes-Kriegswesen), daß die ARMEE die Einheit bewerkstelligte und das PARLAMENT das in seinen Kräften Stehende tat, um die Einheit zu verhindern
- sprach sich gegen Übergangsregelungen in der Verfassung aus, denn Verfassungen sollen etwas Dauerhaftes schaffen, was mit der Annahme der Amendements FORCKENBECK zu §§ 60 und 61 (letzte Sätze) nun dahin sei, denn damit ende das gesetzlich fixierte Ausgabenrecht der Regierung am 31.12.1871 und überweise die Handlungsfähigkeit an den Reichstag, was für die Regierung unzumutbar sei
- behauptete, daß die Liberalen auf das MEUTEREI-BILL zuarbeiteten, um dem preußischen KÖNIG die Gewalt über das HEER zugunsten des Parlaments zu entziehen; allerdings sei Preußen nicht ENGLAND und habe nicht dessen GESCHICHTE
- wies in seiner siebenten längeren Rede die Liberalen darauf hin, daß es einen Unterschied zwischen dem Einnahme- (politisches Ziel der Liberalen) und Ausgaberecht (Bewilligungsrecht des Parlaments, das der Kontrolle der Regierungsarbeit dient) gebe und die Regierung seinerzeit nicht hätte handeln können, wenn sie nicht das Einnahmerecht besessen hätte und zur Umstrukturierung des Heeres benutzte, was die Liberalen dann im nachhinein indemnisiert hätten, also sich jetzt nicht hinstellen könnten, das Einnahmerecht zu fordern, also die Regierung weitgehend handlungsunfähig zu machen

- hielt als Berater Bismarcks jede Unterdrückungspolitik gegenüber der SOZIALDEMOKRATIE für aussichtslos, ja kontraproduktiv und setzte statt dessen auf den konservativen SINN der Massen, der sich gegen die liberale BOURGEOISIE richten müsse (Nipperdey)

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