stilkunde
Dies ist eine alte Version des Dokuments!
STILKUNDE
- zielt auf präzisen AUSDRUCK zur Erfassung der WIRKLICHKEIT und dient der adäquaten Vermittlung von Informationen
- soll Mißverständnissen vorbeugen
Beispiel | Bedeutungserklärung | Exempel für den falschen Gebrauch | So ist's richtig! |
---|---|---|---|
ab | intendiert die Richtung, nicht aber den Ausgangspunkt | ab Halle, ab Freitag, ab dem 1.Jhd. | bergab, von Freitag an, seit dem 1.Jhd. |
abschneiden | - steht für mit etwas fertig werden | - beim Examen abschneiden, Ungarn schnitt im Rudern gut ab | - man schließt das Studium ab, Ungarn gewann zahlreiche Ruderwettkämpfe |
Abteil | ein Teil ist schon etwas Abgetrenntes | aus dem französischen Coupe entstanden, was Halbwagen bedeutet | - Abteilung korrekt, was aber keine Übersetzung von Coupe bedeutet |
adjektivisches Bestimmungswort | - das Setzen eines Adjektivs statt eines Bestimmungswortes in einer nominalen Zusammensetzung | fachliche Bildung, sonntägliche Arbeit, gesellschaftliche Ordnung, bürgerliche Pflichten, kultureller Fortschritt, maschineller Betrieb | Fachbildung, Sonntagsarbeit, Gesellschaftsordnung, Bürgerpflichten, Kulturfortschritt, Maschinenbetrieb |
anormal | im Sinne von unregelmäßig | Verbindung des griechischen Verneinungspräfix a mit dem lateinischen Wort für Winkelmaß, normal | entweder abnorm oder an(h)omalos bzw. anomal (griechisch für uneben bzw. unregelmäßig) |
-artig | unsinniges Suffix, das meist Schwulst erzeugt, zumal es kein zugrundeliegendes Verb arten gibt | verschiedenartig, andersartig, bösartig, fluchtartig, großartig, fremdartig, eigenartig | verschieden, anders, BÖSE, flüchtend, groß, FREMD, eigen |
Kinder bzw. Jugendliche | beziehungsweise ist ein Bindewort, die Verdeutschung von respective | - steht letztlich für oder, und, oder auch und wirkt überladen (KANZLEISTIL) | Kinder oder auch Jugendliche |
- = bis | Parenthese setzt Bindezeichen zwischen Anfangs- und Endpunkt | 12.-14.Jhd. (12. bis 14.Jahrhundert) unzulässige Verkürzung, da der Zwischenraum exakt fixiert werden muß: die Konjunktion BIS bedarf einer Präposition ZU, IN… | 12. bis zum 14.Jahrhundert |
bloß | Modewort für nur oder lediglich; Ungeduld oder Erstaunen ausdrückend; bloß stammt von Blöße | Was will er bloß? | bloßstellen, bloßlegen für richtigstellen |
Böden | falscher Umlaut bei der Pluralbildung | die Fußböden | die Fußboden |
daher | - darf nur in Verbindungen mit RAUM und ZEIT eingesetzt werden, nicht aber kausal | - daher nehme ich… (im Sinne einer Begründung) | - der Storch kommt da her (aus Afrika) oder der Storch kommt daher (kommt im AUGENBLICK an) |
wiederkehrende oder einmalige Daten: Abend oder abend oder abends? | Verwechslung von Moment (punktuell, genau → Benutzung eines Nomens) und Rhythmus (ungenau, nicht nominell, sich wiederholend → notwendig ist der Einsatz eines Adverbs) | - Ich gehe jetzt und komme abends wieder. (bedeutet das augenblickliche Weggehen und die sich wiederholende Rückkehr jeden Abend)<br> - Ich komme heute Abend zurück. (Einsatz eines Adverbs als Nomen ohne zugehörige Präposition) | - Ich gehe jetzt und komme am Abend wieder.<br> - Ich komme heute abend zurück. |
durch | - wird mit wegen gleichgesetzt, gibt aber das MITTEL und nicht den GRUND an | - der Streit ist durch seine lange DAUER von großer BEDEUTUNG gewesen | - der STREIT ist wegen seiner langen Dauer von Bedeutung gewesen |
einig sein | - bei Streitfragen zwischen mehreren Parteien gefundener Kompromiß | - sich einig sein | - sich klar sein (der einzelne); einig sein (nur für mehrere möglich) |
ent- | - steht für ein Gegenteil, eine Verneinung | entlohnen (für bezahlen), entfallen (für zuzuweisen), entgegennehmen (für annehmen) | - lohnen, fallen, annehmen |
EPOCHE, epochal | Haltepunkt in der GESCHICHTE | - die Epoche zwischen 1700 und 1780, das Barockzeitalter | - der Zeitraum zwischen 1700 und 1780, das Barockzeitalter; die Geburt Jesu Christi ist eine Epoche |
erblicken | - der AUGENBLICK der visuell vermittelten ERKENNTNIS | - darin ist großer Fortschritt zu erblicken | - plötzlich erblickte ich den FORTSCHRITT in dieser Entwicklung |
Erfordernis, erfordert | Kanzleisprache für nötig machen, fordern, notwendig oder verlangen | - alles ist erforderlich | - … |
