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aufklaerung

AUFKLÄRUNG

Definition nach Kant: Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

- Das WESEN der Aufklärung ist die Alternative, deren Unausweichlichkeit die der Herrschaft ist. (ADORNO)

Vorgeschichte

Die Ausländerei wurde in Zeiten innerer UNFREIHEIT als ZEICHEN der Rettung betrachtet. Die DEUTSCHEn fühlten sich unfrei, der POESIE fehlte es an AUSDRUCK und Empfinden. So suchte man nachzuahmen beziehungsweise alte Zeiten heraufzubeschwören, so daß die deutsche Aufklärung immer eine stärkere Verbindung zum Traditionellen erhielt als andere Aufklärungsversuche. LESSING einigte KUNST- und Volksdichtung, so daß die Deutschen ein Identifikationsmuster erhielten. Es ist wichtig für die Bewertung der Aufklärung, daß sie sich im Grundtenor gegen gewaltsame Staatsverbesserungen ausgesprochen hat, d. h. gegen Staatsverbesserungen, die über moralische Mittel hinausgehen.

Bücherproduktion

- Zahlen entstammen dem Meßkatalog Leipzig für die entsprechenden Jahre

Art der Literatur174017701800
religiös-theologische Literatur38,5%24,5%13,5%
schöne Künste und Wissenschaften5,8%16,5%21,5%

zusätzlich gibt es eine innere Verschiebung; bei der schöngeistigen Literatur verschiebt sich der Akzent folgendermaßen:

Formen der schöngeistigen Literatur174017701800
geistliche Erbauungsliteratur76,6%40%21,3%
weltliche schöngeistige Literatur23,4%60%78,7%

englische Einflüsse

  • Brocke

- setzte religiöse und philosophische Fragen der ENGLÄNDER in der deutschen DICHTUNG um

- führte die ernste englische Dichtung - LYRIK als schulmeisterliches Pendant - ein
- Versuch einer SYNTHESE aus leibnizscher THEODICEE und POPEs Versuch vom Menschen; seine Beispiele machen die englische PHILOSOPHIE volkstümlich

  • Hagedorn

- hegte keine metaphysischen, sondern moralische Absichten
- Für Hagedorn war Kunst die Nachahmung der NATUR, da sieht er seinen moralischen Impetus. Er fragt nach den philosophischen Gründen künstlerischen Schaffens, weiß jedoch keine Antwort zu geben. Sein Kunstverständnis orientiert sich an dem WINCKELMANNs: Die FORM ist Kunst allein! Er nimmt sich der liebenswürdigen (SHAFTESBURY) Absichten der Engländer an, diese nahmen, wenn auch indirekt, am Kampf zwischen der: „Volkstümlichkeit in die Dichtung!“ propagierenden Schweizer Versammlung und der Klassizismus predigenden sächsischen Richtung teil.

britische Aufklärungeuropäische Aufklärung
- wenn sie irgend ein allgemeines PRINZIP anerkennt, dann muß sie es erst induktiv beweisen, indem sie verschiedene Anwendungsmöglichkeiten prüft, zum Beispiel HUME: es gibt keine IDEE ohne vorherige Impression- deduktive Europäer; ein Deduktionsgebäude aufgebaut auf der LOGIK: es ist alles in ORDNUNG, wenn das Prinzip richtig ist
- Ablehnung der Methodik, denn durch die VERNUNFT lasse sich nichts über Dinge feststellen, mit denen die Methodik zu tun hat- Rückführung auf feste Sätze; jeder SATZ müsse ein SUBJEKT und ein PRÄDIKAT haben
- LUST ist das höchste GUT → aufgeklärter EIGENNUTZ- Lust ist unedel; es gelten höhere Prinzipien, antiutilitaristische
- die Literatur spricht zum Volke, soweit es lesen kann: die in den Texten vermittelten Ideen gewannen mehr eine zweckmäßige, aufs Handeln hinweisende Gestaltung - die Literatur spricht zum (deutschen) Volke, das weitgehend lesen kann: die in den Texten vermittelten Ideen greifen auch aufs Praktikable, aufs Zweckmäßige und Nützliche, mehr noch aber wollen sie den ganzen Menschen ergreifen und wirken damit ästhetisch-künstlerisch über das Praktische hinaus

Formen

- EPIGRAMM
- EPOS
- Lehrgedicht
- FABEL
- Bildungsroman
- Staatsroman
- SATIRE
- TRAUERSPIEL

leitende Ideen

- Solidarität der GESELLSCHAFT
- FORTSCHRITT zum Weltbesten durch Herrschaft über die Natur mit der Methode WISSENSCHAFTLICHKEIT, da in ihr Vernunft obwaltet
- Regelung von STAAT und RECHT
- Überwindung jedes staatlichen und kirchlichen Drucks, d.h. die Unterordnung der RELIGIOSITÄT unter das vernünftige DENKEN und das moralische HANDELN (DILTHEY)
- Zweckmäßigkeit, Nützlichkeit und Glückseligkeit (Erich Franz)

Gegensätze

  • Mündigkeit (Freiheit) vs. Autoritätsglauben;
  • Verstand vs. Gefühl und
  • natürliche und übernatürliche Weltauffassung.

