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SCHLEGEL
August Wilhelm Schlegel
8.9.1767 Hannover
- betrieb unter HEYNE und BÜRGER in Göttingen ästhetische Studien
- Verfechter und Übersetzer Shakespeares
- um 1798 wollte er in Jena die dato existente deutsche LITERATUR zum Studiengegenstand machen, fand damit aber wenig Gegenliebe bei Studenten und Kollegen → 1797 Strauß mit SCHILLER, der die Brüder Schlegel als Ärgerniß nahm, die ihm im Wege stünden bzw. in den Weg treten
- Die PHANTASIE ist der HELD der PHILOSOPHIE. Die NATUR ist nur die sinnlich, wahrnehmbare, zur Maschine gewordene Phantasie.
- erwartete durch die ROMANTIK die Wiederkehr des Ewiggleichen, indem die POESIE auf ihre Quellen zurückzuführen und die MYTHOLOGIE wieder herzustellen sei
- nannte die FRANZÖSISCHE REVOLUTION, Fichtes Wissenschaftslehre und den Wilhelm Meister die großen Tendenzen seiner ZEIT
Friedrich Schlegel
1772-1829
SCHRIFTSTELLER und Philosoph
- Begründer der indischen PHILOLOGIE, mithin der vergleichenden Sprachwissenschaften in DEUTSCHLAND → beschrieb in dem 1808 erschienenen Über die Sprache und Weisheit der Inder erstmals die Überlegenheit der ARIER, was er sprachwissenschaftlich begründete/begründen wollte, so daß KLEMPERER die Ursprünge des deutschen RASSISMUS zuerst in der Philologie, nicht den Naturwissenschaften mutmaßte
- hat als erster den hermeneutischen Zirkel historisiert → bezeichnete jede große Symphilosophie als zum ZEITALTER zurückgehend; das Zeitalter liefere Orientierungswissen, von dem der Philosoph dialektisch ausgeht und das Zeitalter zum Vergangenen führt, und wieder zurück, denn das Vergangene ist STOFF, um das Gegenwärtige verständlich zu machen
- Altertumsstudien in Göttingen und Leipzig, dazu Herders und Wolffs Prolegomena
- das Problem der modernen Literatur: Spannung zwischen dem Einzigartigen und Typischen, Singulären und Allgemeingültigen, Interessanten und Mythischen
- beschreibt androgyne Muster: sanfte Männer und selbständige Frauen
Philosophie
Prämisse: Annahme eines unbewußten Gottes/Gottheit, d.i. das UNIVERSUM → unerkennbar, weil substantia infinita wie bei SPINOZA
- wir wollen erkennen und reißen uns aus dem Unendlichen Teilgottheitsbegriffe heraus, deren Summe uns allmählich glauben läßt, wir würden Gott/das Universum erfassen können
- Gott wiederum, sich selber unbewußt, kömmt nur in uns zu Bewußtsein, was seiner Wesensnotwendigkeit entspricht: Gott ist ein Werdendes, wobei Mensch und Gott Komplemente sind, keine Analogia wie bei Hegel (Gott: an sich; Mensch: für sich)
- gegenüber Fichte betont Schlegel die Kontraktion der Verbindung zum Unendlichen (kontrahierendes Ich vs. Unendlichem), nicht die von FICHTE präferierte SPONTANEITÄT des freien Ichs → wir sind nicht die SCHÖPFER Gottes, sondern dessen eigener unbewußter URSPRUNG
- das Unbewußte ist das WESEN des Individuums: sofern es schläft, ist es erst wirklich → Urgrund der Romantik
- den weitesten Gegensatz zu den Empirikern bildet der Naturbegriff: die Natur wird als Tor begriffen, durch das die Agilität des strukturlosen Universums real in das Bewußtsein des Individuums eintritt und somit von diesem abgebildet wird
Erkenntnistheorie
- kann nur ideal-real sein, weil einfacher Realismus die Erkenntnis der Realität naiv in dieser selbst mutmaßt und nicht die EVIDENZ derselben im Individuum, dem erkennenden Subjekt, erkennen kann
- Empirie ist das Organon von realer data, nicht aber das für Erkenntnis
