Inhaltsverzeichnis
BACHOFEN
Johann Jakob Bachofen
1815-87
Religionswissenschaftler
Motto: antiquam exquirite matrem! (Der uralten Mutter forschet nach!)
- deutet MYTHEN aus dem GEIST der Vorzeit, aber geht im GEGENSATZ zu Karl Otto Müller den Weg der Mythen, nicht den der GESCHICHTE
- sammelt als Naturforscher und glaubt, der mythische STOFF liege dem Deutenden in seiner Gesamtheit vor Augen
- sieht die MENSCHHEIT als gewaltiges Bergmassiv, den Gipfel in apollinischem Licht, doch die Erforschung der Tiefe erfolgt nur mit dem BEWUßTSEIN des Lichts (BAEUMLER)
- kosmogonisch Initiierter, als Wiederentdecker der chthonischen SEELEnreligion, von welcher alle anderen als Verdünnungen oder Zersetzungen des Urquells erscheinen
- Bachofen will eine Synthese des männlichen und weiblichen Prinzips, eine mütterlich-symbolische Weltschau samt paternaler GESCHICHTSMETAPHYSIK a la HEGEL (Dierks)
- Bachofens LEHRE um ERDE, VOLK, NATUR, TOD und VERGANGENHEIT ist 1926 wieder an der Tagesordnung in der Form eines revolutionären OBSKURANTISMUS (MANN)
Lehre
Kernansatz: das Grundgesetz der symmetrischen Gynaiokokratie fordere, um begreiflich zu sein, frühere, rohere Zustände, die dem Grundgesetz ihres Lebens entgegengesetzt sein müssen und aus dessen Bekämpfung es hervorgegangen ist
A. Geschichtskonzeption
- Geschichte ist Zeitgedanke, nicht die Empirie der Ereignisse → das ALTERTUM ist vergangen und kann nicht psychologisch nachkonstruiert werden
- TRADITION ist der Weg zur Vergangenheit und bedarf eines Zeitgefühls für die HERKUNFT des Objektiven → das gilt dem MYTHUS, nicht anderen Ausdrücken des Bewußtseins
- progredierende Vergeistigung → vom MATRIARCHAT zum PATRIARCHAT
- bricht mit der vorherrschenden Ansicht
- daß der Mensch immer monogam lebte
- daß der Mann immer die Geschäfte führte
Begründung: HERODOT beschrieb die Lykier als frauenbestimmt
- glaubt an eine ENTWICKLUNG von der Vielheit zur EINHEIT, von chaotischen Zuständen zur Gliederung: ius naturale – GYNÄKOKRATIE – ius civile
- die chthonische RELIGION beschreibt einen Kreislauf des Lebens: Erde – Mutter – Tod, d.i. „Bachofens metaphysischer Empfindungskreis“ (Bäumler)
Stufenfolge der geschichtsphilosophischen Entwicklung
- strenges demetrisches Mutterrecht
B. Rechtsgeschichte
- vollzieht sich in drei Schritten, nach drei Prinzipien
1. außereheliches NATURRECHT → tellurisches Prinzip
- aphroditische Stufe, die rein stoffliche, tierische PHASE, Sumpfleben
2. reinster KÖRPER der stofflichen und nichtstofflichen WELT → lunarisches Prinzip
3. außerkörperliches Astralrecht → solares Prinzip
Methode
- sämtliche Autoren auf Inhalt lesen und systematisieren
- der Strom antiken Lebens ist nicht an seiner QUELLE zu betrachten, nur sein letzter Lauf liegt vor UNS, der aber den URSPRUNG beinhaltet
Urreligion und antike Symbole
- der Mensch ist ein ZWITTER zwischen
- Vergangenheit und ZUKUNFT
- Geistes- und Fleischesehre
- Fragilität beziehungsweise KONSTRUKTION und der Allmacht des Unbewußten
- Anforderungen der Kulturgesellschaft und eigener Triebhaftigkeit
literarische Wirkung Bachofens
- Unterwerfung antiken Mythen unter zwingende Grundgedanken: Sammlung und Konzentration → kompositionelle Befriedigung und PARTEINAHME
- Symbolschatz mit moderner Universalität durch den geschlechtlich-psychologischen Ansatz, dem das rationalistisch-verkürzte psychoanalytische Stigma fehlte → große BEGEISTERUNG bei tiefer denkenden Schriftstellern wie beispielsweise Thomas Mann
- Bachofens SYSTEM ist ein Experimentierfeld, eine PROJEKTION in jede Richtung ist MÖGLICH → HEIMAT vieler Denkmodelle
Rezeption
- seine Werke gehören zu den vollkommensten Darstellungen des Drinnen, was erklärt, warum Bachofen in seinem äußerlichen Leben ein so reizbarer und empfindlicher Herr war
- unterläßt nicht, in allgemeinen Bemerkungen das Lob des alles verbindenden Zwischenzustandes, des Übergangs als solchen zu verkünden, wo nichts klar geschieden ist und Altes und Neues verbunden-unverbunden nebeneinander liegt
- konzipiert zunächst den Gegensatz von Geschichte und Urgeschichte, URANISMUS und Chronismus und schafft aus diesen Gegensätzen resp. dem damit verbundenen Protest gegen beides seine Werke (STEDING)