erhältlich | Neubildung aus dem VERB erhalten, das auf andere Lebensbereiche übergriff | - in allen Supermärkten erhältlich | - überall vorrätig |
erheblich, unerheblich | - stammt von erheben ab; etwas kann erhoben werden | - Einschränkungen von erheblicher Schwere; ganz unerhebliche Meinungen | - Einschränkungen von beträchtlichem Ausmaß; ganz unbedeutende Meinungen |
erstere und letztere | Steigerungen der Superlative erste und letzte, die nicht weiter gesteigert werden können | - linke, bürgerliche und rechte Splittergruppen kämpfen um die MACHT, erstere mit mehr Siegaussichten als letztere | - linke, bürgerliche und rechte Splittergruppen kämpfen um die Macht, erste mit mehr Siegaussichten als letzte |
erstmalig, erstmals | Spreizworte für erste, zuerst oder zum erstenmal | - dort fand die erstmalige Zusammenkunft statt oder dort fand erstmals eine Zusammenkunft statt | - dort fand die erste Zusammenkunft statt resp. dort fand zum erstenmal eine Zusammenkunft statt |
erübrigen | - stammt von sparen resp. zurücklegen ab, wird aber zunehmend intransitiv oder reflexiv gebraucht | - ich habe mir etwas erübrigt (intransitiver Gebrauch); sein Kommen hat sich erübrigt (reflexiver Gebrauch) | - ich habe etwas übrig behalten; sein Kommen war nicht mehr notwendig geworden |
eventuell | Füllwort für möglicherweise, möglichenfalls, gelegentlich, vielleicht, wohl, unter Umständen | - wir könnten es eventuell so machen | - wir könnten es so machen |
formelhafte Wendungen | Substantiv plus VERB in fester Fügung, die nicht durch Einschübe zerrissen und der kein Attribut, wohl aber ein Adverb zugewiesen werden darf | - er wurde in Kenntnis von dem Geschehenen gesetzt | - er wurde von dem Geschehenen in Kenntnis gesetzt<br> in Augenschein nehmen<br> AUSDRUCK geben<br> Dank wissen<br> in Ehren halten<br> Fühlung haben<br> Gebrauch machen<br> GLAUBEN schenken<br> GRUND vorhanden<br> Halt gebieten<br> Hand anlegen<br> Kenntnis nehmen<br> Klage führen<br> in Kraft treten<br> Lärm schlagen<br> Obacht geben<br> Platz greifen<br> POLITIK treiben<br> Rechenschaft ablegen<br> Stellung zu nehmen<br> Sturm ernten<br> zur Verfügung stehen resp. stellen<br> Wandel schaffen |
fort und weg | fort: stammt von VOR im Sinne von vorwärts, also auf ein Ziel hin<br> weg: bedeutet auch die Entfernung von einem Punkt, aber unbestimmt, nicht auf ein Ziel hin | - ich stelle einen Stuhl fort | - ich stelle einen Stuhl weg |
für | - wird oft statt vor, zu, über verwendet | - der Bericht für das abgelaufene Jahr<br> - er faßte Liebe für den alten Mann | - der Bericht über das abgelaufene Jahr<br> - er faßte Liebe zu dem alten Mann |
gehörig | - stammt von hören, wird aber als Verstärkung benutzt | - der zum Königtum gehörige General | - der zum Königtum gehörende General |
gewohnt vs. gewöhnlich | - gewohnt drückt den Zustand aus; gewöhnlich besitzt passive BEDEUTUNG und wird mit der Präposition an verbunden | - gewöhnlich frieren | - ich bin gewohnt zu frieren |
gleichzeitig | - zur selben Zeit; auf einmal; wird mit zugleich, nebeneinander, ebenso verwechselt | - merkwürdigerweise ist die sozialistische Bewegung unter den Letten gleichzeitig national ausgeprägt<br> - der Neubau, der gleichzeitig Gymnasium, Realschule und Berufsschule umschließt | - merkwürdigerweise ist die sozialistische Bewegung unter den Letten zugleich national ausgeprägt<br> - der Neubau, der nebeneinander Gymnasium, Realschule und Berufsschule umschließt |
herum vs. umher | - herum beschreibt eine kreisförmige Bewegung; umher ist ein hin und her | - sich herumtreiben | - umher treiben lassen |
in | - die Präposition kann nicht allein den Zeitpunkt eines Geschehens/Zustandes angeben, sondern benötigt einen Bezugsrahmen resp. die Präzisierung durch einen Artikel, was im Englischen oder Französischen nicht notwendig ist | - in 2013; in Ermanglung; in Vertretung | - im Jahre 2013; in der Ermanglung eines Faktes; zur Vertretung |
-isch | - das Suffix wird an den Stamm gehängt und nicht an ein mögliches -e am Wortende, das nicht zum Stamm gehört, zudem wird auch noch apostrophiert, wo exakte Zuweisung zum Stamm nachweisbar ist | Goethe'sche Gedichte; Halle'sches Waisenhaus; Fichte'sches System | Goethische Gedichte; Hallisches Waisenhaus; Fichtisches SYSTEM |
