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MIQUEL

Johannes Miquel

ab 1897 von Miquel
1828-1901
POLITIKER
- trat in seiner ersten REDE im Norddeutschen Reichstag 1867 für die Annahme des Verfassungsentwurfs der Regierungen ein und begründete dies mit praktischen Notwendigkeiten
- nannte GEWALT und KRIEG notwendig zur Schaffung eines Deutschen Reiches
- der Entwurf sei nicht mit anderen Verfassungen zu vergleichen, sondern originell und fern jeder Kopie von den Verfassungen anderer Völker, ein praktisches Werk auf dem BODEN der Vorstellungen der Deutschen
- erkennt in dem Entwurf den Versuch der Schaffung eines Staatenbundes, der auf eine Zentralgewalt verzichtet und die wichtige Kompetenzen bei den einzelnen Staaten läßt: Auslandsvertretung, eine eigentliche Reichsverfassung wird nicht begründet, Zusammensetzung des Bundesrates aus Vertretern der einzelnen Staaten, Gesetzgebung bleibt im RECHT der einzelnen Staaten (allerdings derogiert die Bundesgesetzgebung die der einzelnen Staaten)
- will den Entwurf dahingehend entwickeln:

  • eine Verfassung für die EWIGKEIT/DAUER wird und kein Provisorium und
  • die Süddeutschen nicht durch Freiheitsversprechen locken, sondern durch Sicherheit, Kulturentwicklung, vermitteltes Gefühl der Einheit von SPRACHE, SITTE, Denkungsart und GESCHICHTE

- die EINHEIT wird wohl nur gegen den WILLEN des Auslands errungen werden und sie wird nur durch den Willen der Deutschen errungen werden können: Miquel hofft, daß in FRANKREICH die Kräfte siegen, die Deutschland das Recht auf Selbstbestimmung (wörtlich: sich selbst zu constituieren) konzedieren
- nennt den Entwurf einen Kolossalen Fortschritt und fordert

  • das bürgerliche Recht soll untrennbar von der volkswirtschaftlichen Einheit sein;
  • das Kriminalprozeßordnung, Hypothekenwesen und Bodenkredit sollen der Kompetenz des Bundes (Reiches) unterworfen werden

- Lastenauflegung und Verteilung der Gesetzgebung sind im Entwurf ungenügend geregelt → die vorgeschlagene mittelalterliche Kopfsteuer (als Umlage) belastet 100000 Bremer genauso wie 100000 Thüringer, was keine dauerhafte Lösung des Steuersystems sein kann, denn die Vermögensverhältnisse sind verschieden, also kann nur eine Reichssteuer Abhilfe schaffen, die geschaffen und in der Verfassung als Geplantes fixiert werden muß
- spricht sich für NACHHALTIGKEIT bei der Schaffung von Institutionen aus, die nicht auf Konflikt, sondern auf DAUER angelegt sein sollen, denn der freie BÜRGER und der freie BAUER Deutschlands erwarten dies
- ist bereit, für eine kurze Zeit die MACHT in die Hände der Regierung zu legen, damit die diktatorisch die Einheit herstellt, denn er hat VERTRAUEN zu dieser Regierung, die mit großer WEISHEIT und großer ENERGIE den Boden geschaffen haben für die nationale Entwicklung
- erklärte in seiner zweiten Rede vor dem norddeutschen Reichstag, daß der Deutsche Bund nicht mehr den Bedürfnissen einer auf Einheit drängenden NATION entsprach und durch GEWALT gesprengt werden mußte, was durch Preußens Erklärung, der Bund sei aufgelöst, erfolgte
- nunmehr stehe vor den Abgeordneten die Aufgabe, sich darüber im klaren zu werden, ob die Souveränität der Einzelstaaten im norddeutschen Bund stärker oder schwächer als die des Bundes sein sollten; in beiden Fällen wäre eine durch ZACHARIÄ ins AUGE gefaßte Zusammenlegung der §§ 2 und 5 schädlich, weshalb der Antrag so oder so abgelehnt werden müsse
- erklärte in seiner dritten Rede vor dem norddeutschen Reichstag die Gründe für seinen Antrag zur Änderung des § 4 (ein Kompetenzartikel), in dem der Bund zum Gesetzgeber werden soll, was zur Bildung einer einheitlichen Nation notwendig ist
- bezeichnete die Befürchtungen vor zu starker Zentralisation als Gespenster, denn der Bund behält im Konfliktfall mit den einzelnen Staaten zwar eine derogierende Kompetenz, mache aber die Gesetzgebung in den einzelnen Bundesstaaten nicht tot, wie das der Verfassungsentwurf von 1849 vorsah
- klammerte den Einwurf Savignys aus, der behauptet hatte, die Zeit sei nicht reif für die Kodifikation eines allgemeinen Rechts, und forderte statt dessen, daß sich der Reichstag bloß das Recht vorbehalten solle, dieses Recht EINST zu paraphieren
- sprach sich in seinem Diskussionsbeitrag zum § 5 für eine Ministerverantwortlichkeit aus, allerdings nicht vor dem Parlament
- betonte, daß die exekutive Regelung der Innenpolitik durch Ausschüsse in den Bereichen Finanzen und EISENBAHN in Friedenszeiten funktionieren könnte, nicht aber in Kriegszeiten → trat für eine einheitlich wirkende Regierung ein und forderte ein Korrektiv zwischen dem Präsidium und dem Parlament
- äußerte in seiner vierten längeren Rede ein Befremden gegenüber der von Bismarck (Rede gegen WALDECK und LASKER) gemachten ÄUßERUNG, daß die preußischen Ministerien nach Annahme des Verfassungsentwurfs genauso weiterarbeiten würden wie zuvor und nannte dies eine Auflösung des Bundes
- stellte gegen Bismarck klar, daß der Antrag zum § 16 keine Beschneidung der Verbündeten-Rechte beabsichtige, sondern vielmehr die Garantie einer wirklich gesetzmäßigen REGIERUNG geben (Verantwortung vor dem Reichstag!), denn nur so sei eine Unterstützung der Regierungsarbeit durch den Reichstag wirklich möglich
- polemisierte gegen die Rede Wageners zum Abschnitt XI (Bundes-Kriegswesen), der die Armee als Schaffer der Einheit Deutschlands bezeichnet hatte, und betonte, die Armee sei ein MITTEL des Volkes, das SELBST in seinem BEWUßTSEIN die Einheit besäße - und nur darin bestünde die Einheit Deutschlands
- machte darauf aufmerksam, daß Kriegshelden nicht unbedingt zum Parlamentarier taugen
- gab zu bedenken, daß das PARLAMENT immer in bezug aufs BUDGETRECHT Einschränkungen werde machen müssen: das sei in anderen Ländern nicht anders
- betonte gegen den Abgeordneten VINCKE, daß man nicht nur den Nation vertrauen könne, sondern auch und zu allen Zeiten den Vertretern derselben im Parlament
- in seiner sechsten längeren Rede (zum Abschnitt XII, die Bundes-Finanzen) begründete er die Notwendigkeit eines ausgreifenden Budgetrechts:

  • in die Verfassung müssen klare und deutliche Bestimmungen bezüglich des Budgetrechts geschrieben werden;
  • es müsse klar sein, welche Personen (Funktionen) dem Reichstag verantwortlich sind, zumal der Bundes-Kanzler nicht alle Bereiche ernstlich vertreten könne und
  • je weniger klar dem Parlament die Konturen der Regierung sein sollen, um so genauer müßten die Rechte des Parlaments definiert sein

- betonte in seiner siebenten längeren Rede, der gegen die Vorwürfe Bebels, daß Preußen keine nationale, sondern Hausmachtpolitik treibe und ein Militärstaat sei, daß Deutschland Preußen Gewissensfreiheit, Bauernbefreiung, Gewerbefreiheit und die nationale Erhebung gegen die Fremdbesetzung zu verdanken habe und angesichts der Ereignisse von 1866 und der großmütigen Erklärung, daß der Beitritt zum norddeutschen Bund vom Willen der Regierungen anderer deutscher Staaten abhänge, also nicht durch etwaigen Druck erfolge, könne bloß an großes Maß an Unbelehrbarkeit zu solchen Ansichten führen, wie sie Bebel, dem offenbar nicht mehr zu helfen sei, vorgebracht hatte
- trat gegen einen Beitritt aller deutschen Gaue in ein deutsches VATERLAND auf, war also gegen die Zerreißung Österreichs → ein Kleindeutscher
- trat ebenso gegen das alleinige Recht der süddeutschen Regierungen auf, das Datum des Beitritts zu bestimmen und forderte statt dessen die preußische Regierung auf, den richtigen Zeitpunkt (im Kontext der internationalen Lage) festzulegen
- stimmte Bebel in zweierlei Richtung zu:

  1. der fehlende Beitritt der süddeutschen Staaten lag nicht am sicherlich vorhandenen Willen des Auslands und
  2. der Beitritt würde gravierende Veränderungen im norddeutschen Bund bewirken.

- zu Punkt 1 ergänzte Miquel: der Nichtbeitritt lag am Widerwillen der süddeutschen Regierungen, an ihrem Partikularismus und an ihren Vorbehalten gegenüber den norddeutschen Piefkes
- zu Punkt 2 ergänzte Miquel, daß diese Änderungen auf dem Wege der Gesetzgebung, also des Parlaments erfolgen könnten
- wurde Oberbürgermeister von Osnabrück, um 1880 von Frankfurt/Main und sprach sich angesichts der Erfahrungen mit dem Sozialistengesetz gegen Wirtschaftsliberalismus (Freihandel) und Gewerbefreiheit aus, forderte (als Nationalliberaler) statt dessen staatliche Eingriffe in die Wirtschaft (!)
- in der Heidelberger Erklärung von 1884 sprach er sich für den Schutz der süddeutschen Landwirtschaft aus, also für Schutzzölle
- wollte eine Allianz der Eliten, die Wirtschaft, LANDWIRTSCHAFT, LIBERALISMUS und KONSERVATISMUS zusammenbringen sollte → der Mittelstand sollte gestärkt werden, das selbständige Handwerk sollte die Basis der deutschen WIRTSCHAFT bilden

miquel.txt · Zuletzt geändert: 2024/01/20 15:20 von Robert-Christian Knorr