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SCHOPENHAUER

Arthur Schopenhauer

1788-1860
Philosoph
- zahlte einer bärliner Näherin, obwohl diese keine bleibenden Schäden davongetragen hatte, eine lebenslange Rente, nachdem er diese eine Treppe hinuntergestoßen hatte → die Näherin hatte sich in einem Vorraum zu Schopenhauers Gemach aufgehalten und dort laut mit Freundinnen geschwatzt
- seine beiden unehelichen Töchter starben vor ihm
- bei aller ihm nachweisbaren Frauenfeindlichkeit setzte er sich für Frauenrechte ein und plädierte dafür, daß allen Frauen, v.a. den nichtverheirateten, ein angenehmes, menschenwürdiges Leben ermöglicht werde, ohne daß diese eine anstrengende oder gesundheitsschädigende ARBEIT verrichten müßten

- betont die Flucht als ihr Zentralproblem → die spätere DEKADENZ nahm dies auf und verzerrte den Menschen
- propagiert die innige Verbindung zwischen Pathologie und künstlerischer Genialität
- alle PHILOSOPHIE beginne mit dem Nachdenken über den TOD;
- fand das metaphysische PRINZIP des Willens und erkannte es in der Außenwelt als Wesenskern (Leisegang)

Ästhetik

- die Objektivationsstufen des Willens objektivieren ihn → dazu sind die platonischen Ideen von Nutzen, die zugleich das OBJEKT der KUNST sind, während die Kunst selbst als unabhängig vom Satz des zureichenden Grundes betrachtet
- in der künstlerischen Betrachtung - ERKENNTNIS der allgemeinen IDEE - reißt sich das SUBJEKT der Erkenntnis vom Dienste des Willens los und gewinnt es in der Produktion als Seligkeit zurück, d.i. Erlösung von den LEIDEN der WELT
- die Musik ist als AUSDRUCK des Willens allen anderen Künsten vorzuziehen; es ist als Komponist darauf zu achten, daß die Musik ihre übergeordnete Stellung gegenüber der DICHTUNG nicht verliere

Erkenntnislehre

- die Welt ist die SELBSTERKENNTNIS des Willens: der WILLE kennt wie Kants DING AN SICH weder RAUM noch ZEIT und bildet das Weltprinzip und den GRUND des Lebens
- die positive WISSENSCHAFT ist an die phänomenale Welt gebunden und sucht Gesetze, die die Kräfte beherrschen, d.h. auflösen ABER zum WESEN der Kräfte dringen diese Gesetze nicht vor
- der MENSCH besitzt aber die Fähigkeit, durch seinen Willen zum Wesen vorzudringen → der Wille dringt in die REALITÄT und wird so offenbar als

Methode

- man beginne mit der Kritik Kants, denn Kants Kategorienlehre fußt auf einer falschen Ansicht, der von der Struktur unseres Vorstellungsvermögens → Schopenhauer betont, daß es nur eine KATEGORIE gebe, die den Satz vom zureichenden Grunde ausspricht
- neben dieser Kategorie existiert die willenlose Betrachtung der Wirklichkeit - ANSCHAUUNG → alles Urdenken vollzieht sich in Bildern, die mit der WIRKLICHKEIT in Beziehung gesetzt werden und Wertungen nach sich ziehen, die als Reflexion auf unsere Erlebnisse den SINN des Ganzen deuten wollen
→ die Wirklichkeit wird so zum Gehirnphänomen

Ideenlehre

- die Welt ist Wille, somit raum- und zeitlos
- die Welt ist VORSTELLUNG, somit Intellekt, der die Welt in Raum und Zeit gliedert
→ es existiert ein ZWISCHENREICH der Willensobjektivationen, das Reich der Platonschen Ideen, d.s. die ewigen Formen der Dinge, unerreichte Musterbilder
- es gibt keine Vielheit, kein Entstehen und Vergehen: jedes ist EINES
- das Wesen der Welt ist das nunc stans
- der WECHSEL der Erscheinungen und Begebenheiten ist eine bloße Folge unserer Auffassungen derselben in den Anschauungsformen der Zeit
- das stehende Jetzt steht hinter aller INDIVIDUATION, VORHER und NACHHER, d.i. der metaphysische TROST gegenüber der eigenen Vergänglichkeit

