Inhaltsverzeichnis
MARX
Karl Marx
1818-83
PHILOSOPH und Soziologe
- lehnte eine sittliche Begründung des SOZIALISMUS stets schroff ab
Lehre
- nähert sich als LINKSHEGELIANER erkenntnistheoretischen Fragen über die KRITIK der RELIGION und der bloßen Betrachtung: statt dessen nutzt er FEUERBACH zur Formulierung seiner GESCHICHTSPHILOSOPHIE und ANTHROPOLOGIE, die letztlich in einer von CIESZKOWSKI und Moses Heß beeinflußten PRAKTISCH-politischen Verwirklichungsabsicht mündet
Hauptthese des IDEALISMUS: REALITÄT wird dargestellt in Gestalt abgelöster Objekte → die EMPFINDUNG ist eine Wechselbeziehung zwischen SUBJEKT und OBJEKT; Handlungen sind Praktiken der Subjekte
- das bloße Objekt ist reiner Rohstoff des Subjekts, der durch den PROZEß des Erkennens verarbeitet wird
- ERKENNTNIS ist begreifen = aktiv, nicht passive KONTEMPLATION
→ Subjekt und Objekt befinden sich in ständiger BEWEGUNG, in einem Anpassungsprozeß; DIALEKTIK
- die Philosophie findet im PROLETARIAT ihre materielle Waffe, das Proletariat umgekehrt ihre geistige: ein Bedingungsverhältnis, um aus Proletariern bzw. Deutschen Menschen zu machen: die ARBEIT erhält hier ihre bedeutsame Funktion als gegenständliche Tätigkeit
Theorie des Mehrwerts
- Fundament seiner ökonomischen THEORIE auf der Basis der Arbeitswertlehre Ricardos, wodurch beide den Wert eines Produktes auf die bei dessen Herstellung tatsächlich aufgewendete und notwendige Arbeitszeit zurückführen
- Mehrwert ist kein Ergebnis eines Betruges (Übervorteilung) am Markt: der Arbeiter verkauft seine ARBEITSKRAFT gegen Lohn nach den Gesetzen des Marktes als Tausch wertgleicher Güter, ein Äquivalenttausch, von daher seien Lohnerhöhungen kein Ergebnis größerer GERECHTIGKEIT; es müßten vielmehr die Produktionsverhältnisse, die letztlich den Wert der Arbeit im gesamtgesellschaftlichen Prozeß zu bestimmen sich anheischen, selbst zum Gegenstand einer fundierten Kritik gemacht werden
- der Kapitalist dagegen investiert IN die Arbeitskraft, deren Wert sich aus dem Wert der zu ihrer Reproduktion erforderlichen Waren [und Dienstleistungen] bestimmt, das variable Kapital, das als einzigem wertschöpfendem Faktor des Produktionsprozesses eine besondere BEDEUTUNG zukömmt
Feuerbach-Thesen
Textquelle hier
- Zur elften Feuerbachthese existiert ein Witz: Ein Hase saust in tödlicher Angst über die Felder, ein anderer schließt sich ihm an. Nach kurzer Zeit fragt er: Wovor fliehen wir eigentlich? - Sie haben, sagt der erste Hase, ein Gesetz erlassen, demzufolge allen Hasen das fünfte Bein abgesägt werden soll. - Wenn das so ist, sagt der zweite Hase, aber wir haben doch nur vier Beine. - Du kennst sie nicht, sagt der erste, erst sägen sie, dann zählen sie. (Hacks)
Zur Judenfrage
1843
- thematisiert das Problem der EMANZIPATION und unterscheidet die politische von der menschlichen: Die politische Emanzipation ist allerdings ein großer FORTSCHRITT, sie ist zwar nicht die letzte Form der menschlichen Emanzipation überhaupt, aber sie ist die letzte FORM der menschlichen Emanzipation innerhalb der bisherigen Weltordnung: wir sprechen hier von wirklicher, von praktischer Emanzipation.