- Jacobi, Lavater und Hamann kämpfen zugleich für das Recht des Gefühls und das einer übernatürlichen Ordnung/Offenbarung
- Hamann ist starr auf die Bibel fixiert (Biblizismus), zugleich tritt er vehement für die Macht des lebendigen Gefühls ein

entscheidende Neuerungen des Aufklärungszeitalters

  1. man brach mit dem geltenden Politikbegriff des MITTELALTERs, der sich an Aristoteles zu orientieren glaubte → der EINZELNE ist für die Aufklärer nicht mehr Teil einer im KOSMOS verankerten Seinspyramide;
  2. der Staat wird als ein Konsens betrachtet, der sich der säkularisierten Vernunft ursprünglich Gleicher und Freier verdankt und dient dem Fortbestand der GEMEINSCHAFT;
  3. es gilt eine neue Wissenschaftlichkeit, denn fortan sind alle Lebewesen nicht mehr einem Zweckgedanken unterworfen, sondern kausalen Gesetzmäßigkeiten unterworfen;
  4. die GESCHICHTE vollzieht sich immer weiter hin zum Beßren, der TELOS-Gedanke aus der Natur wird auf die Geschichte übertragen, d.i. der Fortschrittsgedanke (Saage)

Prinzipien

- maß die Vergangenheit an der Gegenwart oder einer Zukunft, die eine idealisierte Gegenwart war (Friedell)

- stellt das Errungene als fragwürdig dar
- antithetische TECHNIK zwecks Erringung der Tatsächlichkeit

  • Lessing

- Wahrheitssuche statt bloßer RATIO
- der Gedanke der Theodizee kann einen Menschen VERZWEIFELN lassen, wenn man nicht mehr glaubt

  • Kant

- Kritik an der Überschätzung von Vernunft und NÜTZLICHKEIT → Grenzen setzen!
- attackiert sowohl den aristokratischen [im Sinne Burkes the spirit of the gentlemen] als auch den christlichen Geist, um sie durch neue, moderne Ideen zu ersetzen (Kinneging)

moralische Wochenzeitschriften

Verkündigung neuer moralischer Verhaltensmuster: nicht mehr durch die RELIGION begründet, sondern durch die Vernunft

- ERZIEHUNG macht sich tendenziell von der KIRCHE selbständig
- der bürgerliche Alltag wird zum Gegenstand der Betrachtungen
Vorbild: ENGLAND (R. Steel, Eddison) mit seinen Zeitschriften: the tatter, the spectator, the guardian
- THEMA „Mensch“
- Literatur wird so zum Diener der Vernunft
- jeder Mensch wird als vernunftbegabt auf eine neue Stufe gestellt
- Vernunft ist keine esoterische Kenntnis

Probleme

- das harmonische WELTBILD der Aufklärung mit seiner Übereinstimmung von Vernunft, SITTLICHKEIT und Lebensordnung ist durch die tragische Gewaltpotentialität der im Menschen bereits irrational und gefährlich erlebten Selbstbestimmung gesprengt → die Forderung nach FREIHEIT des Gewissens wird nach außen dringen wollen und nach politischer MACHT schreien, so daß unvorbereitete Menschen auf unflexible Systeme treffen, was zu GEWALT und TOD führen könnte
- die Aufklärung war nicht in der Lage, eine neue politische Philosophie zu entwickeln → im GEGENSATZ zur ROMANTIK jedoch betrachteten sie die VERGANGENHEIT, um eine bessere, um die hehren Ziele der Menschheit aufgeklärte ZUKUNFT haben zu können
- die Forderung nach einem Recht, das für alle Völker und alle Zeiten gleiche Brauchbarkeit haben sollte, ist der Irrtum des 18. Jahrhunderts

Zeitungen

  • Die Matrone
  • Der Patriot

- Juristen aus HAMBURG 1724 bis 1726 rufen zur Selbstbesinnung auf
- eine REAKTION auf die sozialen und wirtschaftlichen Ereignisse in Hamburg