- wahre Erkenntnis kann nur in der poetischen Reflexion erreicht werden, wenn sich Individuum, Universum und Verstand in der SPRACHE manifestieren
- die Vernunft kann der PHANTASIE (die Verbindungslinie zwischen dem Universum und dem Individuum) keine normativen Fesseln anzulegen; sie muß die Selbstoffenbarung der GOTTHEIT akzeptieren, die zwar CHAOS ist, im Individuum aber einen scheinbaren Ordnungssinn offenbaren kann
Begriff der romantischen Ironie
- entsteht aus dem Spiel von Individuum und Empirie, aus dem Wechselgesang von Unendlichem und Akzentuierung
- Subjekt, Prädikat und Kopula (Bindewort) vermittelt sich jede Aussage zu einem fixierten gedanklichen Resultat, eine Zwischenerstarrung göttlicher Universalität, die wieder aufgesprengt werden muß, indem ihr Gegenteil mitgedacht wird, d.i. IRONIE der Zwischenerstarrung
- eine dissoziative Störung zwischen Inhalt und Form: der POET verbirgt im Gesagten das, was er meint, ein nicht endender Prozeß, der zugleich eine Autor-Leser-Rezeptionsebene enthält (Schweben, potenzierte Reflexion) und damit ein Gespräch entzündet, das zur universellen Poesie führren wird
Transcendentalphilosophie
1800/01
- Philosophie zielt stets auf neue Anfänge, ein WISSEN des Wissens, ein Experiment, das sich um die beiden Pole Unendliches und Bewußtsein dreht → Fichtes Philosophie zielt auf das Bewußtsein (ist darum subjektiv), Spinoza zielt auf die Erfassung des Unendlichen (ist darum objektiv)
Theorie der Welt
- geht hervor aus dem Unbestimmten und dem Nichtich und ist das Resultat von geistigen WESEN
- MATERIE und Form sind die Elemente der Welt
- die Materie hat die Tendenz, ins Positive zu gehen, benutzt Assimilation (Austausch mit der Umwelt), die der Kern aller Organismen ist
- Form, das Unendliche, das in Harmonie zu anderen steht, dessen Basis die Erinnerung an die ursprüngliche Einheit von Körper und Geist ist, worauf die Form wieder zielt: prästabilierte Harmonie
- da die Welt unvollendet ist, ist der Mensch der Gehülfe der GÖTTER
Theorie des Menschen
- knüpft sich an Realität an, die dadurch gekennzeichnet ist, daß es keine allgemeine Bestimmung des Menschen gibt [sie vollzieht sich in der menschlichen Gesellschaft (Gemeinschaft und Freiheit), an welche Bedingung der MENSCH als Mensch gebunden ist], sondern nur eine jeweils individuelle, da sich jeder Mensch seine Bestimmung selber setzt
- das STREBEN nach seinem Ideal wird ihn moralisch machen, bedeutet: er wird philosophisch leben
- der innere Mensch lebt nach seiner Religion, nicht nach der Moral
- alles Menschliche läßt sich auf FAMILIE, HIERARCHIE und REPUBLIK zurückführen
- die Liebe ist der Differenzpunkt in uns, sie läßt die Welt zusammenbauen, ist Anfang und Ende von allem, rekurriert auf die beiden Urfakta (Dualität und Identität): ohne Liebe keine sittliche Bildung
Philosophie der Philosophie
- Rechtfertigung der Polemik
- Vereinigung von Geschichte und Philosophie
- Enzyklopädie von Kunst und Wissenschaften
Politik
- bildet neben MORAL und RELIGION eine Grenze der Philosophie und verbindet die Erstgenannten
- hält im GEGENSATZ zu KANT eine WELTREPUBLIK für denkbar/möglich, innerhalb derer die einzelnen Völkerstaaten im Sinne der VOLKSSOUVERÄNITÄT Rousseaus autonom bleiben
- die allgemeine Wehrpflicht wird verworfen und ist nur im Ausnahmefall bei äußerster Bedrohung anwendbar