Ethik

- die Kunst erlöst nur für Augenblicke und vermag die Leiden nicht zu mildern, welche mit dem Leben unauflöslich verknüpft sind, denn Leben heißt leiden → keine LUST stillt den Mangel
- der Mensch soll dem Leben - für Schopenhauer die Verneinung des Daseins - entsagen, denn es kann ihn nicht befriedigen
- solange sich der Schleier der MAJA nicht über den Menschen senkte bleibt ihm nur übrig, ein moralisches Leben zu führen
- das moralische Leben wurzelt im MITLEID, in welchem der EINZELNE die Schranken der eigenen Individualität durchbricht und der letzten IDENTITÄT aller Lebewesen inne wird
- es gibt aber keine Imperative, nur Beschreibungen, denn zwar ist der intelligible menschliche Wille frei, in der Wirklichkeit jedoch unterliegt er in der Realität dem Gesetze der Kausalität, d.i. ein operari sequitur esse → der Mensch muß nach dem Sein dem Sein gehorchen und seinen Willen adaptieren

Wertung

- sein SYSTEM erklärt sich nur, wenn man Schopenhauer nicht als Philosophen, sondern als KÜNSTLER betrachtet, dessen Pessimismus künstlerische Anschauung ist → Schopenhauer ist ZUSCHAUER, nicht der HELD der Lebenstragödie (Fischer)
- schwer zu erkennen, zugleich geistreich; es ist schwer vorzustellen, ob ihn die Herren vom Metier in ihrer GILDE passieren lassen, 1813 (GOETHE)
- Als Hauptvertreter einer voluntaristischen Metaphysik hat er seine pessimistische Mitleid-ETHIK mit einer raffinierten machiavellistischen Alltagsmoral zu verbinden gewußt. (HUDAL)
- man kann Schopenhauer auch als Verfechter eines sittlichen Ideals betrachten, das sich gegen die im Menschen ausgebildeten Anlagen durch seinen Schöpfer entwickelte → dann wird Schopenhauer zum Moralisten (Lehmann)
- bauscht das Individuum zum absoluten Selbstzweck auf → eine doch nur dekadent gesteigerte Abart des normalen kapitalistischen EGOISMUS - die indirekte Apologetik des Kapitalismus: Schopenhauer geht von den Widersprüchen aus und gibt ihrer Existenz eine Bedeutung, die letztlich vorteilhaft für diese Widersprüche ist → Kampf ist sinnlos, denn sie bedeuteten Selbstaufhebung des menschlichen Wesens, d.i. Pessimismus
- steht im Gegensatz zu den Romantikern der AUFKLÄRUNG aufgeschlossen gegenüber; er sucht eine Stütze für die These des Aufsichgestelltseins des Individuums
- seine Philosophie ist ein Schutz für jede bestehende Gesellschaftsordnung, die das PRIVATEIGENTUM wirksam zu verteidigen imstande ist
- Subjekt/Objekt: mit dem Objekt ist zugleich auch das Subjekt gesetzt, da sonst dies und jenes keine BEDEUTUNG hat; ebenso ist mit einem auf irgend eine Weise bestimmten Objekt sofort auch das Subjekt als auf eben solche Weise erkennend gesetzt - geht auf BERKELEY zurück → Identität von Erscheinungswelt und Vorstellung, esse est percipi
- die Außenwelt hat keine vom BEWUßTSEIN unabhängige Wirklichkeit - Objektivität
- die Vielheit ist ERSCHEINUNG und die äußeren Vorgänge sind bloße Konfigurationen der Erscheinungswelt, haben daher unmittelbar weder Realität noch Bedeutung, sondern erst mittelbar durch ihre Beziehung auf den Willen der EINZELNEN
- die Kunst ist die Betrachtungsart der Dinge unabhängig vom Satz des Grundes - Gegensatz zur KLASSIK, die in der schönen Erscheinung gerade das Wesen des Grundes manifestiert sah
- seine Skurrilität erscheint als mit der Entwicklung des KAPITALISMUS als in steigendem Maße typisch
- erster Vorläufer des dekadenten Kosmopolitismus (LUKACS)
- Schopenhauer ist kein Determinist, da er das Andersseinkönnen behauptet und das Nichtandershandelnkönnen nicht für grundsätzlich befragungswürdig hält (Mieth)
- der INSTINKT sagt NEIN zum altruistischen Ansatz der Erklärung des Herkommens von GUT und BÖSE, den Quellen der MORAL
- der altruistische Ansatz führt zur Gefahr für die MENSCHHEIT, weil er sich der Willen gegen das Leben wendet → Mitleid und NIHILISMUS
- seine THEORIE vom Aufgehobensein der Sinnlichkeit im ästhetischen ZUSTAND ist falsch, denn die Sinnlichkeit ist dann nur transfiguriert und bloß kein Geschlechtsreiz mehr (NIETZSCHE)
- zerschlägt mit Nietzsche zusammen das Dogma von der VERNUNFT als dem tiefsten Wesensgrunde des Menschen (SIMMEL)