- man muß die Kluft zwischen individueller EXISTENZ und menschlichem Gattungsleben überwinden, indem man den STAATSBÜRGER in sich zurücknimmt und in seinem empirischen Leben Gattungswesen wird, also die in jedem liegenden eigenen Kräfte gesamtgesellschaftlich orgnaisiert werden und der MENSCH so seine politische KRAFT nicht von sich trennt und als Einzelwille artikuliert, sondernim gesamtgesellschaftlichen Kontext aufgehoben weiß
Kommunistisches Manifest
1847
- die Erkämpfung der Demokratie ist nichts anderes als die Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse
- im Manifest glaubt Marx noch, daß die Arbeiterklasse in einer proletarischen Revolution die fertige bürgerliche Staatsmaschinerie einfach übernehmen und für ihre Zwecke benutzen könne; erst unter dem Eindruck der Pariser Commune löst er sich von dieser VORSTELLUNG und setzt nunmehr auf ein SYSTEM von Räten mit imperativem Mandat für politische Vertreter, Beamte und RICHTER und Arbeiterlohn für öffentliche Ämter
Kritik des Gothaer Programms
1871
- zwischen der kapitalistischen und kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andere, was sich in einer politischen Übergangslösung auch staatlich manifestieren wird, in dem die revolutionäre Diktatur des Proletariats herrscht
Kritik des Hegelschen Staatsrechts
1843
- Staat und bürgerliche Gesellschaft sind zwei verschiedene Dinge und zu trennen, insofern stimmt Marx Hegel zu, aber im Unterschied zu diesem ist die Vorrangstellung des Staates gegenüber der Gesellschaft zurückzuweisen
- das Abstraktum des Staates soll überwunden werden: der STAAT soll als das Ganze eines Volkes in einer umfassenden DEMOKRATIE verwirklicht werden
Zur Kritik der politischen Ökononmie
1859
Prämisse: In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem WILLEN unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bbestimmten Entwicklungsstufe [Evolutionismus] ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das BEWUßTSEIN der Menschen, das ihr SEIN, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt.
Randglossen zum Programm der Deutschen Arbeiterpartei
1875
- Ausführungen zur Gestaltung der Übergangsgesellschaft, SOZIALISMUS
Warentausch, GELD, Geldlohn nach Maßgabe der individuellen Arbeitsleistung: unvermeidbare Mißstände
Rezeption
- er bezauberte die Wiener Jugend, weil er entzaubert und alles klar macht; man kann die ZUKUNFT ausrechnen (BAHR)
- Mit Hilfe seiner objektiven Arbeitswerttheorie kann Marx die Eigendynamik des Verwertungsprozesses des Kapitals darstellen und in seinen gesellschaftlichen Konsequenzen verfolgen. Seine KRITIK der bürgerlichen DEMOKRATIE vermag er freilich nicht mehr innerhalb einer eigenen politischen THEORIE zu fundieren. Die Diktatur des Proletariats als Station zum Absterben des Staates stellt die bürgerlich-demokratischen Formen und ihre rechtlichen Garantien ihrerseits zur Disposition. (Klein)
- eignete sich die ihm passenden Teile der (hegelschen) Stadienlehre an, um sie, mit unhaltbaren Zutaten wie der ökonomischen Selbstentwicklung und der Ideologienlehre belastet, in den DIENST des proletarischen Klassenkampfes einzuspannen (Müller-Armack)
- hat durch glänzende Konstruktion versucht, die Tatsache [der EXISTENZ des vierten Standes] zum Rang einer IDEE zu erheben (SPENGLER)
Fehler von Marx
- verkannte die Dynamik politischer und sozialer Entwicklungen und betrachtete diese schematisch-dogmatisch nach einer Augenblicksanalyse kapitalistischer Strukturen
- es war ihm nicht möglich, folgende Entwicklungen der entwickelten kapitalistischen Gesellschaft vorauszusehen:
- die Möglichkeit einer Stabilisierung der kapitalistischen Gesellschaft durch institutionalisierte Zweckverbände (Gewerkschaften, Ausschüsse, Parteien, Gremien), die im Rahmen der (westlichen) Demokratie arbeiten und Interessenausgleiche schaffen;
- den Reformwillen breiter Bevölkerungskreise, die in revolutionären Umstürzen eher den Schaden als den Nutzen sehen;
- die Zunahme staatlicher Eingriffe in Wirtschaftskreisläufe bzw. in Krisenzeiten, um soziale Ungleichgewichte auszubalancieren;
- die Entwicklung eines auf soziale Sicherung und Gerechtigkeit orientierten Staatswesens;
- die Entwicklung der Wirtschaft aus dem reinen Produktionsbetrieb hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft mit breiter Einbindung weiter Bevölkerungskreise in den Wohlstand und
- daß der Kapitalist ein natürliches INTERESSE daran besitzt, seine Produkte auch zu verkaufen, er also den Volkswohlstand mehren muß, um den eigenen zu sichern und auszubauen;
- sah nicht, daß erst dann, wenn es einen Sozialismus der Nationen gibt, auch einen Sozialismus der Menschen geben kann.