- der ADEL ist die Kriegerkaste und κατέχον und die höchste KRAFT und Blüte der NATION, er hat die Verteidigung der Nation zu übernehmen
- der STAAT muß aus dem reinen, unverfälschten BODEN der Nation hervorgehen
Lucinde
- was Frauen gegenüber Männern für Vorzüge haben;
- Schilderung eines wahrhaft romantischen Lebens (CASSIRER)
- ihr Gebrechen ist eben, daß sie kein Weib ist, sondern eine unerquickliche Zusammensetzung von zwei Abstraktionen, Sinnlichkeit und Witz (Heine)
- Friedrich lebt und webt darin. Vielleicht gibt es nur wenig individuellere Bücher. Man sieht das Treiben seines Inneren, wie das SPIEL der chymischen KRAFT in einer Auflösung im Zuckerglase, deutlich und wunderbar so vor sich. Tausend mannigfache, helldunkle Vorstellungen strömen herzu, und man verliert sich in einem Schwindel, der aus dem denkenden Menschen einen bloßen Trieb, eine NATURKRAFT macht, uns in die wollüstige EXISTENZ des Instinkts verwickelt. An romantischen Anklängen fehlt's nicht, indes ist das Ganze und das Einzelne noch nicht leicht und einfach udn rein von Schulstaub genug. - An den Ideen ist übrigens nichts auszusetzen. Der ROMAN hat zu früh das Licht der Welt erblickt. - Er müßte den Titel haben: Chymische Phantasien oder SATANISKEN. (Novalis)
Wertung
- erhebt die einseitige Forderung der urkundlichen Erforschung des MYTHUS, glaubt also nicht an den Mythus (BAEUMLER)
- war ein tiefsinniger Mann; er erkannte alle Herrlichkeiten der Vergangenheit, und er fühlte alle Schmerzen der Gegenwart (HEINE)
- versucht, die unmittelbare Wirklichkeit des Unbewußten der Kunst in der Reflexion auf diese zu bewahren, ohne sie in distanzierende Abstraktion aufzuheben (Elsässer) → Glaube an die notwendige Immanenz des Unbewußten
- sieht in der Hegelschen DIALEKTIK eine Art von Satanismus
- endete als mystischer Irrationalist (LUKACS)
- Laffe, mit dem es zu arg wird (SCHILLER)
Joh. A. Schlegel
1721 Meißen bis
- im Sinne Bodmers und Breitingers erzogen
- seine KRITIK an der Kunstlehre: sie sind vereinzelt.
- nahm Anteil an Boileaus Lehre von der idealisierten Natur; der Schönheitsbegriff macht nur SINN, wenn er zur Natur zurückgeführt wird
KUNST: sinnlicher AUSDRUCK der EMPFINDUNG, freie SCHÖPFUNG der sinnlichen Einbildungskraft Nachahmung: nur ein Mittel zur Kunst, nicht der ZWECK derselben
- einer der geistreichsten DICHTER unseres Vaterlandes (Schiller)
Johann Elias Schlegel
1718 Meißen bis 1749
DICHTER
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Dido
- das erste deutsche Didodrama … mit wirklich eigener Auffassung des Themas
Dabei wird neben der DIDO-ÄNEAS-HANDLUNG die Hiarbas-Handlung als zweiter Strang mit eingebaut. Der libysche KÖNIG wird nun zu einer tätigen Person, mit der Aeneas und Dido dauernd rechnen müssen. Dido tötet sich schließlich nicht nur aus unglücklicher LIEBE, sondern auch um ihre STADT von dem Libyer zu befreien. Insofern mündet ein Hauptzug der bei Justin überlieferten älteren Sagenfassung in die vergilische HANDLUNG ein.
Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters
- das Beste vor LESSING über dramatische Dinge
- Kriegserklärung an GOTTSCHED
- hält die aristotelischen Einheiten für wünschenswert, nicht zwingend
vergleicht Shakespeare und GRYPHIUS und kommt zum Vorzug Shakespeares
- das THEATER hat der BILDUNG des Volkes zu dienen
- der Dichter hat nationale Charaktere zu GESTALTEN
Die stumme Schönheit
- ein Beispiel für den neuen Umgang der Geschlechter untereinander