ja resp. nein | beteuerndes oder steigerndes Adverb; ein Komma nur hinter der beteuernden Verwendung | - sie duldete diese Behandlung, ja, sie wollte sie | - sie duldete diese Behandlung, ja sie wollte sie |
jemand resp. niemand | - das angehängte -d ist unorganisch, daher empfiehlt sich keine Flexion | niemandem resp. jemanden | - jemand anderer, anderen, anderem |
läßt | - führt zu Schwulst und ist durch einfache Hilfsverbkonstruktion oder daß-Satz zu ersetzen | - seine Neigung ließ ihn besorgen<br> - die heidnischen Götter traten in den Hintergrund, der ihre wohltätigen Eigenschaften allmählich schwinden ließ | - seine Neigung brachte ihn dahin<br> - die heidnischen GÖTTER traten so in den Hintergrund, daß ihre wohltätigen Eigenschaften allmählich schwanden |
mal | - im familiären Ausdruck (komm mal her!) erlaubt, nicht aber im Schriftdeutschen | sieh mal! | - sieh einmal! |
nachdem | Konjunktion für Temporalnebensätze mit Perfekt resp. Plusquamperfekt, kein Imperfekt!; wegen des süddeutschen Sprachimperialismus wird nachdem vermehrt kausal eingesetzt | - nachdem man die Registratur fand, konnte man die finanziellen Verhältnisse einschätzen<br> - nachdem sein Chef keine Verwendung für ihn hatte, entließ er ihn | - nachdem man die Registratur gefunden hatte, konnte man die finanziellen Verhältnisse einschätzen<br> - da sein Chef keine Verwendung für ihn hatte, entließ er ihn |
Rechnung tragen | Schwulst für etwas erfüllen, für etwas aufkommen, auf etwas Rücksicht nehmen, etwas abhelfen | - wir sind bemüht, diesen Beschwerden Rechnung zu tragen | - wir sind bemüht, diese Beschwerden zu berücksichtigen |
schaffen: schaffte resp. schuf | schaffte (schwaches Präteritum für minderwertige Schaffensprozesse: bringen, erzeugen, bewirken, ausrichten, arbeiten, hantieren) und schuf (das künstlerische Arbeiten, das EWIGKEIT erzeugt) wird oft verwechselt | - er schuf sein Pensum | - er schaffte sein Pensum |
scheinbar, anscheinend und augenscheinlich | scheinbar: erklärt den Anschein für falsch<br> augenscheinlich: erklärt den Anschein für richtig<br> anscheinend: man weiß es nicht, ob der Anschein trügt oder nicht | - | - |
seitdem, seither und bisher | - seitdem und seither drücken eine Zeitausdehnung von einem Punkte in der Vergangenheit aus, und zwar seitdem bis zu einem anderen Punkte in der Vergangenheit, seither aber bis zur Gegenwart; bei bisher kommt kein Ausgangspunkt in Betracht, es führt einen Ausgangspunkt aus der VERGANGENHEIT in die Gegenwart | - | - |
seitens | - entstand in der Kanzleisprache durch unorganische Anhängung eines Genitiv-s an die den Dativ fordernde Präposition seiten, das von bedeutungstiefer machen sollte | - seitens der Regierung | - von der Regierung |
solch- resp. solche/r | - soll derselbe ersetzen | - die Amerikaner beschwerten sich über die Bevorzugung der Deutschen, die Franzosen über solche der Engländer<br> - unter den Siegern war auch ein solcher aus Magdeburg<br> - solch ein schönes Mädchen | - die Amerikaner beschwerten sich über die Bevorzugung der Deutschen, die Franzosen über die der Engländer<br> - unter den Siegern war auch einer aus MAGDEBURG<br> - so ein schönes Mädchen |
statt | - statt setzt Gleichheit voraus, keine Abweichung | - da manche Überlegung die Untersuchung eher [fungiert hier als Kennzeichnung des Unterschieds] erschwert, statt sie zu erleichtern | - da hier manche Überlegung die Untersuchung eher erschwert, als daß sie sie erleichtert<br> - da manche Überlegung die Untersuchung erschwert, statt sie zu erleichtern |
trotzdem | - wird oft als Konjunktion benutzt, ist aber Adverb | - trotzdem die Arbeiten noch nicht beendet waren | - obwohl die Arbeiten noch nicht beendet waren |
unerfindlich | Kanzleiwort für unbegreiflich oder unverständlich | - | - |
-ung | - beschreibt das Prozeßhafte, keinen Zustand; man muß unterscheiden, was gemeint ist, ob ein Gewinn Zustand oder Ergebnis eines Prozesses ist, der noch andauert; dauert er noch an, muß es Gewinnung heißen | - | - |
ungleich | - Modeausdruck zur Verstärkung des Komparativs | ungleich größer | viel größer |
(WUSTMANN)
stilkunde.1367934419.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/07/28 14:32 (Externe Bearbeitung)