Polemik gegen Marx
In allen deutschen Landesteilen folgten um 1830 Verfassungen, mehr oder weniger freiheitlich, aber alle doch freier als in anderen Ländern der Welt, wo entweder die Sklaverei oder Lohnsklaverei (zu geringes Einkommen verhinderte das Recht zu wählen) viele Menschen von jeder politischen Partizipation ausschlossen, wohingegen es in den deutschen Ländern keinen Ausschluß gab. Jeder Mann über 25 durfte wählen.
Die deutschen Kommunisten setzten hier ein. Sie forderten die Aufgabe des Individuellen und die Schaffung des Genossen. Klassenbewußtsein statt individuelle Weltwahrnehmung. Die Antreiber dieser Entwicklung entstammten dem gehobenen preußischen Bür-gertum: Marx war der Sohn eines jüdischen Rechtsanwalts aus Trier, Engels der eines westfälischen Fabrikanten und Lassalles Vater war ein reicher jüdischer Kaufmann in Schlesien.
1847 erschien ein Manifest, in dem Marx den Ausgebeuteten erklärte, was zu tun seI. Das Kommunistische Manifest. Dieses außergewöhnlich erfolgreiche Buch beschreibt den Kapitalismus als Leistungsgesellschaft und würdigt ihn entsprechend. Zugleich wird behauptet, daß diese Leistungen auf der Ausbeutung der Massen beruhen. Im Unterschied zu vergangenen Zeiten habe der Kapitalist einen nie enden wollenden Hunger nach dem Mehr, dem Mehrprodukt, dem anzueignenden Mehrwert, dem Besseren und dem Höheren. Es treibe ihn die Sucht nach dem Mehr.
Dieser materialistische Ansatz, Weltgeschehen zu erklären, zieht sich durch die gesamte Marxsche Lehre. Marx behauptete die Ursächlichkeit des Wirtschaftlichen bei allem, was Menschen hervorbrächten: Moral, RELIGION, Sitte, Ideologie. Das wirtschaftliche Interesse prägt nach Marx alles Tun. Die Gier nach dem Mehrwert, der dem Mehrwertschaffenden (dem Proletarier) expropriiert (ausgezogen; ausgebeutet) würde, treibe die Menschen an und definiere ihre Beziehungen. Aber nicht alle Menschen würden am geschaffenen Reichtum teilhaben können, so daß das Heer der Besitzlosen wachse, während sich diejenigen des Besitzes allmählich anteilig verringern müßten. Diese geteilte Gesellschaft könnte nur überwunden werden, indem die Besitzlosen den Besitzenden ihr unrechtmäßig angeeignetes Mehr wegnähmen und der Allgemeinheit zuführten. Das nannte Marx Klassenkampf. Und dieser Klassenkampf ziehe sich durch alle Weltzeitalter und sei erst mit dem Sieg der Arbeiterklasse (Proletariat) beendet.
Marx begründete den Sieg des Proletariats dialektisch: Die Macht des expropriierenden (ausbeutenden; enteignenden) Bürgertums (Bourgeoisie) müsse im Zenith umschlagen und sie an die Arbeiterklasse verlieren, denn das Werden höre niemals auf. Das Manifest schließt mit den aufmunternden Worten: Proletarier aller Länder, vereinigt euch!