  • Der Aufseher

- grundcharakterbestimmend
- die Titel sind fiktiv und verraten bereits Absicht

Rezeption

- soll geistiges, kulturelles und gesellschaftliches Klima schaffen, das AUSCHWITZ nicht noch einmal zuläßt → Bewußtwerdung des Grauens erzeugen!
- das Abbrechen der parabolischen Intention und die Verdunkelung sind Konsequenzen der Aufklärung → das Objektive wird auf den Menschen reduziert, weshalb er das SEIENDE als trostloser empfindet
- will man den Menschen retten, so muß man ihm das Mythologische zurechnen und zurückgeben
- verhält sich zu den Dingen wie der Diktator zu den Menschen
- schneidet das Inkommensurable weg; zersetzt das Unrecht der alten Ungleichheit, das unvermittelte Herrentum, verewigt es aber auch zugleich in der universellen Vermittlung, dem Beziehen jeglichen Seienden auf jegliches (ADORNO)
- der Versuch des Nachweises, daß Gottesglauben keine moralische Förderung für die MENSCHHEIT bedeutet → daß in einer Gesellschaft von Atheisten die moralischen Gebote ebenso funktionieren würden wie in einer RELIGIÖS patronierten (BAYLE)
- nach der EMANZIPATION von allen vorgegebenen Bindungen, Autoritäten und Traditionen steht die subjektive Freiheit des Individuums nunmehr ganz bei sich selbst, ohne ORIENTIERUNG an objektiven Gehalten → der normative Absolutheitsanspruch der Vernunft schlägt schnell in absolute Herrschaft um: Vernunfttotalitarismus (BÖCKENFÖRDE)
- bewirkte Vertändnisverlust der mythologischen Ausdrucksweise der vorigen Zeitalter und erklärte diese für verrückt (Campbell)
- setzte auf Kräfte des nur sinnlich berechnenden Verstandes, welcher die Verbindung eines künftigen Lebens mit dem gegenwärtigen aufhob → die Religion wurde rationalisiert
- begreift Ergänzungs- und stellvertretende Mittel der sittlichen Denkart - Liebe, RUHM, Vaterlandsehre - als täuschende Trugbilder (FICHTE)
- brachte den Deutschen, die keine das ganze VOLK durchziehende Identifikation besaßen, statt des angestrebten politischen das künstlerische Ideal
- eine RATIONAL-skeptische Geistesbewegung, die die WELT durch ERKENNTNIS und Nutzanwendung der Vernunft zu bewältigen trachtete
- Gegenströmung zum herrschenden PIETISMUS und zur Empfindsamkeit, die aus dem WESTEN kam (Hettner)
- zur ihr ist nichts erforderlich, als die Freiheit, in allen Dingen Gebrauch seines Verstandes zu machen
- Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit
- Unterscheidung in aufklärendes und aufgeklärtes ZEITALTER
- Kant war über die Aufklärungspostulate begeistert; er sann über die Verbreitung im Menschengeschlechte nach
- ist eine historische KATEGORIE, sozusagen eine Etappe auf dem Wege zur Glückseligkeit → diese Auffassung führte zum STREIT mit Mendelsohn, der sah sie als ewige Aufgabe
- eine Reihe von Schranken ist NOTWENDIG, um den in der Aufklärung entfesselten Kritizismus zu bremsen und damit der Gefahr zu entgehen, daß aus ihr ein Werkzeug der Zerstörung werde (Kant)
- es fehlt die moralische MÖGLICHKEIT zur Erringung seiner unverlierbaren Rechte
- keine Veredlung der Gesinnungenentfesselung der rohen Triebe der niederen Klassen
- keine Totalität des Charakters
- materialistische Sittenlehre ABER notwendige Entwicklungsstufe, da der Mensch mannigfaltig entwickelt werden muß → lebe mit deinem Jahrhundert, aber sey nicht sein Geschöpf; leiste deinen Zeitgenossen, aber was sie bedürfen, nicht was sie geloben
- ist bloß theoretische Kultur und zeigt so wenig einen veredelnden Einfluß auf die Gesinnung, daß sie vielmehr bloß dazu hilft, die Verderbnis in eine SYSTEM zu bringen und unheilbarer zu machen (SCHILLER)
- hat den Menschen unzureichend vereinfacht, der aufgeklärte MENSCH hat keine Ahndung (Gotthilf Schubert)

aufklaerung.txt · Zuletzt geändert: 2024/12/01 08:44 von Robert-Christian Knorr