Marx hatte in Deutschland wenig Einfluß. Er lebte in London von dem, was er als Reporter für amerikanische Zeitungen verdiente und was ihm sein reicher Freund Engels zusteckte. Aber es gab Ferdinand Lassalle. Doch Lassalle wollte den Sozialismus mit Hilfe des existierenden Staates erreichen und diesen nicht durch die proletarische Revolution zerstören. Nach Bismarcks Regierungsantritt gründete sich bald der Allgemeine deutsche Arbeiterverein (23.05.1863), der sowohl nationale wie auch soziale Fragen thematisierte und NICHT gegen die bestehende Ordnung anging, jedenfalls nicht im Marxschen Sinne einer völligen NEGATION derselben. Marx und Engels gründeten bald darauf in London eine internationale Arbeitervereinigung, die Internationale Arbeiterassoziation (1864), die den übernationalen Kampf der Arbeiterschaft betonte. Wie komplex die Linke aufgestellt war, bezeugt die Gründung der dritten Kraft, der Sozialdemokratie, die 1867 in Eisenach gegründete Sozialdemokratische Arbeiterpartei, die viele großdeutsch orientierte Demokraten in sich vereinigte und so von Anfang an gegen den Kleindeutschen Bismarck operierte. Somit kam die Sozialdemokratie in Preußen zuerst nicht sehr gut zum Zuge, während sie in Süd- und Mitteldeutschland, selbst im industriell kaum entwickelten Österreich regen Zulauf erhielt. Ein hessischer Journalist und Büchsenmacher, Wilhelm Liebknecht, führte diese Bewegung an.
Lassalle forderte aufgrund seiner Überzeugung, daß der Staat allmählich zu egalitären Zuständen zu reformieren sei, das allgemeine und gleiche Wahlrecht, somit eine Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts in PREUßEN. Überraschenderweise erhielt Lassalle 1863/64 Unterstützung von Bismarck. Allerdings verfolgte Bismarck keinen auf Egalität gerichteten Plan, sondern hoffte, das liberale Bürgertum in die Schranken zu weisen. Den TEUFEL mit dem Beelzebub austreiben! Bismarck glaubte zu dieser Zeit vor 1878 nicht an eine größere politische Bedeutung des Proletariats. Bismarck und Lassalle: Partner im Kampf gegen das kapitalistische Bürgertum! Aber bevor dieser Kampf mit den Liberalen gemeinsam von Urpreußen und großdeutsch orientierter Arbeiterschaft hätte geführt werden können, starb Lassalle. Groteskerweise starb er bei einem Duell wegen einer Liebesgeschichte. Lassalles Nachfolger verband den Arbeiterverein so eng mit Bismarcks kleindeutschen Vorstellungen und nationaler Arbeiterschaft, daß die Gründung der groß-deutsch orientierten Sozialdemokratie 1867 eine zwangsläufige Folge war. Doch die sozialen Probleme spitzten sich weiter zu, die Zahl der Arbeiter wuchs und damit das Bedürfnis nach politischer Wahrnehmung der Bedürfnisse der Arbeiterklasse. 1875 kam es in Gotha zu einem Vereinigungsparteitag zwischen der Sozialdemokratie und Lassalles Arbeiterverein.
Polemik: Was ist gegen Marx' Konzept zu sagen?
Zum einen kann angeführt werden, daß die WELTGESCHICHTE kein ewiger Kampf zwischen Besitzenden und Besitzlosen ist. Die Weltgeschichte entwickelt sich auch nicht zielgerichtet zu einer egalitären Gesellschaft (Kommunismus) oder zyklisch. Schließlich lebten Jahrhunderte lang sehr viel ärmere Ritter und Adlige neben sehr viel reicheren Bauern, lebten im alten Rom sehr viel ärmere Patrizier neben sehr viel reicheren Plebeijern. Ihr Kampf war keiner ums Geld, sondern um Achtung und Macht. Sehr arme Ritter und Grafen beschützten ihre sehr viel reicheren Untertanen im Austausch gegen ein paar Naturalien. Lange lange lange. Selbst in Griechenland gab es reiche Sklaven resp. Freigelassene, die den langjährigen, schwer arbeitenden Bürgern Athens oder Milets nur in einem nachgestellt waren: sie besaßen keine politische Mitsprache.
Kurzum: Marx' Konzept greift zu kurz, ist somit demagogisch. Sicherlich gab und gibt es immer Ungerechtigkeiten . Und diese sind zu bekämpfen. Es hieße jedoch verkürzt etwas darzustellen, tendenziös zu berichten und Dinge gewaltsam passend zu machen, würde man sie allein auf wirtschaftliche und materielle Gründe reduzieren. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, viele treiben andere Motive als wirtschaftliche in ihrem Tun und DENKEN an.
Und schließlich: Eine gerechte WELT entsteht nicht dadurch, daß Unterschiede nivelliert werden, sondern dadurch, daß Unterschiede ausgehalten werden und jeder das ihm Gemäße erhält, nach eigenem und nach fremdem Bilde.